Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsicht in Verfahrensakten während einer laufenden Verfahrenskostenhilfe

 

Normenkette

BGB § 1361 Abs. 4 S. 4, § 1605; EGGVG § 23; FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 117 Abs. 2 S. 2, § 229 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Straubing (Beschluss vom 16.04.2019; Aktenzeichen 002 F 381/18)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Straubing vom 16. April 2019, Az. 002 F 381/18 wird aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im Ausgangsverfahren, in dem die hiesige weitere Beteiligte Antrag auf Ehescheidung gestellt hatte, wurde dem dortigen Antragsgegner und hiesigen Antragsteller mit Beschluss vom 23. November 2018 Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Im Termin vom 11. April 2019 äußerte sich die weitere Beteiligte bezüglich der Folgesache nachehelicher Unterhalt dahingehend, dass sie sich vor Erteilung einer vollständigen Auskunft zu einem Vergleichsangebot nicht äußern könne. Der Vertreter des Antragstellers erkannte darauf den Auskunftsanspruch an. Am Ende der Sitzung hat die Vertreterin der weiteren Beteiligten Einsicht in die Verfahrenskostenhilfeakte beantragt. Der Vertreter des Antragstellers hat mitgeteilt, dass er diesen Antrag zurückgewiesen sehen möchte.

Mit Beschluss vom 16. April 2019 hat das Amtsgericht durch den im Ausgangsverfahren mit der Sache befassten Richter der weiteren Beteiligten Akteneinsicht in das Verfahrenskostenhilfeheft für den Antragsteller gewährt und zur Begründung ausgeführt, die Beteiligten seien Eheleute; im vorliegenden Scheidungsverbund sei u. a. die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig; dort habe die weitere Beteiligte vom Antragsteller Auskunft verlangt. Im Rahmen ihres Auskunftsverlangens begehre sie auch Einsicht in das für den Antragsteller angelegte Verfahrenskostenhilfeheft. Dieser sei dem Akteneinsichtsgesuch entgegengetreten. Die Akteneinsicht sei zu gewähren gewesen. Der Datenschutz des § 76 Abs. 1 FamFG, § 117 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO sei für den Fall aufgehoben, dass derjenige, der die Einsicht in die Verfahrenskostenhilfeunterlagen verlange, einen Auskunftsanspruch nach bürgerlichem Recht habe. Der weiteren Beteiligten stehe ein Auskunftsanspruch gemäß § 1361 Abs. 4 Satz 4, § 1605 BGB zu. Auf dieser Grundlage könne sie Einsicht in das Verfahrenskostenhilfeheft verlangen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. November 2017, 2 WF 311/17). Nach der dem Beschluss vom 16. April 2019 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:findet gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 24. April 2019 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 29. April 2019, der am gleichen Tag per Fax bei dem Amtsgericht Straubing eingegangen ist, hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht Straubing hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 21. Mai 2019 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Nürnberg vorgelegt.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Verfügung vom 14. Juni 2019 darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Straubing vom 16. April 2019 nicht statthaft sei. Statthaft sei vielmehr ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015, XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827). Das Oberlandesgericht hat angefragt, ob die "sofortige Beschwerde" als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG ausgelegt werden solle. Bejahendenfalls sei der Antrag zu begründen.

Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2019 hat der Antragsteller zur Begründung vorgetragen, eine Akteneinsicht in das VKH-Beiheft sei obsolet, da die Auskunft erteilt worden sei. Nach Auskunftserteilung per E-Mail nach Schluss der mündlichen Verhandlung sei ein bezifferter Vorschlag zum Trennungsunterhaltsanspruch der weiteren Beteiligten eingegangen. Eine Auskunft, mithin eine Akteneinsicht in sein VKH-Beiheft, habe sich erledigt. Da der Auskunftsanspruch anerkannt worden sei, hätte bereits im amtsgerichtlichen Verfahren keine Akteneinsicht in sein VKH-Beiheft bewilligt werden können.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Straubing aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 29. April 2019 als unzulässig zu verwerfen und die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 EGGVG nicht erfüllt seien. Von dem Antragsteller sei nicht substanziiert dargelegt worden, dass er durch die Gewährung der Akteneinsicht in seinen Rechten verletzt worden sei. In der Stellungnahme der Direktorin des Amtsgerichts Straubing wird ausgeführt, der Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 13. Februar 2015, 4 VA 2462/14 folgend, habe das Prozessgericht über den Antrag auf Akteneinsicht entschieden.

Die weitere Beteiligte hatte Gelegenheit zur Stellungn...

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