Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Zuordnung zum Insolvenzgeldzeitraum. tarifliche Jahressonderzahlung. Fälligkeit. Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes durch Betriebsvereinbarung

 

Orientierungssatz

Eine aufgrund tariflicher Regelung allen an einem Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern grundsätzlich ungekürzt zustehende Jahressonderzahlung ist nicht einzelnen Monaten zuzuordnen. Sie ist bei der Berechnung des Insolvenzgeldes nicht zu berücksichtigen, wenn der für die Jahressonderzahlung aufgrund Tarifvertrages maßgebliche Auszahlungstag nicht in die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses fällt (Anschluss an BSG vom 2.11.2000 - B 11 AL 87/99 R = SozR 3-4100 § 141b Nr 21). Hieran ändert eine nach dem Auszahlungsstichtag und somit nach Entstehung des Anspruchs auf die Jahressonderzahlung abgeschlossene Betriebsvereinbarung nichts, die ohne Veränderung des Rechtsgrundes nur den Auszahlungszeitpunkt verschiebt (Stundung).

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höheres Insolvenzgeld (Insg), insbesondere um Einbeziehung einer Jahressonderzahlung für das vergangene Jahr 2002 in Höhe von 879,06 Euro in das Bemessungsentgelt.

Der 1967 geborene Kläger war bei der Maschinen- und Anlagenbau GmbH (im Folgenden: Firma R.) bis zur betriebsbedingten Kündigung zum 30.06.2004 als Werkzeugmacher beschäftigt. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen am 01.09.2003 hatte der Kläger mit 82 weiteren Mitarbeitern der Firma R. am 07.07.2003 vorläufiges Insg beantragt, das zunächst von der Sparkasse Bad T. mit Zustimmung der Beklagten vorfinanziert worden ist.

Mit Bescheid vom 15.01.2004 zahlte die Beklagte auf den am 27.10.2003 vom Kläger gestellten endgültigen Antrag Insg in Höhe 5.121,84 Euro für den Zeitraum 01.06.2003 bis 31.08.2003 an die Sparkasse, unter anderem auch Urlaubsgeld für Juli und August, nicht aber für Sonderzahlungen aus dem Vorjahr.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.02.2004 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2004 zurückwies.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zur Begründung angeführt, schon im Mai 2003 einen Nettolohn von 1.627,43 Euro erhalten zu haben, in dem 439,53 Euro Weihnachtsgeld aus 2002 enthalten gewesen seien. Laut Betriebsvereinbarung vom 27.03.2003 sei entgegen der Betriebsvereinbarung vom 16.12.2002 (Auszahlung der Sonderzahlung für das Jahr 2002 mit der Lohnabrechnung im März 2003) die Ausbezahlung und Fälligkeit zu je einem Drittel für die Monate Mai, Juni und Juli 2003 festgelegt worden. Daher stehe ihm der Anteil an der Sonderzahlung für die Monate Juni und Juli 2003 auch als Insg zu. Dem anzuwendenden Tarifvertrag sei nicht zu entnehmen, dass der Zeitpunkt (d.h. der Auszahlungsrund und damit Stichtag) im Kalenderjahr liegen müsse. Es sei im Gegenteil meist üblich, dass dieser Zeitpunkt außerhalb des Bezugskalenderjahres liege. Die Annahme, dass mit der vorliegenden Betriebsvereinbarung lediglich der Fälligkeitszeitpunkt, nicht aber der Stichtag in das Jahr 2003 verlegt worden sei, gehe fehl. Sie berücksichtige nicht Sinn und Zweck sowie Wortlaut der Betriebsvereinbarung.

Durch Urteil vom 23. Juni 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Jahressonderzahlung sei zwar ein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Dieser lasse sich jedoch nicht den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten des Arbeitsverhältnisses zuordnen. Echte Jahressonderzahlungen, wie hier, würden in der Regel für geleistete Arbeit und zur Belohnung für die Betriebstreue erbracht. Sie ließen sich nicht einzelnen Monaten zurechnen und seien in voller Höhe beim Insg zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis hätten ausgezahlt werden müssen, anderenfalls aber überhaupt nicht. Nach den Regelungen des Tarifvertrages vom 01.11.1997 lasse sich die Jahressonderzahlung nicht anteilig den einzelnen Monaten des Jahres zuordnen. Danach stehe der Anspruch bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis und ununterbrochener sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit am Auszahlungstag (Ziff. 1 des Tarifvertrages) uneingeschränkt zu. Der Kläger habe daher im Kalenderjahr 2002 einen unter Beachtung der Bestimmungen des Tarifvertrages begründeten Anspruch auf Auszahlung der Sonderzahlung zum 01.12.2002 (Auszahlungszeitpunkt nach Ziffer 5 des Tarifvertrages). Die Bestimmungen des Tarifvertrages, welche Arbeitnehmern in den Fällen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses für begrenzte Zeit sowie bei Ausscheiden aus bestimmten Gründen eine anteilige Leistung zubilligten, seien als Ausnahmeregelungen zu verstehen. Die Betriebsvereinbarungen vom 16.12.2002 und 27.03.2003 würden lediglich den Fälligkeitszeitpunkt im Sinne einer der Arbeitgeber...

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