Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzschutz für einen Gesellschafter/Geschäftsführer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versorgungsansprüche eines Geschäftsführers und Minderheitsgesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sind jedenfalls dann nach § 1 Abs. 1, § 7, § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG insolvenzgeschützt, wenn der Geschäftsführer und Gesellschafter bei der Führung des Unternehmens keine rechtliche Möglichkeit zu beherrschendem Einfluß hatte.

2. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn dem Versorgungsberechtigten während seiner Tätigkeit für das Unternehmen ein Mehrheitsgesellschafter gegenüberstand. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG bezieht auch die Minderheitsgesellschafter in den Geltungsbereich des Gesetzes ein, denen ein anderer Minderheitsgesellschafter gegenübersteht, der aber aufgrund einer Stimmrechtsverteilungsregelung im Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen auf sich vereint (Abgrenzung zu BGHZ 108, 330).

 

Normenkette

BetrAVG § 17 Abs. 1 S. 2, § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 18.10.1995; Aktenzeichen 7 Sa 252/95)

ArbG Köln (Urteil vom 29.09.1994; Aktenzeichen 14 Ca 2252/92)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 18. Oktober 1995 – 7 Sa 252/95 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Einstandspflicht des Beklagten für eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung. Die Klägerin ist die Witwe des am 18. Mai 1992 verstorbenen Herrn K. K.

Herr K. K. war in der Zeit zwischen dem 19. April 1949 und dem 18. Dezember 1985 für die K. GmbH in C. tätig. In der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1954 hielt er sich in den USA auf. Der dienstliche Charakter dieser Reise ist zwischen den Parteien umstritten.

Herr K. K. war seit dem Jahre 1968 an der K. GmbH beteiligt. Am 3. Februar 1968 war sein Vater als alleiniger Geschäftsführer zurückgetreten. Gleichzeitig waren die Söhne K. und B. K. zu Geschäftsführern und H. K. jun. zum Hauptgeschäftsführer bestellt worden. Der Hauptgeschäftsführer erhielt gegenüber den Mitgeschäftsführern ein Weisungsrecht. Gleichzeitig waren die Söhne an dem damals 500.000,00 DM betragenden Stammkapital der Gesellschaft beteiligt worden. Ihre Anteile betrugen jeweils 7.000,00 DM. 458.000,00 DM hielt der Vater, Herr H. K. sen.

Am 25. September 1972 starb Herr H. K. sen. Wie testamentarisch festgelegt, erbten die Söhne zu gleichen Teilen die Geschäftsanteile des Vaters. Das Stammkapital wurde auf 2.000.000,00 DM aufgestockt. Die Anteile von H. K. jun., K. K. und B. K. betrugen jeweils 632.000,00 DM. Der Gesellschaftsvertrag wurde entsprechend geändert. In diesem Zusammenhang regelten die Gesellschafter auch die Stimmrechtsverteilung neu:

„Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 100,00 DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme; je 100,00 DM der Geschäftsanteile des Gesellschafters H. K. dagegen gewähren während der Dauer seiner Zugehörigkeit zur Geschäftsführung drei Stimmen.”

Am 3. Juli 1985 wurde Herr K. K. als Geschäftsführer abberufen. Sein Dienstverhältnis wurde fristlos gekündigt. In seiner Sitzung vom 9. August 1985 hob der Beirat im Einvernehmen mit Herrn K. K. die Kündigung wieder auf. Im Protokoll der Beiratssitzung vom 9. August 1985 heißt es weiter:

„Der Beirat unterbreitet folgende Vorschläge:

  1. Die Bezüge der Herren H. K. und K. K. sollen monatlich betragen:

    bei Herrn H. K. DM 6.000,00

    brutto,

    bei Herrn K. K. DM 5.000,00 brutto.

  2. Herr B. K. erhält mit Rücksicht auf seine Berufsunfähigkeit eine Pension, die 50 % der Rente beträgt, die ihm aufgrund des Pensionsvertrages zusteht.
  3. Die Regelungen zu Ziffern 1. und 2. gelten bis auf weiteres. Im übrigen bleiben die Anstellungs- und Pensionsverträge der genannten Herren unberührt.
  4. Die Herren H. K. und K. K. stellen sich der Geschäftsführung beratend zur Verfügung.”

Herr K. K. war in den Folgemonaten weiter für die K. GmbH tätig, bis am 19. Dezember 1985 ein Konkursantrag über das Vermögen der GmbH mangels Masse zurückgewiesen wurde.

Eine Versorgungszusage über monatlich 80 % der letzten Bezüge hatte Herr K. K. am 24. Juni 1965 erhalten. Am 12. Januar 1973 war die versprochene Versorgung auf 75 % des letzten Festgehaltes abgesenkt worden. Eine weitere Änderung dieser Regelung erfolgte am 16. August 1982. Die Versorgungszusage enthielt nunmehr u.a. die folgenden Regelungen:

„§ 1 Pension für Alter und Berufsunfähigkeit

(1) Scheiden Sie nach dem vollendeten 65. Lebensjahr oder infolge Berufsunfähigkeit vor Erreichen dieses Alters aus unseren Diensten aus, erhalten Sie von uns lebenslänglich eine monatliche Pension.

2) Die Pension für das Alter beträgt monatlich DM 6. 175,00 brutto.

3) Die Höhe der Pension für die Berufsunfähigkeit ergibt sich aus der Pension für das Alter (Abs. 1), wobei für jedes volle Dienstjahr, das Ihnen beim Ausscheiden aus unseren Diensten noch an der Vollendung des 65. Lebensjahres fehlt, um 0,5 v.H. ihres Wertes gekürzt wird.

§ 2 Pension für die Witwe

(1) Bei Ihrem Ableben erhält Ihre Ehefrau lebenslänglich eine monatliche Witwenpension

(2) Die Witwenpension beträgt 60 v.H. derjenigen Pension, auf die Sie bei Ihrem Ableben Anspruch oder Anwartschaft hatten, wobei die Kürzungsvorschrift des § 1 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden ist.

§ 5 Wertsicherungsklausel

(1) Sollte sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Preisindex für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Haushalten von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen gegenüber dem Stand vom 31. Dezember 1980 um mehr als fünf Punkte verändern, verändert sich jeweils die Versorgungsleistung in dem gleichen Verhältnis.

Die Wertsicherungsklausel wurde am 31. Juli 1992 von der Landeszentralbank Niedersachsen genehmigt.

Im Hinblick auf eine in Aussicht genommene Veräußerung der K. GmbH vereinbarten die Herren H. K. jun., K. und B. K. am 10. Oktober 1985 u.a. deutlich reduzierte Versorgungsleistungen. Im notariellen Vertrag heißt es:

„c)

cc) Es besteht Einigkeit, daß die Versorgungsleistungen aus den Pensionsverträgen unter Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel per 31. Dezember 1984 bei 100 % sich auf folgende Beträge errechnet:

  • für K. K. 7.232,00 DM/Monat,
  • für B. K. 7.2 32,00 DM/Monat,
  • für H. K. 9.010,00 DM/Monat.

Die Herren K., B. und H.

K. vereinbaren mit der K. GmbH eine Herabsetzung ihrer Pensionsansprüche um jeweils 50 %. Deswegen verringert sich auch die Basis für alle sonstigen Versorgungsleistungen (Witwen- und Waisenrenten).

j) Diese Vereinbarung wird unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen, daß der Vertrag der Erwerber mit den Banken vom 14. September 1985 endgültig wirksam wird (s. Buchstabe b) Ziff. 3 dieses Vertrages). Sofort nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung soll die Abtretung der Geschäftsanteile beurkundet werden …”

Die beabsichtigte Unternehmensveräußerung kam nicht zustande.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe eine insolvenzgeschützte Witwenrente nach Maßgabe der Versorgungsregelung vom 16. August 1982 zu. Maßgebliche Beschäftigungszeit sei die Zeit vom 19. April 1949 bis 18. Dezember 1985. Zwischen den Parteien ist im Laufe des Rechtsstreits unstreitig geworden, daß der Klägerin hiernach eine Witwenrente in Höhe von 3.511,76 DM monatlich zustehen würde.

Das Arbeitsverhältnis ihres Ehemannes ist nach Ansicht der Klägerin nicht für die Dauer seines USA-Aufenthalts vom 1. Januar 1954 bis 31. Juli 1954 unterbrochen gewesen. Herr K. K. habe in den USA Reklamationen bearbeitet, Kundenkontakte intensiviert und im Interesse der K. GmbH seine Sprachkenntnisse verbessert. Auch der Zeitraum ab dem 25. September 1972 sei gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG berücksichtigungsfähig. Jedenfalls wegen der Stimmrechtsverhältnisse sei Herr K. K. nicht als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.

