Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Nichtübernahme im Hochschulbereich

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 13, 20 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1; Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2, 4; Hochschulrahmengesetz §§ 75, 75a; Gesetz zur Erneuerung der Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (HEG) § 3 Abs. 3 S. 5, § 70 Abs. 3 S. 2; KSchG § 1; BGB §§ 242, 315; GG Art. 5 Abs. 3; BPersVG/PersVG-DDR § 79 Abs. 4, § 82 Abs. 1; AGB-DDR § 55 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 13.06.1994; Aktenzeichen 5 Sa 472/93)

ArbG Stralsund (Urteil vom 25.05.1993; Aktenzeichen 11 Ca 316/92)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Juni 1994 – 5 Sa 472/93 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 bis 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 bis 3 EV) stützt.

Der im Jahre 1941 geborene Kläger erwarb 1979 den akademischen Grad eines Doktor sc. nat. für das Fachgebiet Biologie und 1983 die facultas docendi für „Spezielle Botanik”. Seit 1988 war er außerordentlicher Hochschuldozent für „Spezielle Botanik” an der E.-Universität in G., zuletzt auf der Stelle eines wissenschaftlichen Oberassistenten.

Im Oktober 1991 stellte der Kläger einen Antrag auf „mitgliedsschaftrechtliche Überleitung zum Professor im Sinne von § 44 des Hochschulrahmengesetzes (HRG-Professor)”. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. Juni 1992 ab, weil die wissenschaftlichen Leistungen des Klägers nicht den Anforderungen bei der Einstellung von Professoren entsprächen. Über die hiergegen gerichtete verwaltungsgerichtliche Klage ist bisher nicht abschließend entschieden worden.

Ab dem Frühjahr 1992 wies der Beklagte die Stellen für das wissenschaftliche Personal an den Hochschulen neu aus. Die Stellen wurden unabhängig davon, ob sie besetzt waren, hochschulintern und bei Fehlen geeigneter eigener Bewerber auch öffentlich ausgeschrieben.

Am 1. Oktober 1992 wurde das Institut für Geobotanik, dem der Kläger angehörte, mit dem Botanischen Institut vereinigt. Dem neuen Institut sind zwei C 4-Professuren, eine C 3-Professur, eine C 2-Stelle (befristet), vier C 1-Stellen (befristet) und eine unbefristete A 14-Stelle zugeordnet. Für das Fachgebiet des Klägers sind hiervon noch eine C 4-Professur und zwei halbe Doktorandenstellen (C 1) ausgewiesen.

Der Kläger hatte sich zunächst um die Übernahme auf eine im Prozeß nicht näher bezeichnete Stelle in seinem Fachgebiet bemüht. Er bewarb sich dann für die Stelle eines Kustos des Botanischen Gartens. Beide Male kam er nicht zum Zuge, da anderen Bewerbern der Vorzug gegeben wurde.

Mit Schreiben vom 23. September 1992, dem Kläger zugegangen am 28. September 1992, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 1992 wegen mangelnden Bedarfs und wegen mangelnder fachlicher Qualifikation. Das Kündigungsschreiben ist vom Staatssekretär im Kultusministerium in Vertretung für die Kultusministerin unterzeichnet. Zuvor hatte der Beklagte den Personalrat der Universität zu der beabsichtigten Kündigung angehört. Ein Hauptpersonalrat im Kultusministerium bestand damals nicht.

