Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang eines durch Grundschuld gesicherten Arbeitgeberdarlehens beim Betriebsübergang

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1, § 607 Abs. 1, §§ 873, 1191-1192, 401, 412; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 27.06.1997; Aktenzeichen 16 Sa 2153/96)

ArbG Lüneburg (Urteil vom 25.10.1996; Aktenzeichen 1 Ca 1211/96)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Juni 1997 – 16 Sa 2153/96 – aufgehoben, soweit es über den Hilfsantrag entschieden hat. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht, auch zur Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits, zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ein dem Kläger gewährtes Arbeitgeberdarlehen durch Betriebsübergang auf die Beklagte übergegangen und zwischenzeitlich durch Vergleich erloschen ist sowie über die Löschung einer mit dem Arbeitgeberdarlehen im Zusammenhang stehenden Grundschuld.

Der Kläger war seit 1989 bei der W. GmbH (fortan: WPS) als Vertriebsleiter beschäftigt. Die WPS verkaufte Computerprogramme. Durch Vertrag vom 27. Mai 1991 gewährte die WPS dem Kläger ein Arbeitgeberdarlehen in Höhe von 50.000,00 DM zu 6 % Zinsen pro Jahr. Das Darlehen sollte in monatlichen Raten von 750,00 DM zurückgezahlt und die Zinsen vierteljährlich berechnet werden. Die Zahlung der Darlehensraten und der Zinsen sollte in der Weise erfolgen, daß die Firma die entsprechenden Beträge jeweils mit dem im Fälligkeitsmonat dem Mitarbeiter geschuldeten Gehalt verrechnete. Zur Absicherung des Darlehens bestellten der Kläger und seine Ehefrau durch notarielle Urkunde vom 15. August 1991 eine brieflose Grundschuld über 50.000,00 DM und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gemeinsames Grundstück. Die Grundschuld wurde zugunsten der WPS im Grundbuch eingetragen.

Im Jahre 1994 kaufte die Muttergesellschaft der jetzigen Beklagten die Geschäftsanteile der Muttergesellschaft der WPS auf. Die Rechte am Vertrieb der Computerprogramme sowie die Sachmittel dieser Firma wurden auf die Beklagte übertragen, die auch die Vertriebsmitarbeiter übernahm. Der Kläger schloß bei dieser Gelegenheit am 21. Oktober 1994 mit der Beklagten einen neuen Arbeitsvertrag ab. Er führte nunmehr die Tätigkeitsbezeichnung „Account-Manager”. Darlehensforderungen wurden in dem Vertrag nicht erörtert. Die Beklagte zog vom Gehalt des Klägers in gleicherweise die Darlehensraten ab, wie es die WPS bisher praktizierte.

Am 7. November 1995 schlossen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung. Darin wurden das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1995 beendet, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 DM gewährt sowie sonstige Vereinbarungen getroffen. Das Darlehen wurde nicht erwähnt. Ziff. 9 dieser Vereinbarung lautet:

„Die Parteien sind sich darüber einig, daß mit Abschluß der vorstehenden Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche, soweit nicht in den Ziff. 1–8 vorbehalten, gleich aus welchem Rechtsgrunde, ausgeglichen sind.”

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe sich aus Anlaß der Übernahme der Tätigkeit der WPS durch notarielle Urkunde auch alle dinglichen Sicherheiten übertragen lassen. Er hat die Auffassung vertreten, daß das Darlehen und die Grundschuld jedenfalls nach § 613 a BGB auf die Beklagte kraft Gesetzes übergegangen seien. Das Darlehen sei dann durch den Aufhebungsvertrag erloschen. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, ihre Eintragung im Grundbuch durchzusetzen und danach in die Löschung der Grundschuld einzuwilligen.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, den Übergang der im Grundbuch zugunsten der WPS eingetragenen Grundschuld in Höhe von 50.000,00 DM auf die Beklagte im Grundbuch eintragen zu lassen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, nach ihrer Voreintragung eine Löschungsbewilligung für diese Grundschuld zu erteilen;
  3. hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte infolge Betriebsüberganges in den ursprünglich zwischen der WPS als Darlehensgeberin und dem Kläger als Darlehensnehmer geschlossenen Arbeitnehmerdarlehensvertrag vom 27. Mai 1991 als Darlehensgeber eingetreten ist und daß die Darlehensforderung aufgrund des Vergleichs vom 7. November 1995 erloschen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, eine Eintragungsbewilligung der WPS zu ihren Gunsten liege nicht vor. Es sei auch nicht möglich, diese Firma zu einer entsprechenden Bewilligung zu zwingen. Im übrigen begründe ein Betriebsübergang nicht, daß der Erwerber in Arbeitgeberdarlehen, die der Veräußerer gewährt habe, eintrete. Jedenfalls wäre ein solches Arbeitgeberdarlehen nicht von der Ausschlußklausel im Aufhebungsvertrag erfaßt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur hinsichtlich des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 ZPO). Im übrigen ist die Revision unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte, den Übergang der Grundschuld auf die Beklagte eintragen zu lassen und ihm anschließend eine Löschungsbewilligung zu erteilen. Bei einem Betriebsübergang gehe eine Grundschuld nicht vom Veräußerer auf den Erwerber über. Dies gelte auch, soweit nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB Forderungen des Veräußerers auf den Erwerber übergegangen seien, da die Grundschuld gegenüber der Forderung nicht akzessorisch sei. Einem rechtsgeschäftlichen Erwerb der Grundschuld stehe entgegen, daß die Beklagte nicht ins Grundbuch eingetragen sei. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Beklagte berühme sich keiner Darlehensforderung gegenüber dem Kläger.