Es habe auch keine einvernehmliche Reduzierung der Versorgungsleistungen gegeben. Weder in der Beiratssitzung vom 9. August 1985 noch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Unternehmensveräußerung vom 10. Oktober 1985 sei es zu weiteren Änderungen der Versorgungszusage gekommen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.023,52 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Juli 1992 rückständige Betriebsrenten für Mai und Juni 1992 zu zahlen,
  2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, zukünftig, beginnend ab dem 31. Juli 1992, am Letzten eines jeden Monats 3.511,76 DM an sie zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis des Herrn K K. sei in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1954 unterbrochen gewesen. Er hat weiter die Ansicht vertreten, Herr K. K. sei seit dem Tode seines Vaters und früheren Mehrheitsgesellschafters betriebsrentenrechtlich als Unternehmer i.S.d. § 17 BetrAVG zu behandeln. Für die Beantwortung der Frage, ob ein insolvenzgesicherter Versorgungsanspruch entstanden sei, sei daher nur der Zeitraum vom 1. August 1954 bis 25. September 1972 zugrundezulegen. Danach komme eine Insolvenzsicherung nicht in Betracht.

Zumindest müsse ein Versorgungsanspruch der Klägerin entsprechend dem Protokoll der Beiratssitzung vom 9. August 1985 sowie der Vereinbarung vom 10. Oktober 1985 berechnet werden. Die am 9. August 1985 vereinbarte deutliche Vergütungsreduzierung habe eine entsprechende Minderung der Versorgungszusage zur Folge. Hinsichtlich der Vereinbarung vom 10. Oktober 1985 müsse gelten, daß derjenige, der im Falle der Sanierung seines Dienstgebers mit der Reduzierung von Ansprüchen einverstanden sei, sich daran auch festhalten lassen müsse, wenn die Sanierung mißlinge.

Das Arbeitsgericht hat eine Einstandspflicht des Beklagten für eine monatliche Witwenrente i.H.v. 3.511,76 DM bejaht und die in erster Instanz noch von einem höheren Anspruch ausgehende Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente zu Recht zuerkannt. Der Beklagte muß für die vom verstorbenen Ehemann der Klägerin in der Zeit zwischen dem 19. April 1949 und dem 18. Dezember 1985 bei der K. GmbH erdiente Witwenversorgung einstehen. Sie ist anhand der Versorgungszusage vom 16. August 1982 zu berechnen und beläuft sich auf monatlich 3.511,76 DM.

I. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat bei der K. GmbH eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare und nach § 7 Abs. 2 BetrAVG insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft erworben. Er hat dort zwischen dem 19. April 1949 und dem 18. Dezember 1985 eine ununterbrochene und in den Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes fallende Beschäftigungszeit zurückgelegt.

1. Die Beschäftigungszeit des Herrn K. K. war während dessen Aufenthalts in den USA vom 1. Januar bis 31. Juli 1954 nicht unterbrochen. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der vom Arbeitsgericht durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme festgestellt. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen des Beklagten sind nicht begründet.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten haben die Vorinstanzen die von der Klägerin in diesem Zusammenhang zu tragende Beweislast nicht verkannt. Sie haben den Bestand des Arbeitsverhältnisses des Herrn K. K. im fraglichen Zeitraum ausdrücklich positiv festgestellt und nicht nur ermittelt, ob eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bewiesen ist.

b) Das Landesarbeitsgericht hat die vor dem Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme auch hinreichend gewürdigt. Es hat sich deutlich erkennbar das Beweisergebnis erster Instanz und dessen Bewertungen durch das Arbeitsgericht zu eigen gemacht und in der Sache bestätigt. Dies genügt den an eine Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen. Es ist erkennbar, daß durch das würdigende Gericht eine der Sachlage entsprechende Beurteilung stattgefunden hat (BGH Urteil vom 11. Februar 1987 – IV b ZR 23/86 – NJW 1987, 1557, 1558; BGH Urteil vom 17. September 1991 – XI ZR 256/90 – NJW 1992, 112, 113; Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 286 Rz 21).

