Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Arbeitszeit. Arbeitsstelle im Krankenhaus

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs 7 BAT ist die räumliche Einheit eines Betriebs bzw einer Dienststelle (Bestätigung des Beschlusses vom 29. April 1982 - 6 ABR 54/79 = AP Nr 4 zu § 15 BAT).

2. Das Gebäude, in dem sich der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers befindet, ist dann die räumliche Einheit, wenn der Betrieb oder die Dienststelle aus einem Gebäude besteht.

3. Betriebsteile und Teile von Dienststellen sind dann Arbeitsstelle, wenn sie in einem selbständigen Gebäude untergebracht sind, das nicht mit anderen Gebäuden des Betriebs bzw der Dienststelle verbunden ist.

4. Besteht der Betrieb bzw die Dienststelle oder deren Teil auf einem abgeschlossenen, umfriedeten Gelände, so stellt dieses die räumliche Einheit und damit die Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs 7 BAT dar. Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer beginnt in diesem Fall mit dem Betreten des Geländes durch einen dafür bestimmten Eingang und endet mit dem Verlassen des Geländes durch den Eingang.

 

Normenkette

BAT § 15 Abs. 7

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 04.06.1986; Aktenzeichen 6 Sa 1068/85)

ArbG München (Entscheidung vom 03.06.1985; Aktenzeichen 9 Ca 12757/84)

ArbG München (Entscheidung vom 03.06.1985; Aktenzeichen 9 Ca 12758/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Beginn der täglichen Arbeitszeit der Kläger.

Der Kläger zu 1) ist als Krankenpfleger, die Klägerin zu 2) als Krankenschwester im Städtischen Krankenhaus S der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag kraft Tarifbindung Anwendung. Das Krankenhaus S besteht aus mehreren Gebäuden, die sich auf einem eingefriedeten Gelände befinden, das von den Mitarbeitern durch eine Pforte am K Platz oder an der I straße betreten wird. Nachdem die Kläger die Pforte passiert haben, wechseln sie in einem Umkleideraum zunächst die Kleidung und begeben sich danach zu ihrem Arbeitsplatz in ihrer jeweiligen Station. Nach den Dienstplänen beginnt die tägliche Arbeitszeit mit dem Betreten der Station und endet mit deren Verlassen. Die Beklagte rechnet die Wegezeit von der Pforte zur Station und zurück nicht in die Arbeitszeit ein.

Die Kläger haben gemeint, ihre Arbeitszeit beginne mit dem Betreten des Geländes durch eine der Pforten. Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT sei der gesamte Bereich des Städtischen Krankenhauses S in M. Wenn die Tarifvertragsparteien die Arbeitsstelle im Sinne einer Anbindung an ein Gebäude hätten definieren wollen, hätten sie statt der Dienststelle den Begriff "Dienstgebäude" verwenden können.

Die Kläger haben beantragt festzustellen,

daß die tägliche Arbeitszeit des Klägers/der Klägerin

mit Betreten des Krankenhausgeländes des Krankenhauses

S durch die Pforte Eingang I straße bzw.