II. Diese Ausführungen halten nur hinsichtlich des Hauptantrags einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht einen Anspruch des Klägers auf Eintragung der streitbefangenen Grundschuld auf die Beklagte und auf anschließende Erteilung einer Löschungsbewilligung abgewiesen. Ein solcher Anspruch käme allenfalls in Betracht, wenn die Beklagte Inhaberin der Grundschuld geworden wäre. Die Grundschuld steht aber nach wie vor der im Grundbuch als Inhaberin der Grundschuld eingetragenen WPS zu. Einwendungen gegen die Grundschuld kann der Kläger deshalb nur gegen die WPS geltend machen.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte die Grundschuld nicht gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB aufgrund eines Betriebsübergangs erworben. Zwar kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß es im Jahre 1994 zwischen der WPS und der Beklagten zu einem Betriebsübergang kam, so daß die Beklagte in die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der WPS und dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnis trat. Zu den nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB übergehenden Rechten aus dem Arbeitsverhältnis zählen schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur schuldrechtliche Ansprüche, nicht dingliche Rechte. Eine Grundschuld, die der Arbeitnehmer zugunsten des bisherigen Arbeitgebers bestellt hat, geht deshalb beim Betriebsübergang nicht auf den Betriebserwerber über. Selbst wenn man unterstellen würde, daß die Forderung aus dem Arbeitgeberdarlehen auf die Beklagte als Betriebserwerberin übergegangen sei, bliebe die Grundschuld unberührt. Zwar gehen nach §§ 412, 401 Abs. 1 BGB bestimmte Sicherungsrechte, z.B. Hypotheken, mit dem Forderungsübergang auf den neuen Inhaber der Forderung über. Diese Bestimmungen sind jedoch auf die Sicherungsgrundschuld nicht anwendbar. Das folgt schon daraus, daß die Grundschuld in § 401 BGB nicht genannt wird und letztlich aus dem in § 1192 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz, daß die Grundschuld von der gesicherten Forderung unabhängig ist (vgl. MünchKomm-Roth, BGB, 3. Aufl., § 401 Rz 3, m.w.N.).

b) Die Beklagte wäre auch dann nicht Inhaberin der Grundschuld geworden, wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, die Grundschuld sei der Beklagten durch notariell beurkundeten Vertrag übertragen worden. Nach § 873 BGB bedarf die Übertragung einer Belastung eines Grundstücks – und damit auch einer Grundschuld gem. § 1191 BGB – neben der Einigung über die Rechtsänderung auch der Eintragung der Rechtsänderung ins Grundbuch. Da die Beklagte unstreitig nicht im Grundbuch als Grundschuldberechtigte eingetragen ist, kann die zwischen den Parteien streitige Einigung über die Grundschuldübertragung dahingestellt bleiben. Auf die Verfahrensrüge des Klägers, mit der er die Unterlassung einer Beweisaufnahme zu diesem Punkt angreift, kommt es somit nicht an.

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht allerdings den hilfsweise vom Kläger gestellten Feststellungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen. Der Kläger hat gem. § 256 ZPO ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Die Frage, ob das dem Kläger seinerzeit gewährte Arbeitgeberdarlehen auf die Beklagte über- und dann untergegangen ist, ist für die Rechtsbeziehungen der Parteien von Bedeutung. Zwar beruft sich die Beklagte derzeit nicht darauf, Inhaberin einer Darlehensforderung gegenüber dem Kläger zu sein. Es macht jedoch tatsächlich und rechtlich einen erheblichen Unterschied, ob eine solche Forderung endgültig untergegangen ist oder nicht. Anderenfalls stünde sie nämlich als Möglichkeit weiterhin im Raum. Das gilt vor allem im Hinblick darauf, daß die Beklagte in der Vergangenheit den Darlehensvertrag gegenüber dem Kläger angewendet und Einkommensbestandteile einbehalten hat. Dadurch hat sie Unklarheiten gesetzt, die nunmehr auch ihr gegenüber geklärt werden können. Zudem vertritt sie im derzeitigen Verfahren die Ansicht, der Ausgleich aller gegenseitigen Ansprüche in Ziff. 9 der Vereinbarung vom 7. November 1995 erfasse die Darlehensforderung nicht. Daraus folgt das Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung.

3. Über die Begründetheit des Feststellungsantrags kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Zur Frage, ob die Darlehensforderung gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen und durch den Ausgleich vom 7. November 1995 erloschen ist, bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Diese sind vom Landesarbeitsgericht nachzuholen.

a) Zunächst wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob im Jahre 1994 ein Betriebsübergang von der WPS auf die Beklagte stattfand. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts übernahm die Beklagte die Rechte am Vertrieb der Computerprogramme sowie die Sachmittel der WPS und die Vertriebsmitarbeiter. Danach dürfte ein Betriebsübergang von der WPS auf die Beklagte anzunehmen sein, weil die Identität der wirtschaftlichen Einheit i.S.d. Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts gewahrt wurde (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C -13/95 – EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie NR. 77/187 [Ayse Süzen]; vgl. Senatsurteil vom 24. April 1997 – 8 AZR 848/94 – n.v., zu II 2 b der Gründe, Senatsurteil vom 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613 a BGB). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

b) Das Landesarbeitsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob die Darlehensrückzahlungsforderung der WPS gegen den Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 27. Mai 1991 mit dem Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen ist. Nach dieser Vorschrift tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Ein Arbeitgeberdarlehen kann danach auf den Betriebserwerber übergehen, wenn das Darlehen zu den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gehört. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Darlehen als Lohn- oder Gehaltsvorschuß gegeben hat. Haben die Arbeitsvertragsparteien jedoch neben dem Arbeitsvertrag einen vom Arbeitsverhältnis unabhängigen, eigenständigen Darlehensvertrag geschlossen, wird dieser durch den Betriebsübergang nicht berührt. Ob das dem Kläger von der WPS im Jahre 1991 gewährte Darlehen zum Arbeitsverhältnis gehört oder eigenständig ist, hat das Landesarbeitsgericht durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände der Gewährung des „Arbeitgeberdarlehens” zu entscheiden.

c) War danach die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens aufgrund des Betriebsübergangs von der WPS auf die Beklagte übergegangen, so ist zu prüfen, ob die Darlehensforderung durch den Ausgleich nach Ziff. 9 der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung vom 7. November 1995 erloschen ist. Nach dieser Regelung sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien, soweit sie in der Vereinbarung nicht vorbehalten sind, gleich aus welchem Rechtsgrunde, ausgeglichen. Da die Darlehensforderung in der Vereinbarung nicht als vorbehaltene Forderung erwähnt wird, wird sie von dem Ausgleich erfaßt, wenn sie unter die „gegenseitigen Ansprüche” fällt. Dies wäre der Fall, wenn die Beklagte zu diesem Zeitpunkt Inhaberin der Darlehensforderung war. Dazu sind etwaige Vereinbarungen der WPS mit der Beklagten über die Darlehensforderung zu überprüfen. Der Umstand, daß die Beklagte die Darlehensraten und die Zinsen beim Kläger einzog, ist für die Frage, wer Forderungsgläubiger war, nicht entscheidend. Hatte die Beklagte nämlich nur das Recht, für die WPS treuhänderisch die Darlehensraten und Zinsen durch Verrechnung mit den Gehaltsansprüchen des Klägers einzuziehen, so wäre die WPS Darlehensgläubigerin geblieben. Zur Beurteilung, ob die Beklagte Rechtsinhaberin oder Treuhänderin war, könnte es von Bedeutung sein, ob sie die vom Gehalt des Klägers einbehaltenen Darlehensraten und Zinsen an die WPS abführte oder nicht.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Morsch, Lorenz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254614

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