Mit der am 30. September 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Sein Arbeitsplatz sei nicht weggefallen, da genau seine bisherige Tätigkeit nunmehr von dem C 4-Professor für Spezielle Botanik zu verrichten sei. Für die Kustodenstelle sei er in jeder Beziehung geeignet gewesen. Es sei nicht richtig, daß keine anderen geeigneten Stellen vorhanden gewesen seien. In § 75 Abs. 3 HRG und § 108 Hochschulerneuerungsgesetz komme ein Bestandsschutz zum Ausdruck, den der Beklagte mißachtet habe. Im übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Der Kläger hat beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 23. September 1992 nicht aufgelöst worden sei,
  2. den Beklagten zu verurteilen, ihn weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und vorgetragen, der Aufbau der Hochschule habe sich wesentlich verändert. Die bisherige Verwendung des Klägers sei nicht mehr möglich, da es die Stelle eines außerordentlichen Dozenten innerhalb der neuen Personalstruktur nicht mehr gebe. Eine anderweitige Verwendung des Klägers sei ebenfalls nicht möglich, da keine anderen für ihn geeigneten Stellen vorhanden gewesen seien. Das ergebe sich schon aus der Erfolglosigkeit seines Überleitungsantrags. Deswegen sei der Kläger auch fachlich nicht qualifiziert. Die Kustodenstelle sei mit einem sehr gut qualifizierten Bewerber besetzt worden. Diese Stelle erfordere die wissenschaftliche Anleitung des Personals des Botanischen Gartens und die Fähigkeit zur Öffentlichkeitsarbeit. Man habe sich nicht für den Kläger entschieden, da er dafür keine besonderen Voraussetzungen mitbringe. Die Beteiligung des Personalrats der Universität sei freiwillig im Wege der vertrauensvollen Zusammenarbeit erfolgt, denn über die Kündigung sei im Kultusministerium entschieden worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar. Sein Arbeitsplatz sei weggefallen, da der Haushaltsgesetzgeber die Stelle gestrichen und das zuständige Kultusministerium in Zusammenarbeit mit der Hochschule entschieden habe, den derzeitigen Stelleninhaber nicht durch haushaltsrechtliche Maßnahmen auf einer anderen Stelle fortzuführen. Eine Hochschuldozentenstelle sei ebenso nicht mehr ausgewiesen wie eine Oberassistentenstelle für das Gebiet der Speziellen Botanik. Ob zwischen der Tätigkeit des Klägers und der des berufenen Professors für das Fachgebiet der Speziellen Botanik eine Überschneidung bestehe, sei unerheblich. Allein die statusrechtlichen Unterschiede zwischen einem Hochschuldozenten bzw. wissenschaftlichen Oberassistenten einerseits und einem C 4-Professor andererseits verböten die Annahme, die C 4-Professur sei im Grunde nur eine neue Bezeichnung für die alte Stelle des Klägers. Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die nach dem Haushalt zugewiesenen Stellen im Rahmen der Hochschulerneuerung so aufzuteilen, daß bisherige Stelleninhaber nach Möglichkeit weiter tätig bleiben konnten. § 75 Abs. 3 Satz 2 HRG eröffne lediglich die Möglichkeit, Stellen alten Typs für den Zeitraum ihrer derzeitigen Besetzung als solche weiterzuführen; ein arbeitsrechtlicher Bestandsschutz zugunsten des vorhandenen Personals sei damit nicht verbunden.

Einen freien Arbeitsplatz, auf dem der Kläger hätte eingesetzt werden können, habe es nicht gegeben. Die Weiterverwendung komme nur bei ausreichender fachlicher Qualifikation und bei Eignung für die betreffende Stelle in Betracht. Bei der Eignungsbeurteilung bestehe ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum. Der Kläger habe entsprechende Entscheidungsdefizite nicht vorgetragen. Rechtsfehler bei der Besetzung der von ihm genannten Stellen seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Stelle in seinem Fachgebiet habe der Kläger so wenig konkret vorgetragen, daß eine weitere Prüfung der für ihn negativen Auswahlentscheidung nicht möglich sei. Die Ablehnung des Klägers für die Kustodenstelle erscheine angesichts seines bisherigen Einsatzes allein in Lehre und Forschung sachlich gerechtfertigt.

