Leitsatz

  1. Die Klagefrist einer Beschlussanfechtung kann auch durch Klage zunächst "gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den betreffenden Verwalter", gewahrt werden
  2. Die namentliche Bezeichnung der richtigerweise zu verklagenden übrigen Mitglieder der Gemeinschaft muss dann allerdings bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden
  3. Die Aufstockung eines kleinen Hinterhauses stellt eine nachteilige bauliche Veränderung dar
  4. Zustimmungserfordernisse nach Grundsätzen baulicher Veränderungen innerhalb einer Gemeinschaft sind auch bei Unterschreitung des öffentlich-rechtlichen Bauwichs (Grenzabstand) durch einen Nachbarn der Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend anwendbar
 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1 und 46 Abs. 1 Satz 2 WEG

 

Kommentar

  1. Zur Wahrung der Beschlussanfechtungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG kommt es nicht entscheidend auf die Bezeichnung als Klageschrift oder die rechtstechnisch zutreffende Formulierung des Antrags, sondern darauf an, dass mit dem Antrag das Rechtsschutzziel zum Ausdruck gebracht wird, eine verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten Beschlusses herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil v. 2.10.2009, V ZR 235/08; Jennißen/Suilmann, WEG, § 46 Rn. 88). Damit ist es auch unschädlich, dass im vorliegenden Fall die Klägerseite zunächst die Gemeinschaft als Verband, diese vertreten durch die Verwaltung, bezeichnet hat. Auf Hinweis des Amtsgerichts hat sie dann vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung die Namen und ladungsfähigen Anschriften der übrigen Eigentümer benannt. Die in dieser Verfahrensfrage bisher hinsichtlich Rubrum und etwaigem Parteiwechsel unterschiedlich vertretenen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung überzeugen den Senat nicht.

    Vielmehr ist bei Übergang von einer Klage gegen den Verband zu einer Klage gegen die übrigen Eigentümer von einem Parteiwechsel auszugehen. Insoweit sind auch Auslegungsgrundsätze zu den Parteibezeichnungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil v. 27.11.2007, NJW-RR 2008 S. 582, 583). Vorliegend wurde allerdings zunächst allein die Gemeinschaft als Verband verklagt, weshalb auch eine Rubrumsberichtigung ausscheidet. Ein in solchen Fällen sachlich gebotener Parteiwechsel muss allerdings nicht bereits im Zeitraum der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erfolgen, sondern kann vielmehr unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 WEGnachgeholt werden. § 253 Abs. 2 ZPO gebietet es zwar, dass mit der Klageschrift u. a. die Parteien ordnungsgemäß bezeichnet werden; dies gilt jedoch uneingeschränkt nur für die anfechtende Klägerseite, nicht jedoch für die zu verklagenden übrigen Wohnungseigentümer; die Bezeichnung von Verbandsmitgliedern kann auch noch im Verlauf des Verfahrens nachgeholt werden (vgl. insoweit bereits zu Verbandsklagen BGH, Urteil v. 12.5.1977, NJW 1977 S. 1686). Dies muss auch für die Beschlussanfechtungsklage nicht als Verbands-, sondern als Individualprozess gelten. Eine Kurzbezeichnung muss genügen, die auch erkennen lässt, dass es sich bei den Beklagten um die übrigen Wohnungseigentümer handelt (vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf vom 26.3.2007, BT-Drucks 16/887 S. 35 f.). Allerdings hat der Gesetzgeber davon abgesehen, zur Bezeichnung der beklagten übrigen Eigentümer eine solche Kurzbezeichnung vorzuschreiben. § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG ist auch hier anzuwenden. Es kommt auf die genaue Angabe des angefochtenen Beschlusses und darauf an, dass durch die Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks oder in anderer Form hinreichend bestimmt erkennbar wird, welche Mitglieder welcher Gemeinschaft den angefochtenen Beschluss gefasst haben und wer der Verwalter ist. Die Bezeichnung der beklagten Eigentümer im Einzelnen ist dagegen nicht erforderlich, wenn sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt wird. Kann eine Klagefrist auch gewahrt werden, ohne dass überhaupt ein Beklagter genannt wird, muss diese bei dem gewählten Regelungsansatz auch durch rechtzeitige Einreichung einer den inhaltlichen Anforderungen genügenden Klage gegen den Verband gewahrt werden können, wenn in der Frist des § 44 Abs. 1 WEG – wie hier – ein Parteiwechsel auf die übrigen Mitglieder des Verbands erfolgt. Eine andere Behandlung wäre angesichts des Verzichts des Gesetzgebers auf Präzision bei der Bezeichnung des Beklagten in der Klagefrist sachlich nicht zu rechtfertigen. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zum gesetzlichen Zweck der Klagefrist, wonach die übrigen Eigentümer möglichst rasch Klarheit darüber erlangen sollen, welcher Beschluss aus welchen Gründen angefochten werden soll (vgl. auch BGH, Urteil v. 27.3.2009, V ZR 196/08). Auch eine solche Klage wird dem Verwalter zugestellt, der im Anfechtungsprozess grundsätzlich Zustellungsvertreter der (restlichen) Wohnungseigentümer ist (vgl. BGH, Beschluss v. 14.5.2009, NJW 2009 S. 2135, 2136). Der Verwalter muss dann die übrigen Eigentümer entsprechend unterrichten. Die Gestaltung des Rubrums hat für die Eigentümer in diesem Stadium also keine beson...

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