die Pforte Eingang K Platz beginnt und mit dem

Verlassen des Geländes durch die Pforte endet.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Arbeitsstelle der Kläger sei ihre jeweilige Station, wo sie ihre Arbeitsleistung schuldeten. Die Zeit bis zum Betreten der Station sei nichtvergütungspflichtige Wegezeit.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen auf die Berufungen der Beklagten abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr ursprüngliches Klageziel weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die tägliche Arbeitszeit der Kläger beginne nicht schon mit dem Betreten des Krankenhausgeländes an einer der Pforten. Denn das Gelände sei nicht als Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT anzusehen. Der gegenteiligen Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 29. April 1982 - 6 ABR 54/79 - könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil seine Definition die Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT nur unvollständig übernehme. Nach der Wortauslegung der Protokollnotiz könne die Dienststelle oder der Betrieb zwar Arbeitsstelle im tariflichen Sinn sein, müsse es aber nicht. Durch die Verwendung der Abkürzung "z.B." werde deutlich, daß es sich bei den nachfolgenden Aufzählungen nicht um eine erschöpfende Erläuterung, sondern um Beispielsfälle handele. Eine Regelung, wonach die Arbeitsstelle die räumliche Einheit eines Betriebes bzw. einer Dienststelle sei, werde diesem Beispielscharakter der Protokollnotiz nicht gerecht. Die Tarifvertragsparteien seien vielmehr davon ausgegangen, nicht nur Dienststellen und Betriebe, sondern auch andere räumliche Einheiten könnten Arbeitsstellen im Tarifsinne sein. Der tarifliche Gesamtzusammenhang stehe dem nicht entgegen. § 15 Abs. 7 BAT enthalte seinerseits eine Definition, die in der Protokollnotiz näher erläutert werde. Aus der Gegenüberstellung der Arbeitsstelle zum Arbeitsplatz in der Protokollnotiz lasse sich nichts anderes herleiten. Es biete sich geradezu an, unter der Arbeitsstelle ein Gebäude zu verstehen, in dem gewöhnlich viele Arbeitsplätze untergebracht seien, wenn die Tarifvertragsparteien den Begriff der Arbeitsstelle weiter gefaßt sehen wollten als den Begriff des Arbeitsplatzes. Eine Regel, wonach die Arbeitsstelle normalerweise das Gebäude sei, in dem sich der Arbeitsplatz befinde, solle damit nicht aufgestellt werden. Es sei vielmehr stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen. Ein anderes Verständnis des Begriffs der Arbeitsstelle im vorliegenden Fall habe beachtliche Folgen. Wenn bereits beim Durchschreiten einer der Pforten des Krankenhauses S die Arbeitszeit beginne, sei eine einheitliche Tätigkeitsaufnahme auf der Krankenstation nicht mehr gewährleistet. Je nach Geschwindigkeit und Pfortenwahl könnten individuell erheblich unterschiedliche Anfangszeiten für die tatsächliche Tätigkeit entstehen. Einheitliche Arbeitsabläufe bei Dienstübergabe und Frühbesprechungen wären kaum noch möglich. Schichtpläne seien kaum praktikabel. Das Problem verschärfe sich durch Mitarbeiter, die mit ihrem PKW oder einem Fahrrad den Eingang I straße passierten und entsprechend schneller als Fußgänger den Arbeitsplatz erreichten. Die Versorgungs- und Überwachungsfunktionen seien zumindest nur unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten bei der Organisation der Schichtdienste und doch verbleibenden Risiken für die Patienten zu verwirklichen. Im übrigen werde nach allgemeiner Meinung als Arbeitszeit die Zeitspanne verstanden, während der ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen müsse und der Arbeitgeber die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in Anspruch nehmen könne. Erst der räumliche Kontakt mit dem Arbeitsplatz setze die jeweilige Arbeitszeit der Kläger in Lauf und beende sie. Auf dem Weg von der Pforte zum Arbeitsplatz in der Station seien die Arbeitnehmer von Weisungen der Beklagten und ihrer Vorgesetzten noch nicht erreichbar und zur vertragsgemäßen Arbeitsleistung in der Regel weder verpflichtet noch in der Lage. Arbeitsstelle sei demnach der räumlich abgrenzbare Bereich, in dem die Dienstleistungen der Arbeitnehmer erbracht würden.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht beipflichten. Er verbleibt auch nach nochmaliger Überprüfung bei seiner im Beschluß vom 29. April 1982 (- 6 ABR 54/79 - AP Nr. 4 zu § 15 BAT = RdA 1982, 389 = BB 1983, 1280 = DB 1982, 2469 = ArbuR 1982, 292 = EzA § 2 AZO Nr. 1 = RiA 1982, 224) geäußerten Ansicht, daß die Arbeit mit dem Betreten eines Betriebsgeländes beginnt und mit dem Verlassen des Betriebsgeländes endet, wenn sich auf einem eingefriedeten Betriebsgelände mehrere Gebäude einer Dienststelle oder eines Betriebes befinden. Dementsprechend führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufungen der Beklagten.