Dem Beklagten seien keine Fehler bei der Personalratsbeteiligung unterlaufen. Das Ministerium habe die Kündigung ausgesprochen. Dies sei entweder aufgrund originärer Zuständigkeit oder durch zulässiges Ansichziehen der Entscheidung geschehen. Zu beteiligen wäre also ein auf der Ebene des Ministeriums gebildeter Personalrat gewesen, der jedoch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht gebildet gewesen sei.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

1. Der Kläger ist aufgrund seiner durchgehenden Beschäftigung als Hochschuldozent in G. Angehöriger des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, findet auf das Arbeitsverhältnis Abs. 4 EV Anwendung. Dieses Sonderkündigungsrecht bleibt von der Überleitungsregelung des Hochschulrahmengesetzes und von darauf beruhendem Landesrecht unberührt (vgl. § 75 a Satz 2 Halbs. 2 HRG).

2. Gemäß Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV ist eine ordentliche Kündigung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist.

a) Diese Regelung verdrängt den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reicht (vgl. BAGE 71, 221 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Bei Vorliegen der angeführten gesetzlichen Tatbestände ist eine darüber hinausgehende Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung gem. § 1 KSchG entbehrlich. Anwendbar bleiben sonstige Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes wie auch die Regelungen des Personalvertretungsrechts, die die Wirksamkeit einer Kündigung von der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung abhängig machen (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, m.w.N.).

b) Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV stellt auf die weitere „Verwendbarkeit” des Arbeitnehmers ab. Bei einem wegen Personalüberhang mangelnden Bedarf ist zur Beantwortung der Frage, welcher von mehreren an sich geeigneten Arbeitnehmern nicht mehr verwendbar ist, eine Auswahlentscheidung zu treffen (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – BAGE 79, 128 = AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu B III 1 der Gründe). Entsprechendes gilt bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle, solange ein Arbeitsplatz für eine mögliche Verwendung der an sich geeigneten Arbeitnehmer zur Verfügung steht.

c) Der Arbeitgeber ist im Falle einer Bedarfskündigung nach dem Einigungsvertrag nicht an die Grundsätze der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG gebunden. Die Auswahlentscheidung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern ist gem. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen und muß, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der dienstlichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen (Senatsurteil vom 19. Januar 1995, a.a.O., zu B III 2 der Gründe; dem folgend BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – AP Nr. 35 zu Art. 20 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

3. a) Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn im Zuge der Erneuerung des Hochschulwesens keine Stellen fortgeführt, sondern alle nach dem Haushalt vorgesehenen Stellen aus dem Kreis der bisherigen Beschäftigten neu besetzt werden (BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – a.a.O.; dem folgend Senatsurteil vom 13. Juni 1996 – 8 AZR 392/94 – n.v.). Waren die nach der Organisationsentscheidung des Landes vorgesehenen Stellen besetzt und verlief das im Zuge der Besetzung der vorhandenen Stellen erforderliche Auswahlverfahren rechtmäßig, so bestand für die weitere Verwendung der nicht zum Zuge gekommenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr. Seiner Verantwortung für eine willkürfreie, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbare Auswahlentscheidung im Besetzungsverfahren kann sich das Land nicht dadurch entziehen, daß es Besetzungsvorschläge der zuständigen Kommissionen ungeprüft übernimmt. Die jeweilige Auswahlentscheidung ist gleichwohl daraufhin gerichtlich überprüfbar, ob objektiv die Grenzen der §§ 315 Abs. 1, 242 BGB gewahrt wurden (Senatsurteil vom 29. August 1996 – 8 AZR 505/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II der Gründe).

b) § 75 a in Verbindung mit § 75 Abs. 3 Satz 2 HRG, wonach das Hochschulpersonal, das nicht in ein Amt der neuen Personalstruktur übernommen wird, in seinem bisherigen Dienstverhältnis verbleibt, schafft keinen arbeitsrechtlichen Bestandsschutz zugunsten des vorhandenen Personals. Durch die §§ 75, 75 a HRG und die darauf beruhenden Gesetze der Länder ist eine Änderung der nach dem Einigungsvertrag bestehenden kündigungsrechtlichen Situation nicht eingetreten. Die Überleitungsvorschriften stellen insofern lediglich klar, daß bei den weiterbeschäftigten Professoren eine dienstrechtliche Alternative besteht: zum einen Übernahme in die Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz und damit verbunden die Einstufung in die Besoldungsgruppe C, zum anderen Verbleiben im bisherigen Dienstverhältnis eines Angestellten. Ob dagegen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden muß oder wegen fehlender Verwendungsmöglichkeit gekündigt werden kann, richtet sich allein nach den kündigungsrechtlichen Bestimmungen, die durch die Überleitungsregelungen nicht eingeschränkt worden sind (Senatsurteil vom 29. August 1996, a.a.O.).

