Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des Betriebsrats an Schlechtwettertagen

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Baugewerbe hat ein Betriebsratsmitglied auch dann nur Anspruch auf Schlechtwettergeld, wenn er während der Zeit des Arbeitsausfalls wegen Schlechtwetters Betriebsratstätigkeit verrichtet (Fortführung der Urteile des BAG vom 18. September 1973 - 1 AZR 102/73 - BAGE 25, 305 = AP Nr 3 zu § 37 BetrVG 1972, und vom 23. April 1974 - 1 AZR 139/73 AP Nr 11 zu § 37 BetrVG 1972).

 

Normenkette

BGB § 611; BetrVG § 37 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 11.04.1984; Aktenzeichen 6 Sa 114/83)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.09.1983; Aktenzeichen 13 Ca 484/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für Zeiten, an denen er während Schlechtwettertagen den freigestellten Vorsitzenden des Betriebsrats vertreten, bzw. eigene Betriebsratstätigkeit ausgeübt hat, Anspruch auf die volle Vergütung oder nur auf das Schlechtwettergeld hat.

Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1973 als Zimmererkolonnenführer bei der Beklagten beschäftigt. Sein durchschnittlicher Akkordverdienst betrug 26,-- DM brutto je Stunde. Er ist Stellvertreter des Vorsitzenden des bei der Beklagten gebildeten neunköpfigen Betriebsrats.

Im Februar 1983 vertrat der Kläger an insgesamt 30 Stunden den damals erkrankten, freigestellten Betriebsratsvorsitzenden; an weiteren 13 Stunden übte er eigene Betriebsratstätigkeit aus. Da während dieser Zeiten Schlechtwetter herrschte und die übrigen Mitglieder seiner Kolonne nur Schlechtwettergeld erhielten, vergütete die Beklagte diese Stunden lediglich mit dem darauf entfallenden Schlechtwettergeld.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeiten der Betriebsratstätigkeit Anspruch auf seinen Durchschnittsakkordlohn ohne Rücksicht darauf, was er erhalten hätte, wenn er während dieser Zeiten gearbeitet hätte. Er habe der Beklagten als Betriebsrat während dieser Zeiten uneingeschränkt zur Verfügung gestanden und deshalb Anspruch nicht nur auf Schlechtwettergeld, sondern auf den Durchschnittsakkordlohn.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

580,50 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen

aus dem sich ergebenden Nettobetrag

seit dem 31. Mai 1983 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe nach dem Lohnausfallprinzip nur Anspruch auf die Vergütung, die er erhalten hätte, wenn er in der betreffenden Zeit gearbeitet hätte. Deshalb habe er nur Anspruch auf Schlechtwettergeld.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat während der Schlechtwettertage keinen Anspruch auf seinen durchschnittlichen Akkordlohn.

1. Der Kläger hat den von ihm behaupteten Anspruch aus § 611 BGB, § 37 Abs. 2 BetrVG zu Recht mit einer Klage im Urteilsverfahren geltend gemacht (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 23. April 1974 - 1 AZR 139/73 - AP Nr. 11 zu § 37 BetrVG 1972, zu 1 der Gründe, m. w. N.).

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe für die Zeiten der Betriebsratstätigkeit während der Schlechtwettertage mit Rücksicht auf das Lohnausfallprinzip nur Anspruch auf Entgelt in Höhe des Schlechtwettergeldes. Die Revision beruft sich demgegenüber darauf, daß hier zwei unterschiedliche Gründe der Arbeitsbefreiung in der Person des Klägers während der streitbefangenen Stunden zusammentreffen. Zum einen die unbestritten erforderliche Betriebsratstätigkeit und die sich daraus nach § 37 Abs. 2 BetrVG ergebenden Ansprüche auf Arbeitsbefreiung und Vergütung, zum anderen die aufgrund der Witterungsverhältnisse unmögliche bzw. unzumutbare Arbeitsleistung. Es komme deshalb nicht darauf an, daß der Kläger an seinem Arbeitsplatz wegen Schlechtwetters überhaupt nicht hätte arbeiten können.

3. Dieser Auffassung der Revision kann nicht gefolgt werden; sie steht nicht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 25, 305 = AP Nr. 3 zu § 37 BetrVG 1972 = EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 12; BAG Urteil vom 23. April 1974 - 1 AZR 139/73 - AP Nr. 11 zu § 37 BetrVG 1972 = EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 22), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht.

a) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats unter bestimmten Voraussetzungen ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien. Das bedeutet aber lediglich, daß die Betriebsratsmitglieder so zu stellen sind, wie wenn sie an der Arbeitsstelle verblieben und gearbeitet hätten, jedoch nicht, daß ihre Betriebsratstätigkeit unmittelbar wie Arbeit zu vergüten ist (BAG 25, 305, 307, aaO; BAG Urteil vom 23. April 1974, aaO). Nach dem insoweit geltenden Lohnausfallprinzip ist für die Vergütung von Betriebsratstätigkeit immer nur danach zu fragen, was das Betriebsratsmitglied verdient haben würde, wenn es keine Betriebsratstätigkeit ausgeübt hätte (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 37 Rz 29 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rz 40 ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 27; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 35). Die Anwendung des Lohnausfallprinzips rechtfertigt sich auch schon daraus, daß die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt ausüben. Die Vergütung der Betriebsratstätigkeit wie reguläre Arbeit, also losgelöst von dem Verdienst, den das Betriebsratsmitglied gehabt hätte, wenn es gearbeitet hätte, würde daher diesem Charakter des Betriebsratsamtes als Ehrenamt widersprechen. Daraus ergibt sich, daß in den Fällen, in denen die Arbeit während der Betriebsratstätigkeit ausfällt, ohne daß dies von dem Arbeitgeber nach den Grundsätzen der sogenannten Betriebsrisikolehre zu vertreten ist, kein Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 611 BGB besteht; ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 37 Abs. 2 BetrVG (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, Rz 30 a. E.; Dietz/Richardi, aaO, Rz 27 a. E.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, Rz 43).

b) Aus diesen dargelegten Grundsätzen des Lohnausfallprinzips folgt, daß der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm eingeklagte Arbeitsvergütung hat, obwohl er während dieser Zeit Betriebsratstätigkeit ausgeübt hat. Während der streitbefangenen Tage ist die Arbeit wegen schlechter Witterung ausgefallen, und der Kläger hat - wie seine übrigen Arbeitskollegen auch - hierfür Schlechtwettergeld erhalten. Ein weitergehender Anspruch auf die "volle" Vergütung in Höhe seines durchschnittlichen Akkordlohnes besteht nicht.

c) Soweit sich die Revision darauf beruft, der Kläger habe in der fraglichen Zeit Arbeit für den Betrieb der Beklagten geleistet und müsse deshalb dementsprechend entlohnt werden, trifft dies nicht zu. Der Kläger hat in der fraglichen Zeit keine "Arbeit" für den Betrieb der Beklagten geleistet, sondern Betriebsratstätigkeiten verrichtet. Eine "Vergütung" dieser Tätigkeit wie reguläre Arbeit sieht § 37 Abs. 2 BetrVG nicht vor und würde - wie ausgeführt - auch dem ehrenamtlichen Charakter der Betriebsratstätigkeit widersprechen. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn das Betriebsratsmitglied unmittelbar Betriebsratsarbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG geleistet hätte und nicht nur eine Schulungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG besuchte, in den oben zitierten Entscheidungen (AP Nr. 3 und 11 zu § 37 BetrVG) offengelassen. Die Fälle der Arbeitsverhinderung eines Betriebsratsmitglieds wegen Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG können jedoch nicht anders behandelt werden als die Fälle nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Wie das Landesarbeitsgericht bereits zutreffend hervorgehoben hat, verweist § 37 Abs. 6 BetrVG hinsichtlich der Entlohnung wegen Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen ausgefallener Arbeitszeiten ausdrücklich auf § 37 Abs. 2 BetrVG und begründet nicht etwa einen eigenständigen Tatbestand. Für beide Fallgestaltungen kann daher nur einheitlich entschieden werden.

4. Entgegen der Auffassung der Revision stellt die Zahlung lediglich von Schlechtwettergeld an den Kläger auch keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG dar; im Gegenteil, die Zahlung des vollen Arbeitsverdienstes an den Kläger während der Schlechtwetterzeiten würde vielmehr eine nach dieser Vorschrift ebenso verbotene Begünstigung des Klägers darstellen. Da der Kläger nicht selbst freigestelltes Betriebsratsmitglied war, ist er bei Aufnahme der Betriebsratstätigkeit nicht aus seiner Arbeitskolonne ausgeschieden, weder während der Vertretungszeiten, noch während der Zeiträume mit eigener Betriebsratstätigkeit. Abgesehen davon hat auch das freigestellte Betriebsratsmitglied Anspruch nur auf das Arbeitsentgelt, das es erhalten hätte, wenn es nicht freigestellt worden wäre, sondern gearbeitet hätte; auch insoweit gilt das Lohnausfallprinzip (Dietz/Richardi, aaO, § 38 Rz 49; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 38 Rz 42; Galperin/Löwisch, aaO, § 38 Rz 38).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dr. Jobs Schneider

Möller-Lücking Dr. Steinhäuser

 

Fundstellen

Haufe-Index 440696

BB 1987, 2018

DB 1987, 1845-1845 (LT)

ARST 1987, 178-178 (LT)

NZA 1987, 528-529 (LT)

RdA 1987, 124

AP § 37 BetrVG 1972 (LT), Nr 55

AR-Blattei, Baugewerbe VIII Entsch 79 (LT)

AR-Blattei, ES 370.8 Nr 79 (LT)

EzA § 37 BetrVG 1972, Nr 86 (LT)

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