Leitsatz

  1. Auch kein Anspruch auf erstmalige plangemäße Herstellung bei vereinbarungsgemäß abbedungenen Vorschriften über bauliche Veränderungen (in "Zweihaus" -Gemeinschaft)
  2. Für die Errichtung eines Anbaus auf einer Sondernutzungsfläche gelten die nachbarrechtlichen Vorschriften des privaten und des öffentlichen Rechts
  3. Zum Geschäftswert des Verfahrens auf Beseitigung einer an der Grenze zur Sondernutzungsfläche errichteten Doppelgarage
 

Normenkette

(§§ 3, 7 Abs. 4, 21 Abs. 4, 22 Abs. 1, 48 Abs. 3 WEG; § 1004 BGB; Art. 7 Abs. 4 Bayerische Bauordnung)

 

Kommentar

1. Als Inhalt des Sondereigentums in einer Gemeinschaft mit vorgesehenen zwei Häusern als Wohnungseigentum und Grundstückssondernutzungsrechten war u.a. vereinbart, dass die Miteigentümer den Gegenstand ihres Sondereigentums in beliebiger Weise ändern und ihrer Nutzung zustehende Gebäudeteile auch in beliebiger Weise ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse durch Um-, An-, Aus- und Neubauten umgestalten dürften. Bei der Verwaltung, Nutzung, Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums seien die Eigentümer keinerlei Beschränkungen oder Zustimmungsvorbehalten der übrigen Eigentümer unterworfen; nicht überbaute Flächen im Umgriff der Gebäude seien den jeweiligen Eigentümern zum ausschließlichen Gebrauch zugewiesen.

Im Streit stand der Garagenanbau im Bereich einer Sondernutzungsgrenze durch einen der beiden Miteigentümer.

2. Sind bei einer erst noch zu errichtenden Wohnanlage die wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften über bauliche Veränderungen – wie hier – wirksam abbedungen, so entfällt regelmäßig auch ein Anspruch auf Herstellung eines dem Aufteilungs-, Lage- und Bauplan entsprechenden Zustands. Nach Wortlaut und Sinn der hier getroffenen Erklärung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt, gilt die Regelung nicht nur für bauliche Veränderungen, sondern auch für die erstmalige Errichtung von Gebäuden in Abweichung zum Aufteilungsplan; es wäre nämlich weder konsequent noch folgerichtig, ausschließlich zur Nutzung zugewiesene Gebäudeteile ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse durch Um-, An-, Aus- und Neubauten umgestalten zu können, andererseits aber erst aufteilungsgemäß und nach Bauplan entsprechend errichten zu müssen.

3. Errichtet in diesem Fall ein Wohnungseigentümer abweichend vom Lageplan auf der ihm zugewiesenen Sondernutzungsfläche ein Garagengebäude, so sind für die Begründetheit eines Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts maßgebend (analoge Anwendung, vgl. BayObLG, ZMR 2000, 234; 2001, 362 und 472). Auch Verstöße gegen Bestimmungen der Bayer. Bauordnung wurden vorliegend vom LG verneint.

4. Der Geschäftswert des WE-Verfahrens bestimmt sich gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung; es kommt wegen der Rechtskraftwirkung der angestrebten Entscheidung ( § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) auf das Interesse aller Beteiligten, also nicht nur der Antragsteller an. Bei einem Beseitigungsverlangen bemisst sich der Geschäftswert regelmäßig nach der Beeinträchtigung durch den gegenwärtigen Zustand, aber auch nach dem Abwehrinteresse des Gegners. Anhaltspunkte können einerseits Baukosten, andererseits Beseitigungskosten sein, wobei sich jedoch jede schematische Betrachtungsweise verbietet (vgl. auch Müller, Rn. 675). Vorliegend waren auch etwaige Beeinträchtigungen für Lichteinfall, Sichtverhältnisse, Geräuschemissionen und Nutzungsmöglichkeiten auf der benachbarten Sondernutzungsfläche mit zu berücksichtigen. Als interessengerecht wurde für den verneinten Beseitigungsanspruch ein Geschäftswert von 20.000 EUR angesehen; gleichzeitig wurde die außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren ausgesprochen.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 21.02.2002, 2Z BR 145/01)

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