c) Der Landesgesetzgeber und die Hochschulen im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsautonomie sind vor dem Hintergrund der erforderlichen und verfassungsrechtlich gerechtfertigten Erneuerung der Hochschulen (Art. 5 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 EV) frei, Fächer und Fachbereiche neu zu strukturieren und zu organisieren und in diesem Zusammenhang auch festzulegen, welche fachlichen Anforderungen an die Besetzung der neu strukturierten Stellen zu knüpfen sind. Welches konkrete Anforderungsprofil eine zu besetzende Stelle kennzeichnet und welche Anforderungen hierfür entsprechend an einen Bewerber hinsichtlich fachlicher Qualifikation und Eignung zu stellen sind, ist arbeitsgerichtlich allenfalls im Rahmen einer Mißbrauchskontrolle überprüfbar (Senatsurteil vom 29. August 1996, a.a.O., zu B III 3 der Gründe).

d) Der öffentliche Arbeitgeber darf ausgeschriebene Stellen auch mit externen Bewerbern besetzen. Er kann aber gerade hieraus eine fehlende Verwendungsmöglichkeit für einen Bewerber aus der Hochschule (Beschäftigungsstelle), der dem Anforderungsprofil der Stelle genügt, nicht herleiten. Werden bei einer Verringerung der Zahl der Arbeitsplätze und/oder Änderung der Anforderungen auf Arbeitsstellen Kündigungen notwendig, so erlaubt Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV eine Auswahl der zu Kündigenden ohne den strengen Maßstab das § 1 Abs. 3 KSchG. Er ermöglicht dem Arbeitgeber jedoch nicht, über den mangelnden Bedarf hinaus oder ohne Rücksicht auf die Strukturänderung zusätzliche Kündigungen auszusprechen, die allein auf Neueinstellungen beruhen. Das liefe auf eine unzulässige Austauschkündigung hinaus, die einzig dem Zweck diente, vorhandene geeignete Arbeitnehmer durch etwa noch besser Geeignete zu ersetzen (vgl. näher Senatsurteil vom 20. März 1997 – 8 AZR 829/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 4 b der Gründe). Eine Auswahl danach, wer am besten für die Stelle qualifiziert ist, ist allein unter den Bewerbern aus der Beschäftigungsstelle zulässig.

e) Die aufgezeigten Maßstäbe für die Stellenbesetzung bestehen unabhängig davon, ob die ausgeschriebene Stelle mit einer bisherigen Stelle identisch ist oder ob es sich um eine „neue” Stelle mit einem bisher nicht vorhandenen Anforderungsprofil handelt. Allerdings wird die grundsätzliche Eignung anzunehmen sein, wenn sich der Inhaber einer Stelle wieder auf diese bewirbt. Bei der neu strukturierten Stelle eines Wissenschaftlers hat die für die Besetzung zuständige Person oder Kommission einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil entspricht (Senatsurteil vom 20. März 1997, a.a.O., zu II 4 c der Gründe, m.w.N.).

4. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, der Kläger sei wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar gewesen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler ausgeführt, daß der Arbeitsplatz des Klägers im Zuge der Hochschulerneuerung weggefallen ist. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, der Haushaltsgesetzgeber habe die Stelle des Klägers gestrichen, eine Hochschuldozentenstelle oder eine Oberassistentenstelle für Spezielle Botanik bestehe in dem neuen Botanischen Institut seit dem 1. Oktober 1992 nicht mehr, über eine Weiterbeschäftigung im bisherigen Rechtsverhältnis sei negativ entschieden worden. Damit lag der Kündigung ein mangelnder Bedarf im Sinne von Abs. 4 Ziff. 2 EV zugrunde.