1. Die Klagen sind zulässig.

Der Antrag der Kläger genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er beschreibt durch die Bezeichnung der Pforten an mit ihrem Namen genannten Straßen, wo die Kläger nach ihrer Auffassung die Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT betreten und verlassen. Damit wird zwar nicht festgelegt, wo die Kläger zu welcher Zeit ihren Dienst antreten müssen und wieviel Arbeitszeit ihnen zu vergüten ist, wie die Beklagte zutreffend ausführt. Diese Fragen sind aber auch nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern ergeben sich ggf. nach Beendigung dieses Rechtsstreits über die Feststellung eines Teilrechtsverhältnisses, wenn die Dienstpläne entsprechend der nachfolgenden Entscheidungsgründe überarbeitet und die individuellen Dienstzeiten konkret berechnet werden.

2. Die Klagen sind begründet.

Die Arbeit der Kläger beginnt mit dem Betreten und endet mit dem Verlassen des Betriebsgeländes Städtisches Krankenhaus S durch eine der im Antrag genannten Pforten.

a) Nach § 15 Abs. 7, 1. Halbsatz BAT beginnt und endet die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle. In der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT haben die Tarifvertragsparteien ausgeführt, der Begriff der Arbeitsstelle sei weiter als der Begriff des Arbeitsplatzes. Er umfasse z.B. die Dienststelle oder den Betrieb, während unter dem Arbeitsplatz der Platz zu verstehen sei, an dem der Angestellte tatsächlich arbeite. Unter Berücksichtigung dessen hat der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 29. April 1982, aaO, die Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT und § 15 Abs. 7 MTB II als die räumliche Einheit eines Betriebes bzw. einer Dienststelle verstanden. Aus Norm und Protokollnotiz lasse sich zunächst entnehmen, daß die Arbeitszeit nicht erst mit dem Betreten und Verlassen des Arbeitsplatzes beginne und ende. Denn der Begriff der Arbeitsstelle solle weiter als der Begriff des Arbeitsplatzes sein. Wenn die Protokollnotiz weiter davon ausgehe, daß der Begriff der Arbeitsstelle "z.B." die Dienststelle oder den Betrieb umfasse, soll es erkennbar auch nicht darauf ankommen, wann ein einzelnes Gebäude betreten oder verlassen werde, in dem sich der Arbeitsplatz befinde. In anderen Fällen sei eine Regelung über Wegezeiten innerhalb des Betriebsgeländes getroffen worden. Da eine entsprechende tarifliche Regelung hier nicht bestehe, sei davon auszugehen, daß in der Regel die räumliche Einheit des Betriebes die Arbeitsstelle sei. Wenn daher ein räumlich weit ausgedehnter Betrieb einen oder mehrere Zugänge besitze, beginne die Arbeitszeit beim Durchschreiten des für den Arbeitsplatz bestimmten Eingangs. Befänden sich auf einem eingefriedeten Betriebsgelände mehrere Gebäude, beginne die Arbeit mit dem Betreten und ende mit dem Verlassen des Betriebsgeländes. Das gelte auch dann, wenn ein großflächiger Betrieb (Dienststelle) auf einem Gelände mit räumlich und funktionell selbständigen Einrichtungen bestehe.

b) Die Tarifauslegung des Senats ist im Schrifttum auf erhebliche, weitgehend übereinstimmende Kritik gestoßen, der sich das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen seiner Begründung angeschlossen hat.

