Leitsatz (amtlich)

1. Eine deklaratorische Feststellung, daß „eine Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet” sei, ist unzulässig.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Betreuer für alle Angelegenheiten bestellt werden kann.

 

Normenkette

BGB § 1896; FGG § 19

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Beschluss vom 26.06.1996; Aktenzeichen 33 T 716/96)

AG Amberg (Beschluss vom 09.05.1996; Aktenzeichen 2 XVII 906/92)

 

Tenor

Der Beschluß des Landgerichts Amberg vom 26. Juni 1996 und der Beschluß des Amtsgerichts Amberg vom 9. Mai 1996 werden insoweit aufgehoben, als mit ihnen festgestellt wurde, „damit ist Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet”.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 6.6.1977 ordnete das Amtsgericht für den Betroffenen eine Gebrechlichkeitspflegschaft mit dem Wirkungskreis Vertretung in Vermögensangelegenheiten und Recht der Ortsbestimmung an. Zur Pflegerin (seit 1.1.1992 Betreuerin) bestellte es die Mutter des Betroffenen. Am 9.5.1996 verlängerte das Amtsgericht die Betreuung, erweiterte sie um den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und fügte im Tenor der Entscheidung hinzu: „Damit ist Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet”. Die gegen die Erweiterung des Aufgabenkreises und den genannten Zusatz gerichtete Beschwerde der Betreuerin wies das Landgericht mit Beschluß vom 26.6.1996 zurück. Mit der für ihren Sohn eingelegten weiteren Beschwerde wendet sich die Betreuerin lediglich noch gegen den Zusatz.

 

Entscheidungsgründe

II.

A. Die weitere Beschwerde ist zulässig.

1. Sie richtet sich gegen die Entscheidung des Landgerichts insoweit, als diese den Zusatz bestätigt hat. „damit” sei Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet. Diese Beschränkung ist zulässig. Die Beschränkung eines Rechtsmittels ist zulässig, wenn der Verfahrensgegenstand teilbar ist oder in der angefochtenen Entscheidung über mehrere selbständige Verfahrensgegenstände entschieden wurde (BayObLGZ 1995, 220 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

2. Die Betreuerin ist befugt, die weitere Beschwerde im Namen des Betreuten einzulegen, weil die angefochtene Entscheidung ihren Aufgabenkreis betrifft (§ 69g Abs. 2 FGG).

B. Das Rechtsmittel führt zur Beseitigung des Zusatzes.

1. Die Entscheidung des Landgerichts hält insoweit der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG; § 550 ZPO) aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht stand.

a) Das Landgericht hat die vom Amtsgericht getroffene ersichtlich rein deklaratorische Feststellung, damit sei Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet, zu Unrecht bestätigt. Diese Feststellung kann nicht aufrecht erhalten bleiben. Sie ist unzulässig. Zwar sind feststellende Verfügungen des Vormundschaftsgerichts nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BayObLGZ 1976, 198/202; 1988, 76/77; OLG Hamburg FamRZ 1987, 974). Unzulässig ist eine solche Feststellung aber dann, wenn das Gesetz eine konstitutive Regelung verlangt, eine solche getroffen ist und die Feststellung lediglich dem Zweck dienen soll, die bereits getroffene Entscheidung verbindlich zu interpretieren. So liegt der Fall hier. Nach § 1896 BGB ist dem Betroffenen ein Betreuer für einzelne konkrete Aufgabenkreise oder – wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen – für alle Angelegenheiten zu bestellen. Gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 2 FGG hat die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers dessen Aufgabenkreis zu bezeichnen. Ist das – wie hier – geschehen, bleibt für eine zusätzliche deklaratorische Feststellung über den Umfang des Aufgabenkreises kein Raum.

b) Im übrigen wäre die Regelung des § 67 FGG zu beachten gewesen. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist zwingend, wenn Gegenstand des Verfahrens die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers auf alle Angelegenheiten ist (§ 67 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FGG; BayObLG BtPrax 1994, 28; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 451). Dies gilt gemäß § 69g Abs. 5 Satz 1 FGG auch für das Beschwerdeverfahren (BayObLG FamRZ 1993, 1110).

c) Diese Mängel des Beschwerdeverfahrens führen zur Beseitigung des Zusatzes in den Beschlüssen der Vorinstanzen.

2. Das Verfahren gibt Anlaß zu folgendem Hinweis:

Die Bestellung eines Betreuers „zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen” ist vom Gesetz anerkannt (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 691 Abs. 1 Satz 1 FGG; § 13 Nr. 2 BwG), soll aber die Ausnahme bleiben (vgl. BT-Drucks 11/4528 S. 121, 123/124; Bauer in HK-BUR § 1896 BGB Rn. 238; Erman/Holzhauer BGB 9. Aufl. Rn. 52, MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. Rn. 54, je zu § 1896; Jürgens BtR § 1896 BGB Rn. 21; Knittel BtG § 67 FGG Rn. 11; § 1896 BGB Rn. 31).

Maßgebend sind zunächst die allgemeinen Grundsätze:

Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt voraus, daß der Betroffene aufgrund einer Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLGZ 1994, 209, 1995, 146/148, je m.w.N.; Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1896 Rn. 7; Staudinger/Bienwald BGB 12. Aufl. § 1896 Rn. 27), d.h. nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflußt von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten z...

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