b) Aus dem Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers und dem Fehlen eines entsprechenden Arbeitsplatzes folgt, daß der Kläger nicht mehr wie bisher verwendbar war. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, selbst bei etwaigen Überschneidungen zwischen der Tätigkeit des Klägers als Hochschuldozent und der des Lehrstuhlinhabers für Spezielle Botanik handele es sich schon wegen der statusrechtlichen Unterschiede um Stellen mit verschiedenen Anforderungsprofilen (vgl. Senatsurteil vom 29. August 1996, a.a.O., zu B III 4 a der Gründe). Unstreitig sind seit dem 1. Oktober 1992 außer der C 4-Professur für das Fachgebiet des Klägers nur noch zwei halbe Doktorandenstellen (C 1) ausgewiesen. Mit dem allgemeinen Hinweis der Revision auf die Stellen für wissenschaftliche Assistenten/Mitarbeiter wird demgegenüber eine weiterbestehende Möglichkeit der bisherigen Verwendung nicht aufgezeigt.

c) Der Kläger war auch nicht anderweitig verwendbar.

aa) Die anderweitige Verwendung setzte zwar entgegen dem Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts nicht notwendig einen freien für den Kläger geeigneten Arbeitsplatz voraus; denn der Beklagte hatte alle Stellen für das wissenschaftliche Personal, auch die besetzten Stellen, ausgeschrieben. Deshalb war der Kläger auf eine entsprechende Bewerbung angewiesen. Er konnte sich nicht darauf beschränken, im Prozeß das Fehlen anderer geeigneter Stellen – noch dazu pauschal – zu bestreiten. Es hätte demnach genügt, wenn er im Rahmen seiner Bewerbungen für eine ausgeschriebene Stelle zu berücksichtigen gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch gerade die für den Kläger jeweils negativen Auswahlentscheidungen des Beklagten mit der zutreffenden Begründung gebilligt, Fehler zu Lasten des Klägers seien weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im einzelnen gilt hierzu folgendes:

bb) Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob er sich überhaupt um die C 4-Professur für Spezielle Botanik beworben oder ob er von einer Bewerbung wegen der fehlenden Überleitung Abstand genommen hat. Deshalb kann er aus der anderweitigen Besetzung dieser Stelle nichts für sich herleiten. Im übrigen reicht die Beurteilung, er sei für die genannte Stelle nicht geeignet, aus, um ihn nicht zu berücksichtigen. Rechtsfehler sind insoweit angesichts der besonderen Anforderungen an eine C 4-Professur nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt. Das gilt unabhängig von der noch ausstehenden gerichtlichen Überprüfung der Ablehnung des Überleitungsantrags.

cc) Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob er sich auf eine, ggf. welche, Stelle des wissenschaftlichen Mittelbaues beworben hat. Unabhängig davon ist ersichtlich, daß er als Hochschuldozent für die Doktorandenstellen von vorneherein nicht in Frage kam. Der Kläger hat die anderweitige Besetzung der im allgemeinen für den wissenschaftlichen Nachwuchs vorbehaltenen Stellen des Mittelbaues nicht konkret gerügt. Soweit die Revision die Darlegung von schlüssigen Leistungskriterien seitens des Beklagten vermißt, verkennt sie die Darlegungslast. Der Beklagte hat mitgeteilt, mit welchen Personen die Stellen besetzt wurden und daß die Entscheidung nach der Qualifikation für eine erfolgreiche Arbeit auf der jeweiligen Stelle getroffen wurde. Demgegenüber kann der Kläger nicht lediglich pauschal seine Eignung behaupten, wenn er als Hochschuldozent eine Stelle des Mittelbaues anstrebt.