aa) So meint Clemens (Anm. zum Beschluß vom 29. April 1982 zu AP Nr. 4 zu § 15 BAT), der Begriff "Arbeitsstelle" sei enger als die Begriffe "Dienststelle" und "Betrieb". Die letzteren Begriffe fänden sich wiederholt in den Tarifbestimmungen für den öffentlichen Dienst, z.B. in § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT und in § 20 Abs. 3 Satz 2 BAT. Sie seien dort in dem in der Fachsprache geläufigen Sinn verwendet und kennzeichneten Behörden und Betriebe, die mit organisatorischer Selbständigkeit nach außen hin Verwaltungstätigkeit bzw. betriebliche Aufgaben ausübten. Mit "Arbeitsstelle" werde dagegen an den Teil der Dienststelle oder des Betriebes angeknüpft, an dem - räumlich gesehen - die Arbeit zu verrichten sei. Dies werde in vielen Fällen die Dienststelle oder der Betrieb selbst sein, wenn sie in ein und demselben Gebäude untergebracht seien. Wenn in der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT auf diesen häufig vorkommenden Fall beispielhaft hingewiesen werde, um so die äußersten Grenzen des Begriffs zu beschreiben, so kann dies nicht mit einer Definition des Begriffs selbst gleichgesetzt werden. Die Praxis zeige auch, daß mit der tariflichen Eingrenzung darauf Bedacht genommen sei, daß die ganz unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnisse in den vielfältigen Bereichen des öffentlichen Dienstes angemessen berücksichtigt werden könnten. Der Senat habe somit aus der Abkürzung "z.B." keine Folgerungen für die Anwendung in den denkbar vielfältigen Praxisfällen gezogen. Die Regelung der für die Bundeswehr typischen Besonderheiten in der Nr. 4 SR 2 e I lasse keinen Rückschluß auf den allgemeinen maßgebenden Begriff der "Arbeitsstelle" im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT oder entsprechender Bestimmungen zu (vgl. ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand April 1988, § 15 Rz 20 und Scheuring/Steingen/Banse, MTL II, Stand 30. Juni 1988, § 15 Rz 16).

bb) Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr (BAT, Stand Juli 1988, § 15 Rz 23) geben die Auffassung des Arbeitgeberkreises der BAT-Kommission wieder, die dem Senat vorhält, die Bedeutung der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT verkannt zu haben. Es gehe dort um die Aussage, daß der Begriff der Arbeitsstelle weiter sei als der des konkreten Arbeitsplatzes. Lediglich als Beispiel sei der Betrieb/die Dienststelle genannt, womit die Erweiterung gegenüber dem Arbeitsplatz für einen typischen Fall - räumlich zusammengefaßte Unterbringung der Mitarbeiter - auch zutreffend verdeutlicht werde. Die Ausdehnung dieses Beispiels auf räumlich ausgedehnte Betriebsgelände sei nicht mehr mit der Funktion der Protokollnotiz zu vereinbaren, eine sinnvolle Erweiterung gegenüber dem konkreten einzelnen Arbeitsplatz festzulegen. Sie sei auch mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbar, weil ein Beispielsfall zum faktisch ausschließlichen Tatbestand gemacht werde, und zwar für Fallgestaltungen, die sich vom Normalfall deutlich abhöben. Wäre die Auslegung des Senats richtig, hätte die Protokollnotiz einfach "Arbeitsstelle ist die Dienststelle oder der Betrieb" lauten müssen. Die Auslegung führe zudem zu von Zufälligkeiten abhängigen ungleichen Ergebnissen für die Beschäftigten. Es könne mit Fragen der Arbeitszeit auch nicht in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden, ob eine Dienststelle/ein Betrieb mit mehreren Gebäuden eingefriedet sei bzw. ob sich in der Einfriedung mehrere Zugänge zum Betriebsgelände befänden. Es sei daher festzuhalten, daß "Arbeitsstelle" je nach den Gegebenheiten auch Teile einer Dienststelle/eines Betriebes bzw. Außenstellen sein könnten. Dabei sei zu berücksichtigen, daß es vielfach erforderlich sei, die Arbeit an einer bestimmten Stelle zu übergeben. Bei räumlich ausgedehntem Betriebsgelände wäre unter Zugrundelegung der abgelehnten Auffassung die Kontinuität der Arbeit nicht gewährleistet. Versorgungs- und Überwachungsfunktionen, die ohne Unterbrechung aufrecht erhalten werden müßten, seien - z.B. in Krankenhäusern - in Frage gestellt (ebenso Behder, Beginn und Ende der Arbeitszeit, ZTR 1988, 171).

cc) Crisolli/Ramdohr (Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand Juli 1988, § 15 Anm. 50) halten die sehr weitgehende Auslegung des Senats für praxisfern, räumen allerdings ein, daß sich die Ansicht mühelos aus der Fassung der Protokollnotiz i.V. mit abweichenden Regelungen in einigen Sonderregelungen herleiten lasse.

c) Diese Stellungnahmen überzeugen den Senat ebensowenig wie die ergänzenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts. Er hält daher an seiner im Beschluß vom 29. April 1982, aaO, geäußerten Rechtsauffassung fest.

aa) Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 7 BAT und seiner Protokollnotiz wollten die Tarifvertragsparteien den Begriff der Arbeitsstelle den des Arbeitsplatzes nicht gleichsetzen. Dieser Ausgangswertung des Senats wird allseitig zugestimmt. Deshalb scheidet für den Beruf der Krankenschwester und des Krankenpflegers die Bestimmung ihres Arbeitsplatzes "Station" als Arbeitsstelle aus.

bb) Stattdessen gilt es, eine andere räumliche Grenze/räumliche Einheit als Arbeitsstelle zu bestimmen, die dem Wortlaut der Protokollnotiz zu Abs. 7 Satz 2, 1. Halbsatz, dem Sinn und Zweck des Tarifes, seinem Gesamtzusammenhang und ggf. seiner Geschichte und der tariflichen Übung gerecht wird. Nächste gegenüber anderen Einheiten abgrenzbare räumliche Einheit, die den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien entsprechen könnte, ist das Gebäude, in dem sich der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers befindet. Diese vom Schrifttum bevorzugte und als zwingend angesehene Bestimmung der Arbeitsstelle ist auch nach Auffassung des Senats dann zutreffend, wenn Dienststelle und Betrieb aus einem geschlossenen Gebäudekomplex bestehen. Sie wird der Formulierung im Satz 2, 1. Halbsatz der Protokollnotiz auch dann noch gerecht, wenn Betrieb und Dienststelle in mehreren verschiedenen, vielleicht sogar weit auseinanderliegenden selbständigen geschlossenen Gebäuden untergebracht sind. Als Beispiele mögen die in verschiedenen angemieteten Gebäuden untergebrachten Abteilungen eines großstädtischen Amtsgerichts oder eines kommunalen Ordnungsamtes dienen. Dann ist dieser Teil der einheitlichen Dienststelle "Amtsgericht" bzw. "Stadtverwaltung" die Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT. Mit diesen Überlegungen anhand gerichtsbekannter Unterbringung öffentlicher Verwaltungen erklärt sich zwanglos die Verwendung der Abkürzung "z.B.", die der Senat in seinem Beschluß vom 29. April 1982, aaO, durchaus nicht übersehen oder vernachlässigt hat. Sie besagt, daß in diesem Sinn auch Teile einer einheitlichen Dienststelle (Behörde) oder eines Betriebs als tarifliche Arbeitsstelle gemäß § 15 Abs. 7 BAT angesehen werden können.

cc) Die Bestimmung des Gebäudes, in dem sich der Arbeitsplatz der Arbeitnehmer befindet, als Arbeitsstelle im Sinne des § 15 Abs. 7 BAT ist bei einer Wortlautinterpretation dann nicht mehr zwingend, wenn die Dienststelle oder der Teil der Dienststelle in einem oder in mehreren, einander zugeordneten Häusern, die auf einem abgeschlossenen, umfriedeten Betriebsgelände zu finden sind, untergebracht ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Tarifvertragsparteien auch für diese Fallgestaltung das den Arbeitsplatz umschließende Gebäude genannt hätten. Der Rückgriff auf die Abkürzung "z.B." auch in diesem Zusammenhang ist denktheoretisch möglich, wie den Kritikern der Senatsentscheidung vom 29. April 1982 zugestanden wird, er wird aber dem Sinn und Zweck und dem tariflichen Gesamtzusammenhang nicht gerecht.

