Leitsatz

Zulässige Beschlussanfechtungsklage "gegen die WEG" in gebotener großzügiger Auslegung des Parteibegriffs

 

Normenkette

§§ 43, 44, 46 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

  1. Mit Anwaltsschriftsatz wurde "Klage nach § 43 WEG in der Wohnungseigentumssache N. N." gegen "Wohnungseigentümergemeinschaft N. N., vertr. durch den Wohnungseigentumsverwalter … wegen Beschlussanfechtung" eingereicht. Nach übereinstimmender Erledigterklärung vor dem AG erging dort Kostenbeschluss gem. § 91a ZPO zulasten der Kläger, weil diese den falschen Beklagten verklagt hätten. Diesem Ergebnis folgte das Beschwerdegericht nicht.
  2. Die Klageschrift war vorliegend dahingehend auszulegen, dass sich die Beschlussanfechtungsklage nicht gegen die Gemeinschaft als Verband (abgekürzt als "WEG"), sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer richtete. Bezug genommen wird insoweit auf die allgemeine Rechtsprechung des BGH zur Auslegungsfähigkeit von Parteibezeichnungen (NJW-RR 2008, 582 und bereits NJW 1983, 2448). Entscheidend ist, wie die Bezeichnung der Parteien bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei scheinbar unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grds. diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Bei der entsprechenden Auslegung sind dabei nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt einer Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen.

    Ein Austausch der Beklagtenpartei zu einem späteren Zeitpunkt ist wegen der Klagefrist des § 46 Abs. 1 WEG (Monatsfrist) nur innerhalb eines sehr engen Zeitfensters möglich und daher nur in den seltensten Fällen praktisch durchführbar, insbesondere wenn Klageschriften am letzten Tag der Anfechtungsfrist eingehen und erst nach Ablauf dieser Frist ein richterlicher Hinweis erteilt wird. Schon wegen dieser – gegenüber dem allgemeinen Zivilprozessrecht – verschärften Präklusion ist grds. eine großzügige, extensive Auslegung vorzunehmen.

    Im vorliegenden Fall wurde auch das Verfahren ausdrücklich als "Beschlussanfechtungsverfahren" in der Klage überschrieben, die kraft Gesetzes nur gegen die übrigen Sondereigentümer gerichtet sein kann; eine Anfechtungsklage gegen die Gemeinschaft als Verband wäre immer unbegründet. Die Einreichung einer von vornherein zwingend als unbegründet abzuweisenden Klage kann vom Kläger nicht gewollt sein. Bei einer Kurzbezeichnung "WEG" ohne Zusatz "als Verband" ist deshalb nur von einer verkürzten Bezeichnung der restlichen Sondereigentümer auszugehen.

    Als weiteres Indiz für diese Auslegung spricht auch, dass in der Klageschrift die übrigen Wohnungseigentümer als "Mitglieder vorgenannter Wohnungseigentümergemeinschaft" sämtlich zu bereits frühem Zeitpunkt aufgelistet wurden (gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG). Eine namentliche Bezeichnung wäre bei einer Klage gegen den Verband völlig überflüssig, sodass sich die Klage auch gesetzeskonform auslegungsweise gegen die "übrigen Wohnungseigentümer" richtete (vgl. Niedenführ, NJW 2008, 1768, 1772).

    Gegen eine restriktive Auslegung der Klageschrift spricht i. Ü. auch, dass für Wohnungseigentumssachen zuständige Amtsgerichte selbst in Beschlussanfechtungsverfahren immer wieder "die WEG" auf Beklagtenseite im Rubrum führen. Auch dies zeigt, dass es sich bei dieser Kurzbezeichnung im Allgemeinen nur um eine ungenaue Bezeichnung der Beklagten handelt, bei der aber alle Beteiligten zweifelsfrei wissen, wer gemeint ist.

  3. Eine Rechtsbeschwerde war vorliegend nicht zuzulassen, nachdem es vorliegend Anhaltspunkte in der Klageschrift gab, welche die Auslegung der Parteibezeichnung zuließen; die Rechtslage ist diesbezüglich auch durch die Rechtsprechung des BGH geklärt.
Anmerkung

An sich sollte es sich nunmehr im Anschluss an die Gesetzesreform mit Wirkung ab Mitte 2007 auch bei Anwälten, die nicht als Fachanwälte für Wohnungseigentum und Mietrecht firmieren, herumgesprochen haben, dass Beschlussanfechtungsklagen im Wohnungseigentumsrecht nach ausdrücklicher Gesetzesneuregelung in § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG "gegen die übrigen Wohnungseigentümer" als Beklagten in notwendiger Streitgenossenschaft auf Passivseite solcher Klagen zu richten sind. Werden hier zurzeit dennoch Falschbezeichnungen verwendet, scheint sich nunmehr – sicher zum Vorteil der Anwaltschaft – die Meinung zu verfestigen, dass über großzügige extensive Auslegungsgrundsätze seitens der Gerichte meist eine "Fehler-Heilung" – wie auch im vorliegenden Fall – stattfindet (vgl. auch jüngst OLG Karlsruhe, in ETW, Gruppe 2 veröffentlicht). Auch von den anwaltlichen Haftpflichtversicherungen dürfte dieses neue Entscheidungsergebnis des Erstbeschwerdeg...

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