Leitsatz (amtlich)

1. Die sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2, § 567 ZPO ist der statthafte Rechtsbehelf der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Partei gegen eine Entscheidung des Familiengerichts, dem Gegner nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO Einsicht in die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die entsprechenden Belege zu gewähren.

2. Die Entscheidung über die Gewährung von Einsicht nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Gegner ist kein Justizverwaltungsakt i.S.d. §§ 23 ff. EGGVG, sondern ein Akt der Rechtsprechung (Anschluss an BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2020, IX ZA 16/20, juris Rn. 4).

 

Verfahrensgang

AG Dachau (Aktenzeichen 3 F 602/23 e)

OLG München (Aktenzeichen 2 WF 961/23 e)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 5. Oktober 2023, Az. 3 F 602/23 wird aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine dem weiteren Beteiligten bewilligte Akteneinsicht in Unterlagen der Verfahrenskostenhilfe.

Im beim Amtsgericht Dachau geführten Ausgangsverfahren stellte der weitere Beteiligte als dortiger Antragsteller, vertreten durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter, im Wege der Stufenklage gegen die Antragstellerin als dortige Antragsgegnerin einen Antrag auf Auskunft über deren Einkommen sowie auf Vorlage von Belegen (Anträge I und II), auf Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides Statt (Antrag Ziffer III) und in der letzten Stufe auf Bezahlung eines noch näher zu beziffernden Kindesunterhalts (Antrag Ziffer IV). Die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens erklärte mit Schriftsatz vom 18. September 2023, sich gegen den Antrag verteidigen zu wollen, und beantragte, ihr Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Dem Antrag legte sie eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen bei. Auf Nachfrage des Amtsgerichts ergänzte sie ihre Angaben mit Schriftsatz vom 20. September 2023 durch Vorlage eines weiteren Belegs.

Mit Schriftsatz vom 26. September 2023 beantragte der weitere Beteiligte (Antragsteller im Ausgangsverfahren), ihm die im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe eingereichten Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der hiesigen Antragstellerin zur Einsicht und Stellungnahme zu übermitteln. Zur Begründung brachte er unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (NJW Spezial 2011, 262) vor, er habe gegen die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens einen Auskunftsanspruch aus § 1605 BGB. Daher stehe ihm ein Anspruch auf Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen aus § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu. Die Antragstellerin trat dem Gesuch vom 26. September 2023 entgegen und erklärte, einer Einsichtnahme in die eingereichten Unterlagen nicht zuzustimmen. Ein Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB bestehe nicht. Die Prüfung der Unterlagen erfolge ausschließlich und allein durch das Gericht.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2023 hat das Amtsgericht durch den im Ausgangsverfahren mit der Sache befassten Richter dem weiteren Beteiligten Einsicht in das Verfahrenskostenhilfeheft der hiesigen Antragstellerin gewährt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch sei noch nicht getroffen worden. Somit reiche dem Grunde nach ein bestehender Auskunftsanspruch - wie vorliegend nach § 1605 BGB - aus, um das Akteneinsichtsgesuch in das Sonderheft zur Verfahrenskostenhilfe als begründet anzusehen. Nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO könne das Gericht die Erklärung und die Belege aus dem Verfahrenskostenhilfeverfahren dem Gegner in der Regel nur mit Zustimmung des Betroffenen zugänglich machen. Eine Ausnahme gelte dann, wenn gegen den Verfahrenskostenhilfeberechtigten ein Anspruch auf Auskunft über dessen Einkünfte und Vermögen gegeben sei. Es komme allein darauf an, ob dem Antragsteller im Verfahren über das Akteneinsichtsgesuch ein derartiger Auskunfts- und Unterhaltsanspruch zustehe, der verhindere, dass Datenschutzinteressen des Betroffenen bei Einsicht in die gesonderte Verfahrenskostenhilfeakte verletzt würden. Nach der dem Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung findet gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt.

Mit an das Amtsgericht gerichtetem Schriftsatz vom 10. Oktober 2023 hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Der Beschluss vom 5. Oktober 2023 sei in der aktuell vorliegenden Form aufzuheben. Die Bewilligung der Einsichtnahme in das Verfahrenskostenhilfeheft widerspreche eindeutig datenschutzrechtlichen "Gründen". Der Datenschutz könne nicht allein durch den "Begründungssachverhalt des Erstgerichts" aufgehoben werden. Einsicht könne nicht bewilligt werden, wenn eine Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe noch nicht vorliege. Andernfalls hinge eine Umgehung des Datenschutzes allein von der Schnell...

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