Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung der Anfangsvergütung für Berufsberater

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 17 des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter vom 16. Juni 1972 geht das Ausbildungsverhältnis in ein Angestelltenverhältnis über, falls es nicht durch berechtigte einseitige Erklärung oder Vereinbarung der Parteien beendet wird. Daraus folgt, daß für Ausbildungsverhältnisse, die vor Aufkündigung der Vergütungsordnung zum Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit begründet waren, bereits die aufgekündigte Vergütungsordnung verbindlich war.

2. Nach rechtswirksamer Kündigung der Vergütungsordnung zum Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) konnten die Parteien, wie aus § 4 Abs 5 TVG folgt, eine abweichende, auch dem Arbeitnehmerungünstige vertragliche Vereinbarung über die Vergütung treffen.

3a. Soweit die Bundesanstalt für Arbeit eine dem Arbeitnehmer nachteilige vertragliche Abrede dadurch herbeigeführt hat, daß sie gedroht hat, sonst gar keine vertragliche Regelung zu treffen und außerdem die Ausbildungskosten zurückzuverlangen, liegt eine zur Anfechtung berechtigende rechtswidrige Drohung im Sinne von § 123 BGB vor.

b. Ein unter den zuvor skizzierten Umständen geschlossener Vertrag, durch den eine Vergütung nach VergGr IVb statt IVa der Vergütungsordnung zum MTA vereinbart wurde, ist jedoch nicht nach § 138 BGB nichtig.

c. Ein Anspruch auf Schadenersatz aus Verschulden bei Vertragsabschluß scheidet unter den gegebenen Umständen aus, weil gegen die Bundesanstalt kein Schuldvorwurf erhoben werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 124, 138, 143, 242, 249, 116, 123; TVG § 4 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 26.03.1986; Aktenzeichen 1 Sa 784/85)

ArbG Kempten (Entscheidung vom 21.06.1985; Aktenzeichen 4 Ca 3392/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem der Gewerkschaft ÖTV angehörenden Kläger eine Vergütung gemäß VergGr. IV a der Anlage 1 der Vergütungsordnung zum MTA (Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit) zugesagt hat und hieran nach Aufkündigung der tariflichen Vergütungsordnung gebunden bleibt.

Die Beklagte hat den Kläger am 1. September 1981 eingestellt, um ihn als Fachberater in der Arbeitsvermittlung oder in der Berufsberatung auszubilden. Die Ausbildung erfolgte auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter vom 16. Juni 1972 in der jeweils gültigen Fassung; hierauf wird im Ausbildungsvertrag vom 31. Juli 1981 ausdrücklich Bezug genommen.

Der Kläger hat sich auf eine Anzeige der Beklagten beworben, in der es u. a. heißt:

"... bieten wir Ihnen ...

nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung die

Übernahme in das unbefristete Angestelltenverhältnis

und eine Bezahlung nach VergGr. IV a

MTA (entspricht dem Bundesangestelltentarifvertrag

- BAT); auch eine Übernahme in das Beamtenverhältnis

ist möglich..."

Nach erfolgreicher dreijähriger Ausbildung des Klägers hat die Beklagte ihm mit Schreiben vom 20. August 1984 die Übernahme in das Angestelltenverhältnis ab 1. September 1984 und eine Beschäftigung als Arbeitsberater beim Arbeitsamt Kempten nach VergGr. IV b MTA angeboten.

Das Angebot der Beklagten beschränkte sich auf die Eingruppierung in die VergGr. IV b MTA, weil sie die Vergütungsordnung (Anlage 1 zum MTA) zum 31. März 1984 aufgekündigt hatte. Die Beklagte hat sich damit dem Vorgehen der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und der Bundesrepublik Deutschland angeschlossen, die die Vergütungsordnung zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zum 31. Dezember 1983 aufgekündigt hatten. Das Kündigungsvorgehen beruht auf der durch Art. 30 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 geregelten Absenkung der Eingangsbesoldung im Beamtenrecht. Hierzu bezieht die Beklagte sich ergänzend auf ihren Runderlaß vom 24. Februar 1984.

