Leitsatz

Eine Beschlussanfechtungsklage gegen "die WEG" ist in Auslegung der Parteibezeichnung auf Beklagtenseite zulässig

 

Normenkette

§§ 22, 43 ff. WEG

 

Kommentar

  1. In der Sache ging es in der Beschlussanfechtungsklage um einen Mehrheitsbeschluss auf Genehmigung des Verbleibens eines Windabweisers am Balkon einer Wohnung. Die Klage des beschlussanfechtenden Eigentümers unter Hinweis auf eine das Gesamtbild der Anlage beeinträchtigende bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG wurde gegen die "WEG... -straße, vertreten durch den Verwalter ..." gerichtet und zugestellt. Das Amtsgericht entsprach dem Antrag, das Landgericht wies den Antrag allerdings zurück. Der Senat hob die landgerichtliche Entscheidung auf und verwies die Sache zurück.
  2. Eine Parteibezeichnung als Prozesshandlung ist grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Maßgeblich ist dabei, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfängerseite (Gericht und Gegenseite) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der vom Kläger in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich derjenige als Partei anzusehen, der erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, NJW-RR 2008, 582/583 m.w.N.).

    Im entschiedenen Fall hielt es das Oberlandesgericht Karlsruhe für naheliegend, dass mit der Sammelbezeichnung "WEG..." nicht die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft selbst, sondern ihre einzelnen Mitglieder – mit Ausnahme des Klägers selbst – gemeint sind. In derartigen Fällen, in denen angesichts der gesamten Umstände, insbesondere des mit der Verfahrenseinleitung verfolgten Begehrens, keine vernünftigen Zweifel am wirklich Gewollten bestehen, darf ein Antrag nicht an der fehlenden Bezeichnung der in Wahrheit gemeinten Gegenseite scheitern, selbst wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die einer tatsächlich existierenden – juristischen oder natürlichen – Person gewählt wird. Gemeint waren im vorliegenden Fall als Gegner die übrigen Wohnungseigentümer (vgl. auch Staudinger/Wenzel, Vorb. §§ 43 ff. WEG Rn. 22). Auch das Amtsgericht hat im vorliegenden Fall die restlichen Eigentümer als Gegner angesehen und sie als solche behandelt.

Anmerkung

Diese Auffassung in richterlicher Auslegung einer Antrags- bzw. Klageschrift kann als sehr "klägerfreundlich" bezeichnet werden. Diverse Amtsgerichte aus jüngster Zeit vertreten eine weit strengere Ansicht!

 

Link zur Entscheidung

OLG Karlsruhe v. 30.6.2008, 14 Wx 24/07 = NZM 2008, 651

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge