Entscheidungsstichwort (Thema)

Anbringung einer Photovoltaikanlage. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

Eine 0,8 m² große Photovoltaikanlage auf dem Flachdach einer Garage kann eine die übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigende bauliche Veränderung darstellen.

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1, § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 930/01)

AG Erding (Aktenzeichen UR II 1/01)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 29. August 2001 aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts Erding vom 28. Februar 2001 dahin abgeändert, daß die Nr. 1 und Nr. 3 dieses Beschlusses entfallen.

II. Die Antragsgegner tragen als Gesamtschuldner die Gerichtskosten aller Rechtszüge. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Den Antragstellern gehört eine Wohnung und eine Garage. Sie errichteten auf dem Flachdach ihrer Garage eine etwa 0,8 m² große Photovoltaikanlage mit einem Neigungswinkel von etwa 15 Grad.

In der Eigentümerversammlung vom 7.12.1999 wurde ihr Antrag, „Zustimmung zur Errichtung und Betreibung der Solaranlage” auf dem Flachdach ihrer Garage abgelehnt.

Die Antragsteller sind der Meinung, einer solchen Zustimmung bedürfe es nicht. Sie haben beantragt, den Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären und festzustellen, daß die Photovoltaikanlage keiner Zustimmung der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer bedarf. Das Amtsgericht hat am 28.2.2001 dem Antrag auf Ungültigerklärung unter Nr. 1 und dem Feststellungsantrag unter Nr. 2 stattgegeben und den Antragsgegnern unter Nr. 3 die gesamten Kosten auferlegt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 29.8.2001 die Anträge abgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 7.12.1999 sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil sich der Eigentümerbeschluß in der Ablehnung des Antrags erschöpfe und keine Regelung enthalte. Der Feststellungsantrag sei unbegründet. Bei der Anlage handle es sich um eine bauliche Veränderung, mit der eine Beeinträchtigung verbunden sei. Ob eine Beeinträchtigung vorliege, sei nicht nur nach ästhetischen, sondern auch nach bauphysikalischen Grundsätzen zu beurteilen. Die Kammer neige dazu, eine ästhetische Beeinträchtigung für unmaßgeblich zu erachten. Entscheidend sei jedoch, daß nicht völlig unerhebliche Eingriffe am Dach der Garage und der Außenmauer vorgenommen worden seien. Dies müßten die Wohnungseigentümer nicht hinnehmen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Im Vordergrund steht beim Begehren der Antragsteller der Feststellungsantrag. Der Antrag auf Ungültigerklärung hat daneben keine selbständige Bedeutung. Wenn die Antragsteller nämlich keiner Zustimmung bedürfen, dann kommt dem Eigentümerbeschluß, durch den ihr Antrag auf Zustimmung abgelehnt wurde, keine rechtliche Bedeutung zu.

b) Der Feststellungsantrag der Antragsteller hat Erfolg.

Bei der Photovoltaikanlage handelt es sich ohne Zweifel um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG, die über eine ordnungsmäßige Instandsetzung oder Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Durch die Errichtung der Anlage waren Eingriffe in das Dach und die Außenwand der Garage erforderlich, die gemäß § 5 Abs. 2 WEG im gemeinschaftlichen Eigentum stehen (vgl. BayObLG ZMR 2000, 471).

Die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer zu der Maßnahme ist insoweit nicht erforderlich, als durch die Veränderung deren Rechte nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Unter einer Beeinträchtigung im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung zu verstehen, die auch in einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage liegen kann (allg.M.; ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. BayObLG aaO).

(1) Ob eine optische Beeinträchtigung vorliegt, hat in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden (BayObLG aaO; OLG Zweibrücken ZMR 1999, 855).

Das Amtsgericht hat eine optische (ästhetische) nachteilige Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch die bauliche Veränderung verneint. Das Landgericht kommt, auch bei Berücksichtigung einer möglichen Blendwirkung durch die Photovoltaikanlage zum selben Ergebnis, ohne die Frage ausdrücklich entschieden zu haben. Ob eine optische Beeinträchtigung vorliegt, kann anhand der zahlreichen bei den Akten befindlichen Lichtbilder abschließend beurteilt werden; die Einnahme eines Augenscheins ist dazu nicht zwingend erforderlich (vgl. BayObLG NZM 1998, 980 f.; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1401). Die Lichtbilder vermitteln einen Eindruck v...

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