Auf das Angebot der Beklagten vom 20. August 1984 haben die Parteien am 24. August 1984 einen Arbeitsvertrag nur mit VergGr. IV b MTA abgeschlossen und hierzu vereinbart:

"Bis zum Wiederinkrafttreten der Vergütungsordnung

(Anlage 1 zum MTA) bestimmt sich die

Vergütung nach der Vergütungsordnung in der

am 31. März 1984 geltenden Fassung mit den

Maßgaben des RdErl. 37/84 - 2201/2202/2210 in

seiner jeweils geltenden Fassung.

Der Angestellte ist nach Abschnitt I Nr. 3

- in Verbindung mit Nr. 4 oder 5 - des RdErl.

37/84 in der Vergütungsgruppe IV b MTA eingruppiert.

Soweit Leistungen nicht nach der

Grundvergütung bemessen sind, ist hierfür

die Vergütungsgruppe IV a MTA maßgebend."

Der Kläger ist der Auffassung, daß er dennoch Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a MTA habe. Hierauf habe die Beklagte nicht nur in Zeitungsanzeigen und Werbebroschüren hingewiesen, sondern sie habe ihm auch mündlich im Beratungsgespräch zugesagt, daß er nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung eine Vergütung nach VergGr. IV a MTA erhalten werde. Außerdem beanspruche er die Vergütungsgruppe IV a MTA aufgrund tariflicher Nachwirkung und unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit anderen Anwärtern aus den Vorjahren, die für die gleiche Tätigkeit Vergütung nach VergGr. IV a MTA erhielten. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages vom 24. August 1984 habe er sich in einer Zwangslage befunden: Die Beklagte habe ihn vor die Wahl gestellt, sich entweder mit der niedrigeren Vergütungsgruppe IV b MTA einverstanden zu erklären oder nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen zu werden mit der weiteren Folge, daß er dann die Ausbildungskosten hätte zurückzahlen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Kläger ab

1. September 1984 in das Angestelltenverhältnis

nach VergGr. IV a MTA zu übernehmen.

Hilfsweise,

festzustellen, daß zwischen den Parteien

ein Vertragsverhältnis mit Eingruppierung

nach VergGr. IV a MTA bestehe.

Weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, mit dem Kläger

einen Arbeitsvertrag gemäß dem bindenden

Vertrag mit einer Eingruppierung nach VergGr.

IV a MTA abzuschließen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu ausgeführt, sie habe dem Kläger niemals eine Vergütung nach VergGr. IV a MTA zugesagt. Die in den Zeitungsanzeigen und Werbebroschüren in Aussicht gestellte Vergütung sei unter dem Vorbehalt der jeweiligen Tariflage erfolgt und sei keine hiervon unabhängige Vergütungszusage im Einzelfall.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Der Kläger verlangt mit seinem ersten Hauptantrag, ihn in das Angestelltenverhältnis "nach VergGr. IV a MTA zu übernehmen". Da er schon in das Angestelltenverhältnis übernommen worden ist, kann dieser Antrag nur so verstanden werden, daß die Beklagte verurteilt werden soll, dem Kläger Vergütung nach VergGr. IV a MTA zu gewähren. Diese unbezifferte Leistungsklage enthält ein unzulässiges Leistungsbegehren und ist dahin auszulegen, daß der Kläger festgestellt haben will, daß er Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a MTA hat (BAG Urteil vom 21. Februar 1973 - 4 AZR 219/72 - AP Nr. 1 zu § 288 ZPO). Einen dementsprechenden Feststellungsantrag hat der Kläger mit seinem ersten Hilfsantrag gestellt. Aber dieser ist ebensowenig begründet wie der weitere Hilfsantrag, die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Arbeitsvertrag "gemäß dem bindenden Vertrag mit einer Eingruppierung nach VergGr. IV a MTA abzuschließen". Mit dem Wort "Vertrag" meint der Kläger den Ausbildungsvertrag vom 31. Juli 1981, der nach seiner Auffassung die Beklagte zur Gewährung einer Vergütung nach VergGr. IV a MTA nach erfolgreich beendeter Ausbildung verpflichtet.

II. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage abgewiesen, denn Haupt- und Hilfsanträge sind nicht begründet. Der Kläger hat zwar einen Anspruch auf Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 der Vergütungsordnung zum MTA gehabt, diesen aber durch eine hiervon abweichende Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 20. August 1984 wieder verloren.

1. Der Vergütungsanspruch des Klägers beruhte zunächst auf der tariflichen Vergütungsordnung in der bis zum 31. März 1984 maßgebenden Fassung, denn sie hat kraft tariflicher Nachwirkung für den Kläger auch nach Aufkündigung durch die Beklagte weitergegolten. Die Beklagte hat ihre Kündigung zwar rechtswirksam zum 31. März 1984 ausgesprochen und konnte sie auf die Vergütungsordnung beschränken, wie sich aus § 71 Abs. 2 MTA ergibt (BAG Beschlüsse vom 3. Dezember 1985 - 4 ABR 7/85 - und - 4 ABR 60/85 - AP Nr. 1 und 2 zu § 74 BAT). Die Vergütungsordnung wirkte aber zu Gunsten des Klägers in der bis zum 31. März 1984 geltenden Fassung nach (§ 4 Abs. 5 TVG).

2. Allerdings erstreckte sich die Nachwirkung nicht auf Arbeitsverhältnisse, die im Nachwirkungszeitraum neu begründet worden sind (BAG Urteil vom 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung, m. w. N.). Wer erst im Nachwirkungszeitraum eingestellt worden ist, nimmt an der Nachwirkung eines aufgekündigten Tarifvertrages nicht mehr teil. Hingegen wirkt der aufgekündigte Tarifvertrag für solche Arbeitnehmer, die sich noch vor der Aufkündigung in einem Ausbildungsverhältnis befunden haben, das sich kraft tariflicher Regelung erst im Nachwirkungszeitraum in ein Arbeitsverhältnis umwandelt (BAG Urteil vom 19. Januar 1962 - 1 AZR 147/61 - BAGE 12, 194 = AP Nr. 11 zu § 5 TVG, zu III der Gründe).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn nach § 17 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter geht das Ausbildungsverhältnis automatisch in ein Angestelltenverhältnis über, sofern nicht ein tariflich wirksamer Beendigungstatbestand vorliegt. Das ist hier unstreitig nicht der Fall. Das Ausbildungsverhältnis war hier sogar noch vor Aufkündigung der Vergütungsordnung schon wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet. Es gelten nämlich für den Beratungsanwärter dieselben Rahmenbedingungen wie später im Arbeitsverhältnis (vgl. hierzu BAG Urteil vom 20. Januar 1977 - 3 AZR 523/75 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ausbildungsverhältnis, zu II 1 der Gründe). Ein Beratungsanwärter erhält bereits bis zu 85 v. H. des Gehalts eines Berufsberaters der VergGr. IV a MTA, die die Beklagte dem Kläger jetzt versagt, dazu Verheirateten- und Ortszuschlag, Weihnachtszuwendungen, Beihilfen, Reise- und Umzugskostenvergütung sowie Trennungsgeld (§§ 8, 11, 12, 13). Bei Arbeitsunfähigkeit hat der Anwärter Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung (§ 9). Weiter hat er Anspruch auf Versicherung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (§ 14). Danach ist das Ausbildungsverhältnis einem Angestelltenverhältnis bei der Bundesanstalt vorgeschaltet. Bei dieser speziellen Ausformung charakterisiert sich das Ausbildungsverhältnis der Beratungsanwärter als eine besondere Art des Vorbereitungsdienstes für eine spätere Tätigkeit bei der Bundesanstalt und läßt eine so enge Verflechtung zwischen Ausbildungsverhältnis und beabsichtigtem Arbeitsverhältnis deutlich werden, daß das Ausbildungsverhältnis als bindender Vorvertrag für ein späteres Arbeitsverhältnis angesehen werden kann und damit den Regeln des Arbeitsrechts - mit Ausnahme des Berufsbildungsgesetzes - unterstellt werden muß (BAG Urteil vom 20. Januar 1977 - 3 AZR 523/75 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ausbildungsverhältnis, zu II 1 der Gründe). Hiernach ist der Kläger bei Übernahme ins Arbeitsverhältnis im Nachwirkungszeitraum nicht neu eingestellt worden mit der Folge, daß die Vergütungsordnung in der bis zum 31. März 1984 geltenden Fassung auch nach Aufkündigung der Vergütungsordnung durch die Beklagte zu seinen Gunsten aufgrund tariflicher Nachwirkung weitergegolten hat.