Die Tarifvertragsparteien haben mit der Trennung der Begriffe "Arbeitsplatz" und "Arbeitsstelle" in der Protokollnotiz geregelt, daß ein Teil der tariflich zu vergütenden Arbeitszeit Wegezeit darstellt, nämlich die Zeit von der Arbeitsstelle zum Arbeitsplatz. Diese Wegezeit mag in vielen Fällen zeitlich unbedeutend sein. Sie erfordert in großen Gebäudekomplexen mit langen Wegen auch bei einer eingebäudigen Dienststelle wie z.B. dem Bundesarbeitsgericht häufig einen Zeitraum von einigen Minuten bei Dienstbeginn und Dienstende, in dem der Arbeitgeber auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nicht zurückgreifen kann und der Arbeitnehmer die eigentliche Arbeitsleistung nicht erbringen kann, dennoch aber nach dem tariflichen System dafür Vergütung wie für seine Arbeit bekommt. Diese im Tarif angelegte Vergütungspflicht der öffentlichen Arbeitgeber für Wegezeit gilt auch bei längeren Wegen, wenn der Arbeitgeber - aus welchen Gründen auch immer - aufgrund seiner Organisationsbefugnis seine aus einem oder mehreren, nebeneinander liegenden Gebäuden bestehende Dienststelle mit einer Einfriedung umgibt und die Arbeitnehmer auf diese Weise zwingt, bestimmte Eingänge zu benutzen und jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen längere Wege in Kauf nehmen zu müssen. Unter diesen Voraussetzungen findet eine restriktive Interpretation des Begriffs Arbeitsstelle auf das den Arbeitsplatz enthaltende Gebäude im Tarif keine Stütze, wohl aber die vom Senat in seinem Beschluß vom 29. April 1982, aaO, vertretene Auffassung, das Dienststellengelände sei in diesem Fall die Arbeitsstelle. Denn der Hinweis auf die Sonderregelung SR 2 e I und damit auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist - entgegen der von Clemens und Behder geäußerten Kritik - für die Tarifauslegung aufschlußreich. Der Senat verkennt nicht, daß in der Sonderregelung nur die für die Bundeswehr typischen Besonderheiten geregelt werden. Er hält es aber für zwingend, daß die Sonderregelung überflüssig wäre, wenn die Tarifvertragsparteien der Auffassung gewesen wären, die Arbeitsstelle sei eine andere räumliche Einheit innerhalb eines befriedeten Geländes anstelle des gesamten Geländes, und diese räumliche Einheit könnte im Rahmen des § 15 Abs. 7 nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles bestimmt werden. Insofern ist die Sonderregelung über ihren Regelungsbereich hinaus von erheblicher Bedeutung für die Auslegung des § 15 Abs. 7 BAT. Das verkennt auch das Landesarbeitsgericht.

dd) Der Senat hält auch die weiteren im Schrifttum, von der Vorinstanz und der Beklagten vorgebrachten Argumente für unzutreffend.

So vermag er nicht zu erkennen, daß seine Auslegung zu willkürlichen und ungerechten Ergebnissen führt. Die Rechtsprechung des Senats hat zwar zur Folge, daß durch die unterschiedliche Dauer der Wegezeit, bedingt durch die verschiedenen Entfernungen und die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit, die Zeiten der eigentlichen Arbeitsleistung individuell verschieden sein werden. Diese Folge tritt aber auch bei der Bestimmung eines Gebäudes oder einer anderen räumlichen Grenze als Arbeitsstelle ein. In einem großflächigen Gebäudekomplex braucht der ältere Mitarbeiter möglicherweise mehr Zeit als ein jüngerer, um vom Eingang seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz unmittelbar hinter dem Gebäudeeingang hat, muß seine Arbeit früher aufnehmen als der Kollege, der mit ihm die Eingangstür durchschritten hat, aber noch einen Weg von fünf oder mehr Minuten im Gebäude zurücklegen muß. Dieses vom Schrifttum als ungerecht empfundene Ergebnis ist aber allein in der von den Tarifvertragsparteien bestimmten und gewollten Verlagerung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit vom Arbeitsplatz auf die Arbeitsstelle begründet.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, daß bei seiner Auffassung die Kontinuität der Arbeit nicht gewährleistet sei und die Versorgungs- und Überwachungsfunktionen, die ohne Unterbrechungen aufrechterhalten werden müssen, in Frage gestellt sind. Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, daß die Beklagte die Dienstpläne und die Koordination in den Stationen unabhängig von den individuellen Wegezeiten an das Erscheinen des Arbeitnehmers an dem Arbeitsplatz, hier in den Stationen, anknüpfen kann und zur Zeit auch schon muß. Daran ändert sich durch die Berechnung der Arbeitszeit ab Betreten und bis zum Verlassen des Betriebsgeländes nichts.

