Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Wie-Beschäftigter. Sonderbeziehung: Arbeitskollege/Freundschaft. Gefälligkeit. Hilfeleistung. besonderes Fachwissen. besondere Gefährlichkeit der Tätigkeit. Baumfällarbeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Versicherungsschutz von "Wie-Beschäftigten" innerhalb einer Sonderbeziehung.

2. Eine Hilfeleistung ist im Rahmen einer Sonderbeziehung immer wesentlich durch die zu Grunde liegende persönliche Beziehung und mithin eigenwirtschaftlich geprägt.

3. Der zeitliche Umfang einer Hilfeleistung spielt nur eine untergeordnete Rolle.

4. Die Art, der Umfang und die zeitliche Dauer einer Hilfeleistung sind daher insgesamt untaugliche Kriterien für die Bestimmung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs 2 S 1 SGB 7.

5. Die "objektive besondere Gefährlichkeit" einer Tätigkeit ist bei der Wertung, ob Versicherungsschutz zu gewähren ist, ein wesentliches Zurechnungselement und mithin Versicherungsschutz begründend.

6. Für die Begründung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs 2 S 1 SGB 7 ist dann weiter zu unterscheiden, ob der Verunfallte über ein konkretes (subjektives) Sonderwissen und entsprechende Fähigkeiten verfügt, die dadurch die Gefährlichkeit neutralisieren. Eine objektiv gefährliche Tätigkeit stellt für einen Fachmann ein beherrschbares Risiko dar und minimiert die Gefährlichkeit, auch aus Sicht eines objektiven Betrachters.

7. Die bloße (objektive) besondere Gefährlichkeit einer Tätigkeit reicht daher nicht zur Begründung des Versicherungsschutzes innerhalb einer Sonderbeziehung aus.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG: L 3 U 52/12

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Arbeitsunfalles.

Der 1960 geborene Ehemann der Klägerin half am 23. März 2010 dem Zeugen M. beim Fällen eines Baumes auf dessen Grundstück. Hierbei kam es zu einem Unfall, bei dem der Ehemann der Klägerin schwer verletzt wurde. Er verstarb aufgrund der Unfallfolgen am 27. März 2010.

Mit Schriftsatz vom 26. April 2010 teilte die Klägerin das Unfallereignis ihres verstorbenen Ehemannes der Beklagten mit und begehrte (Hinterbliebenen-)Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Bescheid vom 24. August 2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles unter anderem mit der Begründung ab, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 2 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gestanden. Der Verstorbene habe am Unfalltag keine Tätigkeit verrichtet, die nach den Gesamtumständen einem Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei, wie von der Rechtsprechung zur Anerkennung als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gefordert werde. Es habe sich um einen Hilfsdienst gehandelt, der unter Freunden typisch, üblich und deshalb zu erwarten gewesen sei. Anhaltspunkte hierfür seien, dass der Verstorbene und Herr M. sich in der Vergangenheit schon gegenseitig geholfen und regelmäßig Besuche zwischen beiden Familien stattgefunden hätten. Zudem habe der Ehemann die für die Baumfällarbeiten notwendigen Werkzeuge und Materialien zur Verfügung gestellt. All dies spreche gegen eine Tätigkeit in einem üblichen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis. Vielmehr habe es sich beim Tätigwerden des Ehemannes am Unfalltage um eine reine Gefälligkeitshandlung bzw. um einen Hilfsdienst unter Freunden gehandelt, so dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe.

Mit Schriftsatz vom 3. September 2010 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte umfassend aus, warum der verstorbene Ehemann zum Unfallzeitpunkt nach ihrer Auffassung unter Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII gestanden habe. Insbesondere wies sie darauf hin, dass es sich nicht um eine Gefälligkeitsleistung gehandelt habe, die unter Freunden typisch, üblich und deshalb zu erwarten gewesen wäre. Es habe ein Baum von ca. 8 m Höhe gefällt werden sollen, welches eine äußerst gefährliche Tätigkeit sei, die nur mit Wissen und Fertigkeiten eines Fachmannes ausgeführt werden könne. Es sei ebenfalls nicht ungewöhnlich, dass auch Arbeitnehmer eigene Werkzeuge zur Verrichtung der Tätigkeit mitbrächten und einsetzen würden. Daher habe die Tätigkeit insgesamt unter Versicherungsschutz gestanden.

In einem Fragebogen der Beklagten gab der Zeuge M. unter anderem an, es hätten am Unfalltag zwei Bäume im hinteren Bereich des Gartens gefällt werden sollen. Der Unfall habe sich nach ca. 1 Stunde ereignet, wobei die Tätigkeit für ca. 2-3 Stunden geplant gewesen sei. Die Beklagte zog die Unfallunterlagen der Staatsanwaltschaft Hamburg (Az.: 7202 UJs 1061/10) bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Ausgangsbescheid zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, der verstorbene Ehemann der Klägerin sei nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Einzelfalles nicht arbeitnehmerähnlich...

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