c) Der Beklagte hält dem Landesarbeitsgericht auch zu Unrecht vor, es habe die unterbliebene Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für den umstrittenen Zeitraum unberücksichtigt gelassen. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Punkt ausdrücklich angesprochen und zu Recht darauf hingewiesen, daß die Nichtzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen auch andere Gründe als die Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses haben könnte. Im übrigen hat es aber darauf abgestellt, daß nach der Bestätigung der Deutschen Angestellten Krankenkasse vom 14. August 1992 durchgehend Beiträge entrichtet worden sind.

d) Der Beklagte rügt schließlich auch zu Unrecht, die erstinstanzlich vernommenen Zeugen hätten im wesentlichen nur Rechtsmeinungen wiedergegeben. Von den Gerichten zu würdigende Tatsachenbekundungen seien nicht erfolgt. Zwar sind nach § 286 Abs. 1 ZPO allein Tatsachenbehauptungen Gegenstand richterlicher Beweiswürdigung. Jedoch können, je nach dem konkreten Beweisthema, derartige Tatsachenbekundungen auch in „juristisch gefärbter Einkleidung” (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 284 Rz 14) erfolgen. Insbesondere die Aussagen der Zeugen S. und G. enthalten neben reinen Tatsachenbekundungen auch solche juristisch eingefärbte Stellungnahmen. Durch ihre eher juristisch eingekleidete Bekundung, das Arbeitsverhältnis des Herrn K. K. sei nicht unterbrochen gewesen, haben die Zeugen erkennbar zum Ausdruck bringen wollen, daß es aus ihrer Sicht keine Anhaltspunkte für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag gegeben habe. Nimmt man hinzu, daß es bei den Aussagen um Geschehnisse ging, die annähernd 40 Jahre zurücklagen, so ist die vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommene erstinstanzliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht hat den Tatsachenkern der Aussagen zur Grundlage der eigenen Beurteilung gemacht. Soweit diese tatrichterliche Würdigung im Hinblick auf § 561 ZPO revisionsrechtlich überprüft werden kann, ist sie nicht zu beanstanden.

2. Das Landesarbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschäftigungszeiten des Herrn K. K. vom 25. September 1972 bis zum 18. Dezember 1985 i.S. des § 1 Abs. 1 BetrAVG anwartschaftsbegründend waren. Zwar war Herr K. K. in dieser Zeit nicht mehr Arbeitnehmer der K. GmbH. Seine Tätigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer unterfällt jedoch nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG dem Geltungsbereich der §§ 1 ff. BetrAVG.

a) Das BetrAVG gilt in erster Linie für Arbeitnehmer. Es ist ein Arbeitnehmerschutzgesetz (BGH Urteil vom 28. April 1980 – II ZR 254/78 – BGHZ 77, 94 = AP Nr. 1 zu § 17 BetrAVG; BGH Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 29/90 – NJW-RR 1991, 746; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., Stand Juni 1993, § 17 Rz 3709; Neef, BB 1978, 314, 315; Moll, ZIP 1980, 422, 424; Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 1, 3 f.). Seine Regelungen sollen Arbeitnehmer vor den nachteiligen Folgen für den Umfang und die Bestandskraft der ihnen erteilten Versorgungsversprechen bewahren, die aufgrund von Entscheidungen der Leitungsorgane des Unternehmens eintreten können.

b) § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG erweitert den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes auf solche Personen, die zwar nicht Arbeitnehmer sind, aber ebenfalls Versorgungszusagen aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein – fremdes (BAG Urteil vom 21. August 1990 – 3 AZR 429/89 – BAGE 66, 1, 5 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit, zu B II 1 der Gründe; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rz 98) – Unternehmen erhalten haben. Der diesen Ausgangspunkt vernachlässigende Lösungsansatz von Arteaga (Insolvenzschutz der betrieblichen Altersversorgung mitarbeitender Gesellschafter, 1995; ders. ZIP 1996, 2008, 2011 f.) ist deshalb abzulehnen.

Andererseits ordnet § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG dem Geltungsbereich des Gesetzes nur Personen zu, die nicht selbst Unternehmer sind, sondern für ein fremdes Unternehmen tätig werden. Das Gesetz schützt Betriebs- nicht Unternehmerrenten vor Verfall und Insolvenz. Diesen Schutz durch die Versichertengemeinschaft kann sich ein Unternehmer nicht dadurch verschaffen, daß er sich selbst eine Versorgungszusage erteilt (BAG Urteil vom 21. August 1990 – 3 AZR 429/89 – BAGE 66, 1, 5 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit, zu B II 1 der Gründe).

§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG will damit nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung tragen, daß vielfach auch Mitglieder von Gesellschaftsorganen und Selbständige aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen betriebliche Versorgungszusagen erhalten, auf deren inhaltliche Ausgestaltung sie wie Arbeitnehmer wegen der regelmäßig stärkeren Position ihres Vertragspartners keinen oder nur geringen Einfluß nehmen können (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rz 51; Jansen, Der persönliche und zeitliche Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes, 1988, S. 43 ff.; Wiedemann/Moll, RdA 1977, 13, 21; Paulsdorff, GmbHRdsch 1977, 241, 242; Neef, BB 1978, 314, 315). Auch dieser Personenkreis ist zur Wahrung seines bisherigen Lebensstandards häufig auf die betriebliche Versorgung angewiesen. Er soll daher in gleicher Weise wie Arbeitnehmer durch die Vorschriften der §§ 1 bis 16 BetrAVG geschützt werden (BT-Drucks. 7/1281, S. 30).

c) Wie groß der Einfluß einer Person auf das Unternehmen ist, das ihm die Versorgungszusage erteilt hat, läßt sich daraus ablesen, in welchem Umfang sie dort als Inhaber beteiligt ist und auf die unternehmerische Willensbildung einwirken kann.

aa) Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof Gesellschafter von juristischen Personen, die ihnen eine Versorgungszusage erteilt hatten, in den Schutz des Betriebsrentengesetzes einbezogen, wenn sie aufgrund einer unter 50 % liegenden Gesellschaftsbeteiligung nach Vermögen und Einfluß noch nicht so stark mit dem Unternehmen verbunden waren, daß sie es als ihr eigenes betrachten konnten (BGH Urteil vom 28. April 1980 – II ZR 254/78 – BGHZ 77, 94, 101 ff. = AP Nr. 1 zu § 17 BetrAVG, zu III 6 und 7 der Gründe; ebenso auch BAG Urteil vom 21. August 1990 – 3 AZR 429/89 – BAGE 66, 1, 5 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit, zu B II 1 der Gründe, m.z.w.N.).

bb) Anders ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn ein Vorstandsmitglied, das selbst nur über eine Minderheitsbeteiligung verfügt, gleichzeitig über einen Aktienbindungsvertrag insgesamt mehr als 50 % der Aktien eines Unternehmens repräsentiert. Es übt maßgeblichen Einfluß im Unternehmen aus und ist daher einem Unternehmer gleichzustellen (BGH Urteil vom 14. Juli 1980 – II ZR 224/79 – AP Nr. 3 zu § 17 BetrAVG).

§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG soll darüber hinaus auch dann unanwendbar sein, wenn dem Minderheitsgesellschafter nicht ein Mehrheitsgesellschafter, sondern ein oder mehrere weitere Minderheitsgesellschafter gegenüberstehen. Hier sei jedenfalls dann von einer unternehmergleichen Stellung des Minderheitsgesellschafters auszugehen, wenn er mehr als nur unwesentlich an der Gesellschaft beteiligt sei (BGH Urteil vom 9. Juni 1980 – II ZR 255/78 – BGHZ 77, 233 = AP Nr. 2 zu § 17 BetrAVG; Urteil vom 25. September 1989 – II ZR 259/88 – BGHZ 108, 330 = AP Nr. 19 zu § 17 BetrAVG). Mehrere jeweils minderheitlich beteiligte Gesellschafter, die gemeinsam die Anteilsmehrheit halten, sind bei einem gemeinsamen Vorgehen kraft ihrer Stimmenmehrheit in der Lage, die Entscheidungen in der Gesellschaft unter Ausschluß anderer Gesellschafter zu treffen. Jeder von ihnen soll deshalb nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG als Unternehmer behandelt werden.

cc) Der Senat kann unentschieden lassen, ob er für die zuletzt beschriebene Fallgestaltung der Auffassung des Bundesgerichtshofs folgen kann. Daß die theoretische Möglichkeit besteht, zusammen mit anderen Gesellschaftern eine Gesellschaft zu beherrschen, besagt weder, daß dies so sein muß, noch, daß es typischerweise so ist.

