Leitsatz (amtlich)

Der Vorschlag des Betreuten, seine Tochter zur Betreuerin zu bestellen, kann übergangen werden, wenn die konkrete Gefahr erheblicher Interessenkollisionen besteht.

 

Normenkette

BGB § 1897 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 30.01.1996; Aktenzeichen 13 T 17892/95)

AG München (Aktenzeichen 704 XVII 2029/95)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 30. Januar 1996 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 11.8.1995 bestellte das Amtsgericht der Betroffenen Rechtsanwalt M. zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Fürsorge für die Heilbehandlung, Vermögens sorge, Organisation der ambulanten Versorgung, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Hiergegen legte die Betroffene Beschwerde ein. Mit Beschluß vom 30.1.1996 hob das Landgericht den Beschluß des Amtsgerichts bezüglich der Bestellung des Betreuers für den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung auf (Ziff. I), änderte den Beschluß des Amtsgerichts insoweit ab, als es für die Aufgabenkreise Fürsorge für die Heilbehandlung und Organisation der ambulanten Versorgung die Tochter E.K. der Betroffenen zur Betreuerin bestellte (Ziff. II) und wies die Beschwerde im übrigen zurück (Ziff. III). Dagegen legte die Betroffene weitere Beschwerde ein, mit der sie in erster Linie die Aufhebung der Betreuung beantragt und sich ferner dagegen wendet, daß ihre Tochter nicht zur alleinigen Betreuerin bestellt wurde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers lägen vor. Die Betroffene leide an einer psychischen Erkrankung mit erheblichen Einbußen der Merkfähigkeit (amnestisches Syndrom). Die Betroffene sei nicht mehr zur freien Willensbildung in der Lage.

Ein Betreuungsbedürfnis bestehe für die vom Amtsgericht angeordneten Aufgabenkreise mit Ausnahme der Aufenthaltsbestimmung.

Die Auswahl des Betreuers habe nach § 1897 Abs. 1 und Abs. 4 BGB zu erfolgen.

Dem Wunsch der Betroffenen, allenfalls ihre Tochter E.K. zum Betreuer zu bestellen, könne hinsichtlich der Aufgabenkreise Vermögens sorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern nicht entsprochen werden. Wegen der konkreten Gefahr eines Interessenwiderstreits würde dies dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Die Bestellung eines Betreuers im angeordneten Umfang ist nicht zu beanstanden.

(1) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt voraus, daß der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLGZ 1995, 146/148 m.w.N.; Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1896 Rn. 7; Staudinger/Bienwald BGB 12. Aufl. § 1896 Rn. 27), d.h. nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflußt von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919).

Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1085). Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435; Palandt/Diederichsen § 1896 Rn. 23).

(2) Die Entscheidung des Landgerichts wird diesen Anforderungen gerecht.

Seine Feststellungen tragen die Bestellung eines Betreuers in dem angeordneten Umfang. Sie sind Verfahrens fehlerfrei zustandegekommen und für den Senat deshalb bindend (BayObLG FamRZ 1989, 1215/1216; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 27 FGG Rn. 23).

Die Beweiswürdigung der Kammer begegnet keinen Bedenken.

Das Landgericht hat sich bei seinen Feststellungen bezüglich der Voraussetzungen der Bestellung eines Betreuers auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Ehgartner vom 7.6.1995 gestützt. Dessen Qualifikation als Facharzt für Psychiatrie steht außer Zweifel (vgl. BGH NJW 1970, 1981; BayObLGZ 1993, 63/65).

b) Auch die Bestellung des Rechtsanwalts M. anstelle der Tochter begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

(1) Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, begründet unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen (BayObLG FamRZ 1994, 530; Knittel BtG § 1897 BGB Rn. 18; Palandt/Diederichsen § 1897 Rn. 17) einen Vorrang dieser Person vor allen anderen in Betracht kommenden Personen. Ihm ist vom Gericht grundsätzlich zu entsprechen (BayObLGZ 1996 Nr. 34).

Diese Bindung entfällt, wenn die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). D...

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