Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Wie-Beschäftigung. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Handlungstendenz. Nachbarschaftshilfe. Fachkenntnisse. Malerarbeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Unfallversicherungsschutzes wie ein Beschäftigter bei umfassender Nachbarschaftshilfe, hier tödlicher Unfall bei Malerarbeiten.

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.03.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der tödliche Unfall des Ehemanns der Klägerin vom 19.07.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist und dementsprechend Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) zu erbringen sind.

Der 1937 geborene Ehemann der Klägerin ist am 19.07.2005 bei Malerarbeiten tödlich verunglückt. Zu dem genannten Zeitpunkt ist er zusammen mit seiner Gattin Eigentümer der Doppelhaushälfte P.-Straße 22 in A-Stadt gewesen (Familienwohnsitz). Im Sommer 2005 sind am Doppelhaus (P.-Straße 20/22) Dachsanierungsarbeiten durchgeführt worden. Das Haus ist mit einem Blitzgerüst eingerüstet gewesen. Dieses ist laut den Feststellungen der Kriminalpolizei vom 12.09.2005 sowie den Feststellungen des Gewerbeaufsichtsamtes vom 20.07.2005 nicht ausreichend mit einer Wandverankerung an der Fassade des Hauses befestigt gewesen.

Am Unfalltag hat der Kläger eine Holzstaffelei mit auf das Gerüst genommen und diese an die Nordseite der Fassade gelehnt (P.-Straße 20, im Eigentum des Nachbarn J. S.). Durch die entstandene Hebelwirkung ist das Gerüst von der Fassade weggedrückt worden und komplett umgestürzt. Hierbei hat der Ehegatte der Klägerin bei einer Sturzhöhe von etwa 4 bis 5 m tödliche Verletzungen erlitten. Der Verstorbene ist an der Nordseite des Anwesens P.-Straße 20 aufgefunden worden. Nach der Zeugenvernehmung des Dachdeckers B. S. durch die Kriminalinspektion A-Stadt sollte das Gerüst von der Südseite auf die Nordseite umgebaut werden. Die Mitarbeiter der Firma haben nicht gewusst, dass der verstorbene Ehegatte der Klägerin das bereits halb auf der Nordseite aufgebaute Gerüst benutzen wollte. Die Kriminalinspektion A-Stadt hat ermittelt (Einvernahme der Zeugin R. K.), dass der verstorbene Ehegatte der Klägerin am 19.07.2005 gegen Mittag begonnen hat, die Nordseite des Giebels des Doppelhauses zu streichen.

Herr S. hat am 21.07.2005 gegenüber der Polizeiinspektion A-Stadt erklärt, der verunglückte Ehemann der Klägerin sei wohl im März 2005 zu ihm gekommen und habe ihm ein Angebot einer Dachdeckerfirma vorgelegt. Er habe die gesamte Auftragsabwicklung durchgeführt. Ihm (Herrn S.) sei egal gewesen, ob das Haus nun auch gestrichen werde oder nicht. Letztlich habe er sich wegen der Malerarbeiten nicht mehr gemeldet. Er habe nicht gewusst, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin am Dienstag die Fassade streiche. Er hätte ihn auch nicht für die Arbeit bezahlen müssen. Diese wäre im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ausgeführt worden.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2006 ist die Anerkennung des Unfalles vom 19.07.2005 als Arbeitsunfall abgelehnt worden, da der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht wie ein Beschäftigter tätig geworden sei. Er habe auch eigene Interessen verfolgt, da ihm daran gelegen sei, dass beide Häuser gleich aussehen sollten. Er habe diese Tätigkeit auch selbständig ausgeübt. Es habe daher eine freundschaftliche Gefälligkeitsleistung vorgelegen.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Widerspruch vom 23.03.2006 hervorgehoben, die Handlungsmotive seien unerheblich. Entscheidend sei vielmehr die Handlungstendenz. Diese sei hier fremdbezogen, da die Tätigkeit nicht nur nützlich, sondern auch werterhöhend für das Gebäude des J. S. gewesen sei. Die Tätigkeit habe auch dem wirklichen bzw. mutmaßlichen Willen des Nachbarn entsprochen.

Der Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2006 zurückgewiesen. Erforderlich sei, dass der Handelnde auch subjektiv ein Geschäft eines Anderen besorge, also fremdbezogen tätig sein wollte. Es sei dem verstorbenen Ehegatten der Klägerin jedoch im Wesentlichen daran gelegen, dass beide Häuser gleich aussehen sollten. Im Übrigen habe eine unternehmerähnliche Tätigkeit vorgelegen.

Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München die Unfall-Akten der Beklagten beigezogen und in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2010 sowohl den Nachbarn J. S. als auch den gemeinsamen Sohn der Klägerin und ihres verstorbenen Ehegatten D. A. als Zeugen einvernommen.

Zusammenfassend hat der Zeuge J. S. ausgeführt, er habe gehofft, dass dieser nicht nur den Giebel auf der Nordseite, sondern auch seine Garage und den Teil unterhalb der Balkone streichen werde. Sein Nachbar habe nicht so sehr wegen seines eigenen Interesses an einem schönen Haus gehandelt, sondern er...

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