III. Der Kläger hat jedoch seinen Anspruch hierauf durch eine abweichende Regelung im Arbeitsvertrag vom 24. August 1984 wieder verloren. In § 4 dieses Arbeitsvertrages haben die Parteien nämlich ausdrücklich vereinbart, daß der Kläger nicht Vergütung nach VergGr. IV a, sondern nur nach VergGr. IV b MTA erhält.

1. Der Wortlaut ist eindeutig und läßt keine abweichende Auslegung zu. Zwar ist nach § 133 BGB bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen. Das bedeutet, daß nicht nur auf den Wortlaut abzustellen ist, sondern alle Begleitumstände zu würdigen sind, die für die Frage, welchen Willen der Beteiligte bei seiner Erklärung erkennbar gehabt hat, von Bedeutung sind (BAGE 22, 424, 426 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB). An für die Auslegung erheblichen Begleitumständen fehlt es. Der Kläger hat keine Vorbehalte gegen die Vereinbarung der Vergütung gemäß VergGr. IV b MTA erklärt. Weitere Anhaltspunkte für einen hiervon abweichend erklärten Willen des Klägers ergeben sich aus den Begleitumständen bei Vertragsabschluß nicht und werden auch nicht behauptet. Es genügt nicht, daß der Kläger die vereinbarte Vergütungsregelung nicht gewollt hat, ohne es zu erklären. Das ist unbeachtlich, weil es sich dann um einen geheimen Vorbehalt gehandelt hat (§ 116 BGB).

2. Die Parteien konnten die nur noch nachwirkenden Tarifnormen durch andere Abmachungen ersetzen, und zwar auch zum Nachteil des Klägers; denn gemäß § 4 Abs. 5 TVG sind nachwirkende Tarifnormen abdingbar (BAGE 29, 182, 186 f. = AP Nr. 4 zu § 4 BAT; BAGE 27, 22, 26 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung).

IV. Der Kläger hat allerdings geltend gemacht, daß er sich bei Abschluß des Arbeitsvertrages in einer Zwangslage befunden habe: Wenn er den Arbeitsvertrag mit der niedrigeren Vergütungsgruppe IV b MTA nicht unterschrieben hätte, dann wäre es nicht zu einem Arbeitsvertrag gekommen und er wäre arbeitslos geworden. Außerdem hätte er der Beklagten die Ausbildungskosten ersetzen müssen.

Zwar hat er damit schlüssig eine Drohung dargelegt: Er sollte nämlich zwischen zwei Übeln wählen. Entweder sollte er sich mit einer niedrigeren Vergütungsgruppe (IV b MTA) zufrieden geben oder er wäre nach Beendigung einer dreijährigen Ausbildung arbeitslos geworden und hätte die Ausbildungskosten zurückzahlen müssen.

1. Allerdings berechtigt nur eine "widerrechtliche" Drohung gemäß § 123 BGB zur Anfechtung der erzwungenen Vereinbarung. Eine Drohung kann unter verschiedenen Voraussetzungen widerrechtlich sein: Entweder ist die angedrohte Handlung selbst widerrechtlich (Widerrechtlichkeit des Mittels) oder es wird ein widerrechtlicher Erfolg angestrebt (Widerrechtlichkeit des Zweckes) oder das Verhältnis von Mittel und Zweck sind widerrechtlich (MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., § 123 Rz 35; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 56 bis 62; RGRK-Krüger-Nieland, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 42 bis 46). Ein widerrechtlicher Erfolg wird hiernach nur dann erstrebt, wenn der Drohende etwas begehrt, was ihm nicht zusteht (Staudinger/Dilcher, aaO, § 123 Rz 60). Das war hier der Fall, denn keine Partei des Arbeitsvertrages ist verpflichtet, eine die tarifliche Nachwirkung ablösende Abrede zu ihrem Nachteil zu treffen (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 196). Kommt es zu keiner Einigung, so kann jede Partei versuchen, durch Änderungskündigung zum Ziel zu kommen (Wiedemann/Stumpf, aaO).

2. Allerdings führt eine Anfechtungsberechtigung allein noch nicht dazu, die erzwungene Vergütungsvereinbarung rückgängig zu machen. Der Kläger hat den Arbeitsvertrag nämlich nicht angefochten. Die fehlende Anfechtungserklärung wird nicht schon durch die Klage ersetzt, ebensowenig wie durch den Antrag auf Klageabweisung (BGH Urteil vom 28. September 1954 - 1 ZR 180/52 - MdR 1955, 25). Die Anfechtung muß ausdrücklich vor oder im Rechtsstreit erklärt werden (RGRK-Krüger-Nieland/Zöller, BGB, 12. Aufl., § 143 Rz 9; Soergel/Hefermehl, BGB, 11. Aufl., § 143 Rz 5). Hierfür braucht der Anfechtungsberechtigte zwar nicht das Wort "anfechten" zu verwenden, aber er muß dann wenigstens in anderer Weise deutlich zum Ausdruck bringen, daß er das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigen will (BGH Urteil vom 28. September 1954 - 1 ZR 180/52 - MdR 1955, 25). Hieran fehlt es, denn der Kläger hat das auch nicht andeutungsweise zum Ausdruck gebracht.

3. Das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes führt ohne Anfechtungserklärung nicht schon nach § 138 BGB zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, denn diese Vorschrift enthält gegenüber § 123 BGB eine Sonderregelung (BGH Urteil vom 8. März 1966 - 5 ZR 62/64 - WM 1966, 585, 589). Die Anwendung des § 138 BGB neben § 123 BGB setzt vielmehr voraus, daß die Tatbestandsmerkmale des § 138 BGB im Einzelfall erfüllt sind (MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., § 123 Rz 28; RGRK-Krüger-Nieland, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 84).

Der Kläger vermag seine Revision jedoch nicht auf eine Verletzung des § 138 BGB zu stützen. Hierfür reicht die von ihm dargelegte Zwangslage allein nicht aus. Die Anwendung des § 138 BGB läßt sich auch nicht damit begründen, daß die vom Kläger geschuldete Arbeitsleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zur Gegenleistung der Beklagten steht. Ein solches Mißverhältnis ist hier nicht gegeben, weil der Kläger nur eine um etwa 300,-- DM niedrigere Anfangsvergütung in VergGr. IV b statt der ursprünglich in Aussicht genommenen VergGr. IV a MTA erhält. Das entspricht einer Gehaltseinbuße von etwa 10 v. H. der Vergütung gemäß VergGr. IV a MTA.

V. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis ebenfalls zu Recht einen Anspruch auf Abänderung der Vergütungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 24. August 1984 aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß verneint. Der zweite Hilfsantrag des Klägers zielt in diese Richtung, denn er verlangt den Abschluß eines Arbeitsvertrages "gemäß dem bindenden Vertrag" mit einer Eingruppierung in VergGr. IV a MTA. Damit ist der Ausbildungsvertrag vom 31. Juli 1981 gemeint. Dieser gibt zwar für den Anspruch des Klägers nichts her, sondern ist nur Grundlage für die Nachwirkung des Tarifvertrages. Der Antrag des Klägers kann aber so ausgelegt werden, daß er seinen zweiten Hilfsantrag auf Abschluß eines Arbeitsvertrages mit VergGr. IV a MTA mit dem Hinweis auf den Ausbildungsvertrag begründen will. Das Berufungsgericht hat ihn offenbar so verstanden, denn sonst hätte es keinen Anlaß gehabt, die Frage zu erörtern, ob der Kläger aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß einen Anspruch auf eine Abänderung der Vergütungsvereinbarung hat.

Ein solcher Anspruch gemäß § 249 BGB darauf, die in § 4 des Arbeitsvertrages vom 24. August 1984 vereinbarte Vergütung gemäß VergGr. IV b MTA rückgängig zu machen und durch eine Vereinbarung mit VergGr. IV a MTA zu ersetzen, läßt sich ausnahmsweise nur dann begründen, wenn eine Drohung zum Abschluß einer solchen Vereinbarung geführt hat, die nicht lediglich rechtswidrig, sondern darüber hinaus auch schuldhaft veranlaßt worden ist (vgl. BGH Urteil vom 11. Mai 1979 - V ZR 75/78 - NJW 1979, 1983, 1984). Einen solchen Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß gewährt der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung sogar noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist (§ 124 BGB).

Aus dem Vorbringen des Klägers läßt sich aber nicht entnehmen, daß die Beklagte mit dem ihm angesonnenen Verzicht auf die VergGr. IV a MTA schuldhaft gehandelt hätte. Ein solches Verschulden läßt sich nicht aus den unstreitigen Tatsachen begründen, denn die Beklagte hat sich als rechtsfähige Körperschaft des Bundes mit der Absenkung der Eingangsvergütung an eine Entschließung des Bundestages gehalten. Wenn solche Entschließungen die Beklagte auch nicht wie ein Gesetz binden, sondern nur Willenskundgebung des Parlaments sind (vgl. Badura, Staatsrecht, F 2, S. 361), so mußte sie hier zwangsläufig von der Rechtmäßigkeit der Absenkung der Eingangsvergütung ausgehen. Insoweit kann ihr auch kein fahrlässiges Verschulden vorgeworfen werden. Ebensowenig wie bei einer umstrittenen Eingruppierung kann aber wegen der schwierigen - und von den Instanzgerichten auch unterschiedlich beurteilten - Rechtslage selbst dann nicht von einem Verschulden ausgegangen werden, wenn sich die rechtliche Beurteilung durch die Beklagte nachträglich in einem gerichtlichen Verfahren als unzutreffend herausstellt (vgl. BAG Urteil vom 7. Oktober 1981 - 4 AZR 225/79 - BAGE 36, 245 = AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

VI. Das angefochtene Urteil hat einen Anspruch des Klägers auf Abschluß eines Arbeitsvertrages mit Vereinbarung der VergGr. IV a MTA aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zutreffend verneint. Das Bundesarbeitsgericht hat inzwischen ebenso entschieden (BAG Beschlüsse vom 3. Dezember 1985 - 4 ABR 7/85 - und - 4 ABR 60/85 - AP Nr. 1 und 2 zu § 74 BAT). Die Beklagte hat vielmehr alle nach dem 1. September 1984 ins Angestelltenverhältnis übernommenen Anwärter gleichbehandelt. Die in den vorhergehenden Jahren ausgebildeten Anwärter haben zwar in der Anfangsvergütung Vergütung nach VergGr. IV a MTA erhalten, doch beruhte das auf einer anderen Rechtslage. Die Beklagte hat deswegen nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, denn sie hat nicht gleichliegende Fälle aus unsachlichen oder sach fremden Gründen ungleich behandelt.

Dr. Thomas Dr. Gehring ist durch Dr. Olderog

Urlaub an der Unterschrift

verhindert

Dr. Thomas

Fischer Nitsche

 

Fundstellen

Haufe-Index 440012

EzB TVG § 4, Nr 11 (LT1-3)

RdA 1987, 312

AP § 4 TVG Nachwirkung (LT1-3), Nr 16

EzA § 4 TVG Nachwirkung, Nr 8 (LT1-3)

EzBAT § 22 BAT, Nr 2 (LT1-3)

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