dd) Der Kläger mußte auch nicht für die Stelle eines Kustos des Botanischen Gartens berücksichtigt werden. Das Landesarbeitsgericht hat die von dem Beklagten getroffene Auswahl zutreffend als rechts fehlerfrei gewürdigt. Auch wenn mit dem Kläger anzunehmen ist, er sei für diese Stelle an sich geeignet, durfte der Beklagte dem besser qualifizierten Bewerber den Vorzug geben. Wenn der Beklagte dabei berücksichtigt hat, daß der Kläger für spezielle Anforderungen der Stelle angesichts seiner bisherigen Tätigkeit keine besonderen Voraussetzungen mitbrachte, so ist das mit dem Landesarbeitsgericht jedenfalls als nicht sachwidrig und im Rahmen des Beurteilungsspielraums liegend anzusehen. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger die Anforderungen der Stelle, soweit es um Pflanzensystematik geht, möglicherweise sogar in besonders guter Weise erfüllen könnte.

5. Die Kultusministerin war zum Ausspruch der Kündigung berechtigt. Die E.-Universität in G. ist auf den Beklagten überführt worden (Art. 13 Abs. 1, 3 EV). Gemäß Kap. XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag wurde der Kläger Arbeitnehmer des Beklagten. Die Kultusministerin war nach § 70 Abs. 3 Satz 2 Hochschulerneuerungsgesetz Dienstvorgesetzte des Klägers. Die Überleitung des wissenschaftlichen Personals der Hochschulen erfolgte nach § 3 Abs. 3 Satz 5 Hochschulerneuerungsgesetz durch das Kultusministerium. Die Kultusministerin hatte durch Erlaß vom 7. Mai 1992 (Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern, S. 510) bestimmt, daß die Arbeitsverhältnisse der nicht übernommenen Professoren oder Dozenten zu beenden sind, soweit nicht im Ausnahmefall ein besonderes Interesse an der Weiterbeschäftigung besteht. Danach lag das gesamte Verfahren der Hochschulerneuerung, soweit Professoren und Dozenten betroffen waren, in den Händen des Kultusministeriums. Rechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Da demnach gegen eine Kündigung durch das Kultusministerium im Grundsatz nichts einzuwenden war, wäre es im Rahmen der abgestuften Darlegungslast Sache des Klägers gewesen, die Kündigungsbefugnis in tatsächlicher Hinsicht zu bestreiten. Eines besonderen Vortrags des Beklagten zur Kündigungsbefugnis bedurfte es dagegen nicht. Der Kläger hat demgegenüber die Kündigungsbefugnis der Kultusministerin erstmals in der Revisionsinstanz beanstandet. Das setzt einen neuen Tatsachenvortrag voraus, mit dem der Kläger in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden kann (§ 561 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat deshalb entgegen der Auffassung der Revision den Beibringungsgrundsatz nicht verletzt, indem es ein zulässiges Ansichziehen der Kündigungsentscheidung angenommen hat, soweit nicht schon eine originäre Zuständigkeit bestanden habe.

6. Die Kündigung ist nicht nach § 79 Abs. 4 BPersVG/PersVG-DDR unwirksam, denn zur Zeit der Kündigung bestand keine zuständige Personalvertretung, die zu beteiligen gewesen wäre. Die Kündigung wurde vom Kultusministerium ausgesprochen. In einem solchen Fall wäre nach § 82 Abs. 1 BPersVG/PersVG-DDR die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche war zur Zeit der Kündigung noch nicht gebildet. Die Ersatzzuständigkeit einer anderen Personalvertretung ist in diesen Fällen nicht gegeben (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – BAGE 76, 323 = AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B I 2 der Gründe; vom 27. April 1995 – 8 AZR 592/94 – n.v., zu B I 3 c der Gründe; vom 29. August 1996, a.a.O., zu B IV der Gründe).

III. Steht danach rechtskräftig fest, daß die Kündigung des Beklagten vom 23. September 1992 nicht rechtsunwirksam ist, sondern das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit der Frist des § 55 Abs. 2 AGB-DDR entsprechend der Kündigungserklärung zum 31. Dezember 1992 aufgelöst hat, so ist über den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers nicht mehr zu entscheiden. Dieser Antrag war erkennbar nur für den Fall des Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit und nur für die Zeit bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß gestellt.

IV. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Umfug, Rosemarie Iskra

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1092972

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