Im vorliegenden Fall war Herr K. K. indes auch auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Zeit zwischen 1972 und 1985 in der K. GmbH nicht als Unternehmer tätig, sondern zählt zu den in § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG genannten Personen. Die drei Brüder K. hielten zwar jeweils nur ein Drittel der Gesellschaftsanteile. Aufgrund seiner im Gesellschaftsvertrag festgelegten Stimmenmehrheit von 60 % übte Herr H. K. jun. jedoch den maßgebenden Einfluß auf die Führung des Unternehmens aus. Die Situation war damit bei der späteren Gemeinschuldnerin ebenso wie in dem Fall, in dem die Anteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Hand eines Mehrheitsgesellschafters und einem oder mehreren Minderheitsgesellschaftern liegen. In einem solchen Fall sind die Minderheitsgesellschafter in den Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes einbezogen (vgl. BGH Urteil vom 25. September 1989 – II ZR 259/88 – BGHZ 108, 330 = AP Nr. 19 zu § 17 BetrAVG).

3. Damit hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der K. GmbH im Jahre 1985 eine insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft erdient, für die der Beklagte nach § 7 Abs. 2 BetrAVG einstehen muß. Herr K. K. war über 36 Jahre i.S. von § 1 Abs. 1 BetrAVG für die spätere Gemeinschuldnerin tätig, davon mehr als 20 Jahre unter der Geltung einer Versorgungszusage. Seine insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft umfaßte auch einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, der nunmehr der Klägerin zusteht.

II. Der Anspruch der Klägerin auf Witwenversorgung richtet sich nach der Herrn K. K. erteilten Versorgungszusage in der Fassung vom 16. August 1982. Hieraus ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 3.511,76 DM.

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist diese Versorgungszusage in der Beiratssitzung vom 9. August 1985 nicht eingeschränkt worden. Dort sind zwar die aktuellen Bezüge der Geschäftsführer H. K. jun. und K. K. und die Betriebsrentenzahlungen an den nicht mehr aktiv tätigen Geschäftsführer B. K. deutlich abgesenkt worden. Nr. 3 des Protokolls der Beiratssitzung vermerkt jedoch ausdrücklich, daß die Anstellungs- und Pensionsvereinbarungen im übrigen unberührt bleiben. Damit haben die Beschlüsse der Beiratssitzung vom 9. August 1985 an den bereits zuvor von den Aktivenbezügen abgekoppelten Versorgungszusagen gegenüber den Herren H. und K. K. nichts geändert. Dieser Regelungsinhalt entspricht auch der Interessenlage der Beteiligten im August 1985. Hintergrund der Kürzungsmaßnahmen waren akute Finanzschwierigkeiten der Gesellschaft, denen durch die Absenkung der aktuellen Bezüge Rechnung getragen werden sollte. Hierdurch sollte das Unternehmen saniert werden. Es sollte in die Lage versetzt werden, die ohnehin erst in mehreren Jahren fällig werdenden Versorgungsansprüche der Herren H. und K. K. zu erfüllen.

2. Auch durch die Vereinbarung vom 10. Oktober 1985 hat sich nichts an der Versorgungszusage des Herrn K. K. geändert. Die in Buchst. j) vereinbarte aufschiebende Bedingung für die dort getroffene Vereinbarung ist nicht eingetreten. Der geplante Erwerb der K. GmbH fand nicht statt. Damit ist auch die Abänderungsvereinbarung nicht in Kraft getreten. Entgegen der Auffassung des Beklagten gibt es keinen Rechtsgrund dafür, die früheren Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und ihre Hinterbliebenen an einem von den Beteiligten beabsichtigten Sanierungsopfer festzuhalten, das nur im Hinblick auf eine dann nicht zustande gekommene Sanierung in Aussicht gestellt worden ist.

3. Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß die Anwendung der Herrn K K erteilten Versorgungszusage in der Fassung vom 16. August 1982 für die Klägerin zu einem Anspruch auf eine Witwenrente in Höhe von 3.511,76 DM monatlich ab Mai 1992 führt. Der Beklagte muß für diese Witwenrente einstehen.

 

Unterschriften

Dr. Heither Richter Kremhelmer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert, Bepler, Dr. Heither Schoden, Reissner

 

Fundstellen

Haufe-Index 714116

NJW 1998, 3518

FA 1998, 21

FA 1998, 54

KTS 1998, 288

NZA 1998, 101

NZG 1998, 188

RdA 1998, 57

ZIP 1997, 2131

GmbHR 1998, 84

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