Letztlich kann der Senat dem Landesarbeitsgericht auch nicht darin folgen, daß die Arbeitszeit nach allgemeiner Meinung die Zeitspanne sei, während der ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen müsse und der Arbeitgeber die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in Anspruch nehmen könne. Es sei deshalb davon auszugehen, daß die jeweilige Arbeitszeit der Kläger nicht beim Betreten oder Verlassen des Krankenhausgeländes beginne und ende, sondern erst dann, wenn sie in einen räumlichen Kontakt mit ihrem Arbeitsplatz gelangten. Auf dem Weg von der Pforte zum Arbeitsplatz in der Station seien sie für Weisungen der Beklagten und ihrer Vorgesetzten noch nicht erreichbar und zur vertragsgemäßen Arbeitsleistung i.d.R. weder verpflichtet noch in der Lage. Diese Auffassung ist aus mehreren Gründen unzutreffend. So greift das Landesarbeitsgericht entgegen der Protokollnotiz wieder auf den Arbeitsplatz als Arbeitsstelle zurück bzw. postuliert einen nicht näher definierten räumlichen Kontakt zu diesem. Weiter übersieht es, daß die Tarifvertragsparteien abweichend von allgemeinen Grundsätzen auch die Wegezeit von der Arbeitsstelle zum Arbeitsplatz als Arbeitszeit angesehen haben, unabhängig von der Möglichkeit, Weisungen erteilen zu können. Im übrigen ist es unzutreffend, daß die öffentlichen Arbeitgeber für diesen Zeitraum praktisch und rechtlich keine Weisungen erteilen können. Die jeweiligen Pförtner sind geeignete Personen, um dem Arbeitnehmer beim Eintritt in das Gelände Weisungen des Arbeitgebers zu übermitteln, z.B. sich zur Arbeitsaufnahme an diesem Tag an einen anderen Ort als üblich zu begeben.

d) Der Senat übersieht nicht, daß es bei der Formulierung des § 15 Abs. 7 BAT und der dazu ergangenen Protokollnotiz Krankenanstalten heutigen Ausmaßes nicht gegeben hat und deshalb die Problematik, wie für Mitarbeiter in Großkliniken die Arbeitsstelle zu bestimmen ist, nicht bekannt gewesen ist. Die veränderte bauliche Situation gibt den Gerichten für Arbeitssachen jedoch nicht die Möglichkeit, den Tarif anzupassen. Vielmehr ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, durch eine entsprechende Sonderregelung eine den Aufgaben in Krankenhäusern dienliche Änderung des § 15 Abs. 7 BAT herbeizuführen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 ZPO.

Dr. Jobs Schneider Dörner

Schmidt Rose

 

Fundstellen

Haufe-Index 440894

BAGE 59, 335-345 (LT1-4)

BAGE, 335

DB 1989, 130-130 (L1-4)

NJW 1989, 793

NJW 1989, 793 (L1-4)

SteuerBriefe 1989, 44-44 (K)

EBE/BAG 1988, 38-40 (LT1-4)

BetrR 1989, 45-45 (LT1-4)

ARST 1989, 41-43 (LT1-4)

DOK 1990, 160 (KT)

JR 1989, 220

NZA 1989, 139-141 (LT1-4)

RdA 1989, 71

USK, 8896 (LT)

ZTR 1989, 22-24 (LT1-4)

AP § 15 BAT (LT1-4), Nr 12

EzBAT § 15 BAT, Nr 13 (LT1-4)

PersR 1989, 25-27 (LT1-4)

PersV 1991, 230 (K)

SVFAng Nr 55, 37 (1989) (K)

VR 1989, 179-181 (KT)

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