Leitsatz

Wenn ein Betriebskostenguthaben verspätet an den Mieter ausbezahlt wird, weil der Vermieter mit der Verpflichtung auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung in Verzug geraten ist, ergibt sich der Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 288 Abs. 1, 556 Abs. 3

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand bis zum 31.12.2009 ein Mietverhältnis über Gewerberäume. Nach dem Mietvertrag hatte der Mieter Betriebskostenvorauszahlungen zu leisten; der Vermieter war verpflichtet, hierüber innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung des Wirtschaftsjahres abzurechnen. Der Vermieter hat über die Betriebskosten der Jahre 2002 bis 2007 erst nach Aufforderung durch den Mieter im August 2009 abgerechnet. Die Abrechnungen wiesen jeweils ein erhebliches Guthaben zugunsten des Mieters aus. Der BGH hatte zu entscheiden, ob dem Mieter ein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB) wegen der verspäteten Auszahlung der Betriebskostenguthaben zusteht.

1. Fälligkeit

"Eine Geldschuld ist ... während des Verzugs zu verzinsen" (§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, weil der Anspruch auf die Auszahlung des Guthabens (die "Geldschuld") erst mit der Abrechnung entsteht.

2. Rückzahlung der BK-Vorauszahlungen

Ein Anspruch auf Rückzahlung der Betriebskostenvorauszahlungen im Falle der unterlassenen Abrechnung stellt zwar ebenfalls eine Geldschuld dar. Ein Anspruch hierauf steht dem Mieter aber erst nach Beendigung des Mietverhältnisses zu. Zudem verliert der Mieter diesen Anspruch, wenn ihm während der Mietzeit wegen der unterlassenen Abrechnung ein Zurückbehaltungsrecht an den Vorauszahlungen zustand, er hiervon aber keinen Gebrauch gemacht hat (BGH, Urteil v. 26.9.2012, VIII ZR 315/11, NJW 2012 S. 3508).

3. Ausreichendes Zurückbehaltungsrecht

In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur wird die analoge Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB für den Fall einer verspäteten Abrechnung und einer damit im Zusammenhang stehenden verspäteten Auszahlung eines Guthabens teilweise bejaht (AG Berlin-Mitte, Urteil v. 27.4.2005, 26 C 5001/03, GE 2005 S. 805; Weitemeyer, in Staudinger, § 556 Rdn. 135), teilweise verneint (Beuermann, GE 2010, S. 1306, 1307; Kinne, GE 2005, S. 768).

Der BGH vertritt die ablehnende Ansicht. Er begründet dies mit dem speziellen Schutzzweck des § 288 Abs. 1 BGB (abstrakte Entschädigung für entgangene Kapitalnutzung; Druck auf den Schuldner zur Erzwingung einer pünktlichen Zahlung), der auf die Betriebskostenabrechnung nicht zu übertragen sei. Insbesondere falle ins Gewicht, dass dem Mieter mit dem Zurückbehaltungsrecht an den Vorauszahlungen ein ausreichendes Druckmittel zur Verfügung stehe, um den Vermieter zur pünktlichen Leistung anzuhalten.

4. Konkrete Schadensberechnung

Dem Mieter verbleibt die Möglichkeit einer konkreten Schadensberechnung nach den §§ 280 Abs. 2, 286, 249 BGB.

Praxis-Beispiel

Überziehungskredit oder Sparanlage

Eine solche Schadensberechnung kommt in Betracht, wenn der Mieter einen Überziehungskredit in Anspruch genommen hat oder wenn er nachweisen kann, dass er das Guthaben gewinnbringend hätte anlegen können (§ 252 BGB).

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 5.12.2012, XII ZR 44/11, NJW 2013 S. 859

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