Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob sich bei der Anfechtung einer wechselbezüglichen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments durch Dritte nach der Regelung des § 2271 Abs. 1 BGB Einschränkungen ergeben, wenn der Erblasser den Anfechtungsgrund kannte, aber seine Verfügung nicht formgerecht widerrufen hat.

2. Zu den Anforderungen an den Nachweis eines Anfechtungsgrundes bei behauptetem Motivirrtum (künftiger harmonischer Verlauf einer Ehe).

 

Normenkette

BGB § 2078 Abs. 2, §§ 2267, 2270, 2271 Abs. 1, § 2285

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 12.09.2002; Aktenzeichen 16 T 7232/01)

AG München (Aktenzeichen 66 VI 3481/98)

 

Tenor

Der Antrag der Beteiligten zu 3) und 4) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der von ihnen eingelegten weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I v. 12.9.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Erblasser war von Beruf Kunstmaler. Er ist 1998 im Alter von 90 Jahren verstorben. Seit 1945 war er mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Aus der Ehe ist als einziges Kind der Beteiligte zu 2) hervorgegangen.

Am 1.11.1963 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1) ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den Beteiligten zu 2) zum Alleinerben des zuletzt versterbenden Ehegatten einsetzten. In den Jahren 1982 bis 1997 errichtete der Erblasser mehrere eigenhändige Testamente, in denen er überwiegend verschiedene karitative Einrichtungen begünstigte. Zuletzt setzte der Erblasser mit drei auf den 10.1.1998 datierten eigenhändigen Testamenten zwei mit ihm nicht verwandte Personen aus seinem persönlichen Umfeld, die Beteiligten zu 3) und 4), zu seinen Erben ein.

Mit Schriftsatz vom 8.4.1998 erklärten die Beteiligten zu 3) und 4) ggü. dem Nachlassgericht die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 1.11.1963. Die Anfechtung wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments im Jahre 1963 davon ausgegangen sei, seine Ehe mit der Beteiligten zu 1) werde sich harmonisch entwickeln und die gemeinsam Testierenden würden sich gegeneinander wohlverhalten. Diese Erwartung des Erblassers habe sich nicht erfüllt.

Die Beteiligten zu 3) und 4) beantragten die Erteilung eines Erbscheins, demzufolge der Erblasser von ihnen je zur Hälfte beerbt worden ist. Dieser Erbschein wurde vom Nachlassgericht am 10.6.1999 antragsgemäß erteilt.

Den Erbschein vom 10.6.1999 hat das Nachlassgericht auf Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) mit Beschluss vom 30.7.1999 als unrichtig eingezogen. Hiergegen haben die Beteiligten zu 3) und 4) Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Erteilung eines dem eingezogenen Erbschein entsprechenden neuen Erbscheins. Auf diese Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) hat das LG mit Beschluss vom 18.10.1999 das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Sachaufklärung an das Nachlassgericht zurückverwiesen. Dieses hat nach Zeugeneinvernahme und Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 12.3.2001 die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 3) und 4) zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) wies das LG nach weiterer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 12.9.2002 zurück. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 3) und 4) mit ihrer weiteren Beschwerde vom 1.4.2003. Zugleich haben sie beantragt, vorab für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, da die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 14 FGG i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 S. 1, 127 Abs. 1 S. 2 ZPO).

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt, die Erbfolge richte sich nach dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 1.11.1963. Dieses sei formgültig gem. §§ 2247, 2267 BGB errichtet. Soweit sich die Ehegatten darin jeweils zu Alleinerben eingesetzt haben, handele es sich um wechselseitige Verfügungen gem. § 2270 Abs. 2 BGB. Die von dem Erblasser in dem Testament vom 1.11.1963 verfügte Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Alleinerbin sei im Hinblick auf § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB durch die nachfolgenden privatschriftlichen Testamente des Erblassers nicht widerrufen worden. Ein wirksamer Widerruf in der Form der §§ 2271 Abs. 1 S. 1, 2296 Abs. 2 BGB sei nicht erfolgt.

Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) im Testament vom 1.11.1963 sei nicht infolge Anfechtung durch die Beteiligten zu 3) und 4) weggefallen. Diese seien zwar i.S.v. § 2080 BGB anfechtungsberechtigt und hätten die Anfechtung form- und fristgerecht erklärt. Der behauptete Anfechtungsgrund habe jedoch nicht zur Überzeugung des Beschwerdegerichts festgestellt werden können. Es sei nicht erwiesen, dass der Erblasser bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments davon ausgegangen sei, die Ehe werde harmonisch verlaufen und die eheliche Lebensgemeinschaft werde bis an sein Lebensende aufrechterhalten werden. Aus dem Wortlaut und Inhalt des Testaments ließen sich keine Anhaltspunkte für die der...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge