Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Betriebsveräußerers bei Unternehmensteilung

 

Orientierungssatz

Ein Rechtsgeschäft zur Übertragung eines Betriebes kann auch in einem Gesellschaftsvertrag bestehen, aufgrund dessen ein Betriebserwerber den bisherigen Betrieb fortführt.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 613a

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.01.1984; Aktenzeichen 13 Sa 33/83)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 20.04.1983; Aktenzeichen 3 Ca 379/82)

 

Tatbestand

Der Kläger trat am 1. Januar 1976 als Verkaufsreisender für Damenoberbekleidung und Wäsche in die Dienste der Beklagten. Ihm wurde das Gebiet des Landes Hessen als Verkaufsbezirk übertragen. Unter dem Datum vom 16. Februar 1978 wurden die Arbeitsvertragsbedingungen schriftlich niedergelegt. Nach diesen erhielt der Kläger neben einem Jahresfixum von 36.000,-- DM eine Mindestertragsbeteiligung von 6.000,-- DM. Im übrigen wurde ihm eine Ertragsbeteiligung zugesagt, die nach Prozentsätzen des Preises der verkauften Waren berechnet wurde. Von der so ermittelten Bruttoertragsbeteiligung wurden sämtliche durch den Kläger verursachten Betriebs- und Personalkosten einschließlich seiner eigenen Bezüge abgezogen. Ferner heißt es in dem Vertrag:

(2) Für Geschäfte, die erst nach Beendigung des

Vertragsverhältnisses abgeschlossen oder aus-

geführt werden, erhält der Angestellte keine

Ertragsbeteiligung (Bruttovergütungen).

Dem Kläger gelang es in den Jahren 1976, 1978 und 1979 nicht, eine Ertragsbeteiligung zu verdienen. Dennoch zahlte ihm die Beklagte im Frühjahr 1977 einen Betrag in Höhe von 4.000,-- DM für das Jahr 1976.

Bis zum Jahre 1978 besaß die Beklagte neben mehreren rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften eigene Produktionsbetriebe. Zu ihren rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften gehörte die B GmbH. Durch notariellen Vertrag vom 27. April 1978 wurde das Stammkapital der B GmbH von 2,3 Millionen auf 6 Millionen DM erhöht. Zugleich erhielt die Tochtergesellschaft das Recht, hinfort die Firma R GmbH zu führen. Die Beklagte brachte ihre Produktionsbetriebe in die B GmbH ein. Den Rest des erhöhten Stammkapitals übernahm ein Minderheitsgesellschafter mit einem Aufgeld von 10.000,-- DM. Am 30. September 1978 teilte die B GmbH, die inzwischen den Namen R GmbH, S, führte, der Belegschaft der Beklagten und auch dem Kläger mit:

"Mit der Eintragung in das Handelsregister ist

die Zusammenfassung des laufenden Produktions-

betriebs der Vereinigten Bekleidungswerke

R GmbH, S , und der Beklei-

dungsfabrik B GmbH, F , rechts-

wirksam geworden. Damit ist auch Ihr Arbeits-/

Dienstverhältnis unter Wahrung Ihres sozialen Be-

sitzstandes auf die R GmbH, S ,

übergegangen."

Der Kläger unterzeichnete diese Mitteilung mit den Worten "Kenntnis genommen". Später kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1981.

Der Kläger hat von der Beklagten eine Ertragsbeteiligung verlangt, und zwar in Höhe von 23.595,29 DM für abgewickelte Geschäfte und weiterer 48.013,39 DM für von August bis Dezember 1981 vermittelte, aber erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeführte Geschäfte. Wegen der Forderung in Höhe von 23.595,29 DM haben die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt. Zu der weiteren Forderung hat der Kläger vorgetragen, es hätten keine sachlichen Gründe dafür bestanden, die Bezahlung für erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeführte Geschäfte auszuschließen. Insoweit habe er die Kosten der Geschäftsvorbereitung getragen, ohne einen angemessenen Ausgleich zu erhalten, auch nicht durch Vergütungen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses. Für die Ertragsbeteiligung habe die Beklagte als seine Arbeitgeberin einzustehen. Sein Arbeitsverhältnis sei nicht auf die R GmbH übergegangen. Die Voraussetzungen einer Betriebsnachfolge seien nicht gegeben. Mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses habe er sich auch nicht einverstanden erklärt. Der Vortrag der Beklagten sei insoweit verspätet und habe zurückgewiesen werden müssen, da er erstmals in der Berufungsinstanz erläutert worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. auszusprechen, daß der Rechtsstreit

in Höhe eines Teilbetrages von

23.595,29 DM in der Hauptsache erle-

digt ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn

48.013,39 DM nebst 12 % Zinsen aus

71.608,76 DM für die Zeit vom 7.5.

1982 bis zum 4.8.1982 und aus 48.013,39

DM seit dem 5.8.1982 zu zahlen.

Hilfsweise hat er die Klage dahin geän-

dert, daß die R GmbH, S

, gesetzlich vertreten durch die Ge-

schäftsführer G S , Dr. W

B , K Bu und K E ,

B straße 12, 7 S

, die Beklagte ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Auszahlung der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anfallenden Ertragsbeteiligung wirksam ausgeschlossen worden sei. Die erfolgsabhängige Vergütung sei nach einem reinen Kosten-/Nutzenverhältnis berechnet worden. Der Kläger sei mit einem hinreichenden Grundgehalt ausgestattet gewesen. In der Anlaufphase des Arbeitsverhältnisses hätten die von ihm verursachten Kosten die Vergütung bei weitem überschritten. Im übrigen sei sie nicht die richtige Beklagte. Sie sei eine reine Holdinggesellschaft und beschäftige nur noch einige Geschäftsführer. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auf die R GmbH übergegangen. Damit sei sie von jeder Haftung frei geworden.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit in Höhe von 23.595,29 DM in der Hauptsache für erledigt erklärt und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision. Den Hilfsantrag hat diese zwar nicht mehr ausdrücklich gestellt, jedoch in der Begründung auf ihm bestanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die allein noch streitige Ertragsbeteiligung nicht verlangen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Parteien einen Anspruch des Klägers auf Ertragsbeteiligung ausgeschlossen haben, soweit der Ertrag auf Verkaufsgeschäften beruht, die im Jahre 1981 vermittelt, aber erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeführt wurden. Es ist mit Recht davon ausgegangen, daß die vom Senat entwickelten Rechtsgrundsätze zum Ausschluß von sogenannten Überhangprovisionen auch auf die von den Parteien vereinbarte Ertragsbeteiligung anzuwenden sind. Diese ist der Sache nach nichts anderes als eine Jahresprovision, von der die Betriebs- und Personalkosten abgezogen werden. Nach den vom Gericht erarbeiteten Rechtsgrundsätzen ist der Ausschluß der sogenannten Überhangprovision nur dann wirksam, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht (BAG Urteil vom 17. Mai 1962 - 5 AZR 427/61 - AP Nr. 2 zu § 65 HGB, Bl. 1 R mit kritischer Anmerkung von Hefermehl; Urteil vom 4. Juli 1972 - 3 AZR 477/71 - AP Nr. 6 zu § 65 HGB, zu III der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Herschel; Urteil vom 20. Juli 1973 - 3 AZR 359/72 - AP Nr. 7 zu § 65 HGB, zu I 2, II der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Fenn; Urteil vom 28. Februar 1984 - 3 AZR 472/81 - AP Nr. 5 zu § 87 HGB, mit Anmerkung von Herschel = BB 1984, 1687).

Dem Grunde nach ist nicht zu beanstanden, daß die Beklagte die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses aufgewandten Kosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt wissen will und daraus einen sachlichen Grund zum Ausschluß von Überhangprovisionen ableitet. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verursachten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den im Jahre 1981 angefallenen Gewinnen stehen.

Dennoch war die Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung nicht erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits im Jahre 1978 auf die R GmbH übergegangen ist, so daß die Beklagte für etwaige Provisionsansprüche des Klägers nicht mehr einstehen müßte.

II. Die Beklagte ist von der Haftung für Forderungen des Klägers frei geworden, soweit diese erst im Jahre 1979 oder später entstanden sind.

1. Im Falle einer Betriebsveräußerung tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613 a Abs. 1 BGB). Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Betriebsinhaber für Verpflichtungen aus den Arbeitsverhältnissen nur noch, soweit sie vor dem Betriebsübergang entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden (§ 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Forderung des Klägers auf "Überhang-Ertragsbeteiligung" ist im Jahre 1981 entstanden und im Jahre 1982 fällig geworden. Dies war mehr als ein Jahr nach dem Betriebsübergang der Produktionsbetriebe der Beklagten auf die R GmbH, bzw. deren Rechtsvorgängerin, die B GmbH.

2. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Produktionsbetriebe der Beklagten einschließlich des Vertriebes im Jahre 1978 auf die R GmbH übergegangen sind. Die Beklagte sei eine reine Holdinggesellschaft zur Verwaltung der Betriebsgesellschaften geworden. Gegen diese Feststellung sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden (§ 554 Abs. 3 ZP0). Der Senat ist an sie gebunden (§ 561 Abs. 2 ZP0).

Das Landesarbeitsgericht hat ferner festgestellt, daß der Übergang der Produktionsbetriebe aufgrund des Einbringungsvertrages in die B GmbH erfolgt sei. Ein Rechtsgeschäft zur Übertragung eines Betriebes kann auch in einem Gesellschaftsvertrag bestehen, aufgrund dessen ein Betriebserwerber den bisherigen Betrieb fortführt (BAG vom 25. Juni 1985 - 3 AZR 254/83 - zur Veröffentlichung bestimmt). Insoweit sind Verfahrensrügen zwar erhoben, jedoch unbegründet.

Der Kläger rügt, daß das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Beklagten zum Einbringungsvertrag in der Berufungsinstanz noch zugelassen hat. Diese Rüge hat keinen Erfolg. Nach § 67 Abs. 2 ArbGG kann das Landesarbeitsgericht Vorbringen zurückweisen, wenn es nicht vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung oder vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorgebracht wird. Das gleiche gilt, wenn eine Partei mit ihrem verspäteten Vortrag gegen Grundsätze einer sachgemäßen Prozeßführung verstößt (§ 67 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 528 Abs. 2 ZP0). Ob diese Zurückweisungsgründe hier vorlagen, kann unentschieden bleiben. In jedem Fall ist der Senat nicht berechtigt, Sachvorbringen außer acht zu lassen, welches das Landesarbeitsgericht zugelassen hat. Läßt das Berufungsgericht Sachvorbringen zu, das es zurückweisen könnte, so ist eine Beschleunigung des Rechtsstreits nicht mehr zu erreichen. Dann muß das Revisionsgericht das Vorbringen berücksichtigen, um eine fallgerechte Entscheidung zu gewährleisten (BAG 31, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II). Ob etwas anderes dann gilt, wenn der zugelassene Sachvortrag eine Aufhebung oder Zurückverweisung notwendig macht, kann unentschieden bleiben. Insoweit sind im vorliegenden Rechtsstreit keine Anhaltspunkte gegeben.

3. Der Kläger hat schließlich auch keine Gründe dargelegt, aufgrund deren sich eine Haftung der Beklagten unabhängig von § 613 a Abs. 2 BGB ergeben könnte. Bei Unternehmensteilungen sind Fallgestaltungen denkbar, die eine Vertrauenshaftung des bisherigen Arbeitgebers oder sogar eine Durchgriffshaftung im Konzern begründen könnten. Aber der Vortrag der Parteien bietet dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte.

III. Nicht zu folgen vermag der Senat dem Vorbringen der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Klage deshalb nicht abweisen dürfen, weil der Kläger für den Fall der fehlenden Legitimation der Beklagten hilfsweise die Klage geändert und im Wege des Parteiwechsels gegen die R GmbH gerichtet habe. Sofern die Beklagte tatsächlich nicht passivlegitimiert sei, müsse die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, damit das Landesarbeitsgericht die Klage an die R GmbH zustelle. Diese hilfsweise erklärte Klageänderung genügte nicht den Mindestanforderungen. Die prozessualen Formerfordernisse einer Klageänderung waren nicht gewahrt und den Bestimmtheitserfordernissen wurde nicht genügt. Soll eine Partei im Wege der Klageänderung in zweiter Instanz in einen Prozeß einbezogen werden, so bedarf es ihrer ausdrücklichen Zustimmung. Alles dies fehlte. Damit mußte die Klage abgewiesen werden, selbst wenn sich im Konzernverbund der Beklagten noch Restansprüche des Klägers gegen eine andere Konzerngesellschaft ergeben sollten.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Zieglwalner Wax

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438428

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge