Leitsatz (amtlich)

  • Der Betriebsinhaber/Unternehmer muß das Anbringen von Schriftgut zur Selbstdarstellung der Gewerkschaft, zur Information über ihre Leistungen und über arbeits- und tarifrechtliche Fragen sowie zur Aufforderung zum Erwerb der Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft durch betriebs-/unternehmensfremde Beauftragte der Gewerkschaft auf Bekanntmachungstafeln des Betriebes dulden. Ebenso muß er die Verteilung derartigen Materials und die allgemeine arbeits- und tarifrechtliche Betreuung von Mitgliedern der Gewerkschaft und die Werbung neuer Mitglieder durch betriebs-/unternehmensfremde Gewerkschaftsbeauftragte in den Betriebs- und Unternehmensräumen außerhalb der Arbeitszeit dann erlauben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in dem Betrieb schon Mitglieder der Gewerkschaft tätig sind. Das Hausrecht und ein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stehen den fraglichen Betätigungen der Gewerkschaft nicht entgegen.
  • Das eben Gesagte gilt auch für den Bereich karitativer Einrichtungen der Kirche i.S. des § 118 Abs. 2 BetrVG. Die Kirchenautonomie steht dem nicht entgegen. Die Gewerkschaft darf bei der hier in Rede stehenden Tätigkeit die Kirchenautonomie nicht beeinträchtigen und nicht in Abrede stellen.
  • Über die Grenzen der gewerkschaftlichen Information, Werbung und Betreuung im Betrieb/Unternehmen durch betriebs-/unternehmensfremde Gewerkschaftsbeauftragte (s. auch BAG 19, 217).
  • Zur Entscheidung der Frage, ob eine Gewerkschaft sich in bestimmter von ihr in Anspruch genommener Weise mit dem Ziel der Mitgliederwerbung, der gewerkschaftlichen Information und der gewerkschaftlichen Betreuung betätigen darf, sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (s. auch BAG 17, 218).
 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3, 1-2, 13-14, Art. 140 i.Verb.m. WRV Art. 137 Abs. 3; BGB §§ 823, 1004; ArbGG § 2 Abs. 1 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 21.01.1977; Aktenzeichen 3 Sa 941/76)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. Januar 1977 – 3 Sa 941/76 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte ist durch Erlaß des preußischen Ministers des Inneren vom 18. März 1904 als milde Stiftung des privaten Rechts nach dem BGB anerkannt. Nach § 2 ihrer Satzung in der Fassung vom 16. November 1954 verfolgt sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige kirchliche Zwecke, insbesondere die körperliche und geistige Ausbildung, Erziehung und Pflege körperbehinderter Personen. Sie ist nach § 3 der Satzung eine Einrichtung der Inneren Mission, heute des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Die Beklagte beschäftigt etwa 900 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat besteht nicht. Mitarbeiter der Beklagten sind bei der Klägerin organisiert. Die Bildung einer betrieblichen Gewerkschaftsgruppe teilte die Kreisverwaltung Ennepe-Ruhr der Klägerin der Beklagten mit. Gleichzeitig bat sie, ihr die Verteilung und den Aushang von Werbe- und Informationsmaterial zu gestatten. Die Beklagte untersagte unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 BetrVG jegliche gewerkschaftliche Tätigkeit innerhalb ihrer Einrichtungen.

Die Klägerin ist der Ansicht, Art. 9 Abs. 3 GG gewähre ihr ein Recht auf Information und Werbung unter den Mitgliedern der Beklagten. Dieses Recht bestehe gegenüber der Beklagten auch dann, wenn diese eine karitative Einrichtung der Kirche i.S. von § 118 Abs. 2 BetrVG sei, da auch die Kirche ihr aus Art. 9 Abs. 3 GG folgendes Recht auf koalitionsmäßige Betätigung beachten müsse.

Zur Durchsetzung ihres in Anspruch genommenen Rechts hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das Anbringen von Plakaten, Flugblättern, Werbe- und Informationsschriften der Klägerin durch Vertreter der Klägerin auf den Bekanntmachungstafeln der Beklagten oder der von der Klägerin anzubringenden Tafeln in Wetter 2, und die Verteilung von Flugblättern, Werbe- und Informationsschriften der Klägerin an Mitglieder der Klägerin und an Beschäftigte der Beklagten in Wetter 2 zu dulden, soweit diese Druckschreiben die Selbstdarstellung der Klägerin, Informationen über die Leistungen der Klägerin im allgemeinen und im besonderen für die Beschäftigten der Beklagten, die Informationen über arbeitsrechtliche oder tarifrechtliche Fragen oder die Aufforderung zum Erwerb der Mitgliedschaft bei der Klägerin zum Inhalt haben, Vertretern der Klägerin den Zutritt zu dem Betrieb der Beklagten in Wetter 2 zur Betreuung und Information der Mitglieder der Klägerin und zur Werbung neuer Mitglieder zu gestatten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Klägerin stehe ein Zutrittsrecht zu den Betrieben eines Arbeitgebers nur im Zusammenhang mit Fragen aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu. Ein solches betriebsverfassungsrechtliches Zutrittsrecht sei ihr gegenüber nicht gegeben, da das Betriebsverfassungsgesetz auf sie als kirchliche Einrichtung keine Anwendung finde. Ihr stehe nach Art. 140 GG i. Verb. m. Art. 137 Abs. 3 WRV das Recht zur selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten zu. Das Begehren der Klägerin sei eine Einmischung in ihre Selbständigkeit. Die Beklagte macht weiter geltend, darüber hinaus verbiete wegen der Gefahr, daß eine Information und Werbung der Klägerin auch auf überwiegend psychisch und physisch kranke Anstaltsinsassen einwirke, die besondere Situation ihrer Anstalten und Einrichtungen jede gewerkschaftliche Betätigung der Klägerin.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen die Beklagte verurteilt:

a) das Anbringen von Plakaten, Flugblättern, Werbe- und Informationsschriften der Klägerin durch von dieser beauftragte Vertreter auf Bekanntmachungstafeln der Beklagten innerhalb des Anstaltsgeländes zu dulden, soweit diese sich in Räumen befinden, in denen regelmäßig sich nur Bedienstete der Beklagten aufhalten,

b) die Verteilung von Flugblättern, Werbe- und Informationsschriften der Klägerin durch von dieser beauftragte Vertreter an Mitarbeiter der Beklagten zu dulden, soweit dies in den zu Ziff. a) genannten Räumen und außerhalb der Arbeitszeit geschieht,

c) Vertretern der Klägerin den Zutritt zu den in Ziff. a) genannten Räumen zum Zwecke der Information und der Betreuung von Mitgliedern der Klägerin und zur Werbung neuer Mitglieder zu gestatten, soweit die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern der Beklagten außerhalb von deren Arbeitszeit geschieht.

Die zu Ziff. a) und b) genannten Plakate, Flugblätter, Werbe- und Informationsschriften dürfen nur die Selbstdarstellung der Klägerin, Informationen über die Leistungen der Klägerin und über arbeits- und tarifrechtliche Fragen sowie die Aufforderung zum Erwerb der Mitgliedschaft bei der Klägerin zum Inhalt haben.

Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen zur Entscheidung des vorliegenden Falls folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder Dritten aus unerlaubter Handlung, soweit es sich um Fragen der Vereinigungsfreiheit handelt. Nach Auffassung des Senats (Urteil vom 29. Juni 1965 – 1 AZR 420/64 – BAG 17, 218 [221] = AP Nr. 6 zu Art. 9 GG) handelt es sich um die Frage der Vereinigungsfreiheit nicht nur dann, wenn darüber gestritten wird, ob Arbeitnehmer sich in einer Koalition zusammenschließen dürfen oder sich in ihrem sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Koalitionsrecht beeinträchtigt fühlen. Eine Angelegenheit der Vereinigungsfreiheit i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG liegt auch dann vor, wenn zur Entscheidung steht, ob sich eine aus Arbeitnehmern bestehende Koalition (Gewerkschaft) in bestimmter von ihr in Anspruch genommener Weise mit dem Ziele der Mitgliederwerbung der gewerkschaftlichen Information und der gewerkschaftlichen Betreuung betätigen darf. Um diese Frage geht es im vorliegenden Rechtsstreit. Der Senat hat in dem Urteil vom 29. Juni 1965 betont, daß die Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG – Fragen der Vereinigungsfreiheit – denkbar weit ist. Die Klägerin stützt ihr Klagbegehren auf Art. 9 Abs. 3 GG. Sie ist der Ansicht, die Beklagte verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG, wenn sie die Verteilung von Werbe- und Informationsmaterial und die Betreuung der bei der Klägerin organisierten Arbeitnehmer in den von der Beklagten betriebenen Anstalten durch Beauftragte der Klägerin nicht duldet. Bei Fragen der vorliegenden Art ist die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen stets gegeben. Das folgt aus dem Gesamtzusammenhang des § 2 ArbGG, der den Bereich des Arbeitsrechts und die Verhältnisse der am Arbeitsleben Beteiligten in genügend eindeutiger Weise überhaupt erfassen will (BAG 17, aaO).

Der Begriff der unerlaubten Handlung ist im übrigen ebenfalls weit auszulegen (Grunsky, ArbGG, 2. Aufl., § 2 Anm. 67). Nach dem Vortrag der Klägerin wird in ihre Betätigungsmöglichkeit entgegen der Rechtsordnung eingegriffen. Bereits die Möglichkeit, es liege eine unerlaubte Handlung vor, muß für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen genügen; die Ausschließlichkeit des Rechtswegs zu ihnen ist zu beachten. Bei der Weite des Begriffs der Vereinigungsfreiheit und des besonderen Schutzes der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG auch für die Vereinigungen selbst ist im vorliegenden Falle an einen widerrechtlichen Eingriff sogar ohne weiteres zu denken.

Das Landesarbeitsgericht hat also die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu Recht bejaht.

II. In der Sache selbst ist die Revision nicht begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es ist der Auffassung, Art. 9 Abs. 3 GG gebe den Gewerkschaften das Recht, Information und Werbung in den Betrieben auch durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte zu betreiben. Werbe- und Informationstätigkeit gehöre zu den koalitionsspezifischen Aufgaben der Gewerkschaften. Zur Wahrung dieser Aufgaben müsse auch den Beauftragten der Gewerkschaften ein Zutrittsrecht zum Betrieb eingeräumt werden. Das aus Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebende Zutrittsrecht der Gewerkschaften gelte auch für kirchliche Einrichtungen i. S. des § 118 Abs. 2 BetrVG. Das den Kirchen und ihren karitativen sowie erzieherischen Einrichtungen nach Art. 140 GG i. Verb. m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Selbstbestimmungsrecht entbinde diese nicht von der Beachtung der für alle geltenden Normen des staatlichen Arbeitsrechts und verpflichte sie, die Tätigkeit der Gewerkschaften in ihrem Bereich jedenfalls insoweit zu dulden, als diese der Betreuung und Information ihrer Mitglieder und der Werbung neuer Mitglieder diene.

Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und auch in allen wesentlichen Teilen der Begründung beizutreten. Der Anspruch für das Begehren der Klägerin ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 GG und dem dort verankerten Schutz der Koalitionen.

2. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet nicht nur jedermann das Recht, sich mit anderen zu Koalitionen zusammenzuschließen; in den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG sind die Koalitionen selbst in ihrer Existenz und Funktionsfähigkeit einbezogen (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. II/1, 7. Aufl., S. 40, 46 ff., 134 ff.; von-Mangold-Klein, GG, 2. Aufl., Art. 9 Anm. V 3; Maunz-Dürig, GG, Art. 9 Anm. 108; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 3. Aufl., Art. 9 Anm. 15; Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Verfassungsproblem, S. 11 ff.; Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, S. 33 ff.; Schnorr, Kollektivmacht und Individualrechte im Berufsverbandwesen, S. 229 ff.; Hanau in JuS 1976, S. 165 [168]). Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet den Koalitionen (Gewerkschaften) nicht nur ihr Entstehen und ihren Bestand; verfassungsrechtlich geschützt sind nach der übereinstimmenden Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats ebenso die Betätigungen der Koalition, die für die Erhaltung und Sicherung ihrer Existenz unerläßlich sind (vgl. u. a. BVerfGE, 28, 295 [305] = AP Nr. 16 zu Art. 9 GG; BAG Urteil vom 14. Februar 1967 – 1 AZR 494/65 – BAG 19, 217 [222] = AP Nr. 10 zu Art. 9 GG). Zur Erhaltung der Sicherung und Existenz der Koalition (Gewerkschaft) gehört spezifisch insbesondere die Werbung neuer Mitglieder sowie die Information ihrer Mitglieder und der nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer über Aufgaben, Ziele und Tätigkeit der Koalition. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 14. Februar 1967 (BAG 19, aaO) ausgeführt hat, ist der Grund hierfür darin zu sehen, daß die Informations- und Werbetätigkeit notwendige Voraussetzung für den Bestand und die Betätigung der Koalition ist. Die Information hält die Mitglieder zusammen und unterrichtet andere Arbeitnehmer über Ziele, Tätigkeit und Erfolge der Koalition; die Werbung gibt ihr die spezielle Möglichkeit, in erweitertem Umfange tätig zu sein und damit ihre Aufgaben, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, besser und weitergehend zu erfüllen, um so ihren verfassungsmäßig geschützten Aufgaben sachgemäß gerecht zu werden. Daß die hier allein in Betracht kommende allgemeine arbeits- und tarifrechtliche Betreuung ihrer Mitglieder, die nach Lage der Dinge ihre Interessen als Arbeitnehmer betrifft, gewerkschaftsspezifisch ist, braucht nicht näher dargelegt zu werden.

3. Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem Urteil vom 14. Februar 1967 bereits entschieden, daß im Betrieb durch der Gewerkschaft angehörende Betriebsratsmitglieder Werbe- und Informationsmaterial bei Beachtung besonderer Bedingungen verteilt werden kann. Unentschieden geblieben und im Schrifttum umstritten ist die Frage, ob diese Betätigung der Gewerkschaften in den Betrieben auch von betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten ausgeübt werden kann und den Gewerkschaften für ihre Beauftragten ein unmittelbares Zutrittsrecht zu den Betrieben zusteht, um dort ihre Angehörigen und andere Arbeitnehmer zu informieren, für den Beitritt zu werben und ihre Mitglieder zu betreuen. Gegen ein unmittelbares Zutrittsrecht der Gewerkschaft zur Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit im Betrieb haben sich ausgesprochen Richardi (in Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 2 Anm. 64), Stege-Weinspach (BetrVG, 2. Aufl., S. 35 ff.); Kraft (GK-BetrVG, § 2 Anm. 60); Reuter (ZfA 1976, 107 [147 ff.]); Rüthers (RdA 1968, 161 ff.); Schwerdtner (JZ 1974, 455 ff.); Galperin-Löwisch (BetrVG, 5. Aufl., § 2 Anm. 107); Jürging-Kaas (DB 1967, 815). Die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts wird dagegen geteilt von Gnade-Kehrmann-Schneider (BetrVG, § 2 Anm. 3); Fitting-Auffarth-Kaiser (BetrVG, 12. Aufl., § 2 Anm. 20a); Hanau (JuS 1976, 165 [168]); Kremp (ArbuR 1973, 193); Müller (ZfA 1972, 213 [242]); Säcker (Inhalt und Grenzen des gewerkschaftlichen Zutrittsrechts zum Betrieb unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in der Seeschiffahrt, 1975, S. 54) und Däubler-Hege (Koalitionsfreiheit, 1976, S. 119).

Der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts ist beizutreten, jedenfalls dann, wenn – wie hier – Arbeitnehmer des Betriebes schon der das Zutrittsrecht begehrenden Gewerkschaft angehören.

4. Gehört, wie ausgeführt, zum Kernbereich der Koalitionsgarantie auch die Werbe- und Informationstätigkeit der Gewerkschaften, dann muß der Gewerkschaft (Koalition) selbst das Recht eingeräumt werden, dort zu werben und zu informieren, wo das Arbeitsleben sich abspielt, nämlich in den Unternehmen/Betrieben. Eine andere Betrachtung würde bedeuten, die Gewerkschaften in ihrer diesbezüglichen Tätigkeit gerade von den Stätten fernzuhalten, wo ihre auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichtete Tätigkeit vor allem ihre Wirkung zeitigen soll. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Senat deshalb die Werbung und Information für die Koalitionen (Gewerkschaften) im Betrieb durch betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder in dem Urteil vom 14. Februar 1967 für rechtlich zulässig angesehen. Das gilt dann erst recht für die gewerkschaftliche Betreuung der Interessen der Arbeitnehmer. Sie erwachsen aus ihrer Arbeitstätigkeit und betreffen sie, die sich selbst nun einmal in Betrieb und Unternehmen abspielt. Die Betreuungs-, Werbe- und Informationstätigkeit kann aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob sie von Betriebsangehörigen oder betriebsfremden Mitgliedern der Gewerkschaften ausgeübt wird. Es gehört wegen des ebengenannten Umstandes zur Autonomie der Gewerkschaft (Koalition), darüber zu bestimmen, ob sie für die Werbung und Information in den Betrieben ihre eigenen Beauftragten oder betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder bestimmen will. Jedenfalls kann der in einem Betrieb vertretenen Gewerkschaft nicht verboten werden, ihre Mitglieder durch eigens bestimmte betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte zu betreuen, zu informieren und durch sie neue Mitglieder zu werben. Diesen Beauftragten ist demnach das Zutrittsrecht zum Betrieb zum Zwecke der Information, Werbung und Betreuung zu gewähren.

Dem Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu dem Betrieb zum Zwecke der Betreuung, Werbung und Information steht weder das in Art. 13 GG verfassungsrechtlich geschützte Hausrecht noch ein etwa durch Art. 14 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entgegen.

Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizutreten, daß der Betrieb schon von seiner Zweckbestimmung her für den Zutritt Dritter offener und damit weniger schutzbedürftig ist als der private Wohnraum. Der Betrieb dient der Arbeitsleistung und dem Aufenthalt der Arbeitnehmer und sonstiger in das betriebliche Arbeitsleben einbezogener Personen. Das Landesarbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, daß das aus Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebende Zutrittsrecht von Gewerkschaftsbeauftragten angesichts der bedeutenden verfassungsrechtlich garantierten Aufgaben der Gewerkschaften bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gegenüber dem in Art. 13 GG geschützten Hausrecht vorrangig ist. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Grundrechtsabwägung läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Betrieb ist der Ort des Zusammenwirkens von Leitung, Arbeit und Kapital. Wollte man den Gewerkschaften den Zutritt zu dem Betrieb verweigern, würde ihnen ein für ihren Bestand und ihre Betätigung wichtiges und grundlegendes Feld jedenfalls dann genommen, wenn sie dort schon Mitglieder haben. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß der Zutritt des Gewerkschaftsbeauftragten schon von seinem Zweck her nicht auf einen Eingriff in die durch das Hausrecht geschützte Rechtsposition des Unternehmens-/Betriebsinhabers gerichtet ist. Sie ist erkennbar lediglich als Mittel der Kontaktaufnahme mit den befugtermaßen im Betrieb sich aufhaltenden Arbeitnehmern gedacht; die Anwesenheit von Gewerkschaftsbeauftragten zum Zwecke der Information ihrer Mitglieder und der Werbung neuer Mitglieder berührt, wenn die noch näher darzulegende Begrenzung beachtet wird (Ziff. 8), die geschützte betriebliche Sphäre des Unternehmers/Betriebsinhabers nicht oder nur unwesentlich (BAG 19, 217 [225/226]; BVerfGE 32, 54 [75 f.]; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 3. Aufl., Art. 13 Anm. 4). Dasselbe muß für die Betreuung der Interessen der Gewerkschaftsmitglieder gelten. Solange der ordnungsgemäße Unternehmens- und Betriebsablauf nicht gestört wird, liegt eine Verletzung des in Art. 13 GG geschützten Hausrechts nicht vor. Jedenfalls gebührt bei der Abwägung der Grundrechte des Art. 9 Abs. 3 GG und des Art. 13 GG dem Koalitions- (betätigungs) recht der Vorrang.

Entsprechendes gilt für ein durch Art. 14 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Das Unternehmen/der Betrieb besteht nicht nur aus der Zusammenfassung von Produktionsmitteln und abstrakt gesehenen Dienstleistungen zu einer Einheit. Der Unternehmens- und Betriebsbegriff enthält wesentliche personelle Elemente. In dem Unternehmen/Betrieb spielt sich, wie ausgeführt, das Arbeitsleben ab, dort wird die Arbeitsleistung erbracht, für die der Arbeitnehmer entlohnt wird. In dem Unternehmen/Betrieb tauchen alle die Fragen auf, die sich aus dem Zusammenleben von Arbeitnehmern und Unternehmern/Betriebsinhabern ergeben (BAG 19, 217 [224] = AP Nr. 10 zu Art. 9 GG). Gegenüber der Bedeutung des Koalition rechts für die Arbeitnehmer, insbesondere des Bestandes und der Wirksamkeit der Koalitionen und der gewerkschaftlichen Betreuung der Arbeitnehmer mindestens im Falle von schon bei der betreffenden Gewerkschaft Organisierter, muß wegen des Gewichtes des personellen Faktors im Unternehmen/Betrieb, des näheren der dort von den Arbeitnehmern zu erbringenden Arbeit mit den Folgefragen für sie, das in Art. 14 GG geschützte Eigentum, wenn es insoweit überhaupt Platz greift, schon im Hinblick auf die Sozialbindung zurücktreten. Ein für die Arbeitnehmer existentieller Sachverhalt mit grundlegendem Ansatz- und Bezugspunkt zur Arbeitsstätte kann nicht durch die Eigentumsgarantie für den Unternehmer verdrängt sein. Hinzu kommt der Gedanke, daß der Schutz des Bestandes und der Betätigung der Organisationen eine Voraussetzung für die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe ist, in autonomer Weise die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu fördern und derart ein staatsentlastendes Ordnen des Arbeits- und Wirtschaftslebens zu vollziehen (BAG 19, 217 [225] = AP Nr. 10 zu Art. 9 GG).

Nach alledem steht weder das Hausrecht des Unternehmers/Betriebsinhabers noch ein durch Art. 14 GG geschütztes Recht am eingerichteten Betrieb dem Zutritt betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter entgegen.

5. Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auch nicht an § 2 Abs. 2 BetrVG, der das betriebsverfassungsrechtliche Zutrittsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb regelt. § 2 Abs. 2 BetrVG stellt keine abschließende Regelung des gewerkschaftlichen Zutrittsrechts zu den Betrieben dar (so Richardi in Anm. zu AP Nr. 2 zu § 2 BetrVG 1972; Fitting-Auffarth-Kaiser, aaO, § 2 Anm. 12; Müller, ZfA 1972, 213 [227, 240 ff.]). Der Annahme der Revision, mit Erlaß des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 seien die strittigen Zugangsansprüche der Gewerkschaften endgültig normier und konkretisiert (so auch Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 2 Anm. 107), steht schon der insoweit eindeutige Wortlaut des § 2 Abs. 2 BetrVG und darüber hinaus der Absatz 3 dieser Vorschrift entgegen; letztere Bestimmung legt fest, daß die Aufgaben der Gewerkschaft durch das Betriebsverfassungsgesetz nicht berührt werden.

6. Schließlich ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß das sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebende Recht der Gewerkschaften, in Betrieben durch nicht betriebsangehörige Beauftragte ihre Mitglieder zu informieren und zu betreuen sowie neue Mitglieder unter den Arbeitnehmern des Betriebes zu werben, auch gegenüber der Beklagten als einer karitativen Einrichtung der Kirche besteht.

Die Beklagte ist, wie der Senat in dem Beschluß vom 6. Dezember 1977 – 1 ABR 28/77 – (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) entschieden hat, eine karitative Einrichtung der evangelischen Kirche von Westfalen i. S. des § 118 Abs. 2 BetrVG. Sie ist Wesens- und Lebensäußerung der Kirche in der Welt. Sie unterfällt damit der nach Art. 140 GG in Verb. m. Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen im Rahmen der für alle geltenden Gesetze gewährleisteten Autonomie zur Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten. Das im Grundgesetz garantierte Recht auf Glaubensfreiheit und das Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten selbst zu verwalten und zu ordnen, bedeutet aber nicht, daß die Kirchen in jeder Hinsicht außerhalb der Verfassung und Gesellschaftsordnung stehen. Sie haben das Grundgesetz und die für alle geltenden Gesetze zu beachten, wenn sie sich zur Regelung ihrer Angelegenheiten in weltlicher Weise weltlicher Mittel bedienen, wie es z. B. bei der Regelung arbeitsvertraglicher Vereinbarungen der Fall ist. Deshalb ist dem Landesarbeitsgericht darin beizupflichten, daß die Kirchen an das trotz ihrer Autonomie für alle geltende Arbeitsrecht gebunden und dieserhalb zur Beachtung des Grundgesetzes verpflichtet sind, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Menschen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigen. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit in der Bindung an den übergeordneten Auftrag der Kirche ausgeübt wird (vgl. Richardi, ZevKR, Bd. 19, S. 275 [307]; Frank, Essener Gespräche, S. 29; Mayer-Maly, Essener Gespräche, S. 139; Handbuch des Staatskirchenrechts, 1974, Bd. I, S. 693; Weber, ZevKR, Bd. 17, S. 386 [418]; Wiedemann-Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Anm. 50; a. A. Pirson, Festschrift für Ruppel 1968, S. 277 [303]; Kalisch, Grund- und Einzelfragen des Kirchenrechts, ZevKR 2, S. 30). Ausgenommen hiervon sind die Personen, die in einem so engen Verhältnis zur Kirche stehen, daß sie mit der von ihnen gewählten Lebensform einen Stand der Kirche bilden, wie es etwa Geistliche, Diakonissen und Ordensangehörige sind (Richardi, aaO, S. 297 und 307). Durch sie tritt die Kirche in besonderer Weise als solche in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Wesen in Erscheinung. Die in dem Dienst der karitativen Einrichtungen der Kirche tätigen Arbeitnehmer, mögen ihre Arbeitsverhältnisse auch von Besonderheiten des kirchlichen Dienstes bestimmt und mag das Eingehen des Arbeitsverhältnisses ggf. auch religiös motiviert sein, erfüllen ihre Arbeitsleistung jedoch vor allem als Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis ist für sie maßgeblich eine Existenzgrundlage. Ob auch andere im kirchlichen Dienst stehende Personen, die aber mit ihrer Tätigkeit in besonderer Art die kircheneigentümlichen Belange verwirklichen (z. B. Pfarrassistenten), stets und in jeder Hinsicht von dem sonst für alle geltenden Arbeitsrecht erfaßt werden, ist nicht zu entscheiden. Derartige Personen stehen hier nicht in Rede.

Die Religionsgemeinschaften stehen auch nicht völlig außerhalb des Kollektivarbeitsrechts.

Hier ist zunächst das Gewicht des Art. 9 Abs. 3 GG für die Sicherung der Interessen der Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung. Die Gewährleistung der als Menschenrecht ausgeformten Koalitionsfreiheit dient letzten Endes unter einem maßgeblichen Gesichtspunkt der Sicherung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und der freien Entfaltung der Person (Art. 2 Abs. 1 GG). Eine der wesentlichen Aufgaben der tariffähigen Koalitionen besteht insbesondere darin, das Recht der Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung der gegebenen wirtschaftlichen Lage zu vereinbaren, wobei der Inhalt der Vereinbarungen von nicht an dem Vertrag Beteiligten jedenfalls sehr häufig übernommen wird (allgemeine Wirkung der Tätigkeit tariffähiger Verbände), und dafür zu sorgen, daß den Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die Beklagte stellt auch nicht in Abrede, daß die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer gemäß Art. 9 Abs. 3 GG berechtigt sind, sich einer Gewerkschaft anzuschließen.

Wie die Beklagte selbst vorträgt, erhalten die Mitglieder der kirchlichen Einrichtungen gerade auch Dienstverträge, die weitgehend den Regelungen des öffentlichen Dienstes entsprechen. Das öffentliche Dienstrecht für Angestellte und Arbeiter bestimmt sich weitgehend nach den jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen. Die Kirchen übernehmen ganz oder teilweise diese tarifvertraglichen Regelungen als für sie verbindlich. Insoweit sind die jeweils in Frage kommenden kollektivrechtlichen Regelungen auch im Bereich der Kirchen und ihrer karitativen Einrichtungen von besonderer Bedeutung. Es kann bei dem Begehren der Klägerin, das nicht auf dem Abschluß von Tarifverträgen, sondern auf die Unterrichtung über arbeits- und tarifrechtliche Fragen und eine entsprechende Betreuung, also offensichtlich auf die Anwendung geltender Tarifverträge abstellt – unter dem Begriff “tarifrechtliche Fragen” werden nicht zuletzt auch allgemein die Auslegung und Handhabung tarifvertraglicher Vereinbarungen verstanden –, dahingestellt bleiben, ob kirchliche Einrichtungen tariffähig sind und ggf. durch Kampfmaßnahmen gezwungen werden können, mit den Gewerkschaften Tarifverträge abzuschließen. Unstreitig ist, daß zahlreiche bei der Beklagten tätige Arbeitnehmer der klägerischen Koalition angehören. Sind bei einer kirchlichen Einrichtung beschäftigte Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert, können jedenfalls dann – bei dem schon vorhandenen Ansatzpunkt, den zu erhalten und auszuweiten die Gewerkschaften um ihrer Existenz und Betätigung willen berechtigt sind – die Kirchen die Gewerkschaften nicht daran hindern, in den Anstalten der Beklagten durch betriebsfremde Beauftragte aufzutreten, um ihre Mitglieder zu unterstützen, sie und andere Arbeitnehmer zu informieren sowie neue Mitglieder zu werben (vgl. Frank, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, S. 693; ders. Essener Gespräche, Bd. 10, S. 29).

Die Beklagte kann demnach betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten das Zutrittsrecht zu dem Betrieb nicht verweigern.

7. Die von der Klägerin beanspruchte Betätigung in den von der Beklagten betriebenen Anstalten verstößt nicht, wie die Revision vorträgt, gegen Art. 4 GG und auch nicht gegen Art. 140 GG i. Verb. m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die Betätigung berührt den Wesensgehalt und die Tätigkeit der Beklagten nicht. Sie richtet sich lediglich an die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer und nicht an oder gegen die Beklagte als Einrichtung einer Religionsgemeinschaft. Die Klägerin will, wie sich aus ihrem Antrag und seiner Begründung ergibt, die Beklagte weder in ihrer Freiheit, Kultushandlungen vorzunehmen oder sonst nach ihrem geistlich-religiösen Auftrag zu wirken, beschränken, noch will sie die Glaubens- oder Gewissensfreiheit oder auch die ungestörte Religionsausübung der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer beeinträchtigen. Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob unter der letzteren Hinsicht die Beklagte aus Gründen der Fürsorgepflicht eigenständig wahrnehmbare Abwehrbefugnisse gegenüber der Klägerin hätte.

8. Das grundgesetzlich gewährleistete Recht der Gewerkschaften sich in den Betrieben durch Werbung und Information zu betätigen, bedeutet, wie der Senat bereits in dem Urteil vom 14. Februar 1967 (BAG 19, 217 [226/227]) ausgeführt hat, nicht, daß die gewerkschaftliche Werbung und Information ohne Rücksicht auf die Rechte und Interessen anderer ausgeübt werden kann. Sie unterliegt Schranken. Die Werbe- und Informationstätigkeit darf den Arbeitsablauf nicht beeinträchtigen und erst recht nicht stören. Sie darf deshalb nur vor oder nach der Arbeitszeit und während der Pausen ausgeübt werden. Bei der Werbung und Information muß auf die besondere Eigenart der Betriebe Rücksicht genommen werden, wie sie insbesondere bei den kirchlichen Einrichtungen gegeben ist, deren Arbeit unter dem geistlich-religiösen Auftrag steht. Die hier in Rede stehende Betreuung darf ebenfalls den Betriebsablauf nicht beeinträchtigen und nicht stören und hat daher gleichfalls außerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen; um den im Schutz der Kirchenautonomie stehenden geistlich-religiösen Auftrag nicht zu belasten, hat sie in größtmöglicher Weise sachlich zu erfolgen (siehe Beschluß vom 6. Dezember 1977 – 1 ABR 28/77 –). Im übrigen haben die Gewerkschaften die in dem Urteil vom 14. Februar 1967 aufgeführten Abgrenzungskriterien zu beachten. Die Gewerkschaft hat danach bei ihrer Werbe- und Informationstätigkeit auch den in Art. 9 Abs. 3 GG anerkannten Grundsatz des Koalitionspluralismus zu beachten, das Informations- und Werbematerial darf keinen parteipolitischen Inhalt haben, sie darf auch nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit verstoßen sowie Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände oder hier die Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in unsachlicher Weise angreifen. Die Kirchenautonomie und die sich hieraus zugunsten der Kirchen ergebenden Folgerungen dürfen nicht nur bei der Information, Werbung und Betreuung, sondern ganz allgemein nicht beeinträchtigt und nicht in Abrede gestellt werden. Wenn die Revision geltend macht, der Gewerkschaft gegenüber bestehe ein Anspruch auf Beachtung dieser Abgrenzungskriterien nicht und könne nicht durchgesetzt werden (so auch Reuter, ZfA, 1976, 107 [159]; Jürging-Kaas, DB 1967, 815 [817]), verkennt sie, daß bei Überschreitung der aufgezeigten Schranken die Gewerkschaften sich nicht mehr im Rahmen des ihnen in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechts auf Betätigung halten und der Unternehmer/Betriebsinhaber gegen eine solche Betätigung mit den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Mitteln vorgehen kann.

Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Urteilsfindung von den vorstehend genannten Abgrenzungskriterien ausgegangen. Es ist aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin in dem im Tenor der angefochtenen Entscheidung aufgezeigten Rahmen durch betriebsfremde Angehörige in den Betrieben der Beklagten Werbe- und Informationstätigkeit auszuüben berechtigt ist. Dieses Ergebnis ist aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.

9. Das Anbringen von Plakaten und dergl. als solchem im Rahmen der von der Urteilsformel des Landesarbeitsgerichts gezogenen Grenzen ist unter den Parteien nicht mehr streitig.

10. Dem Landesarbeitsgericht ist somit zu folgen, daß der Klägerin das ihr grundgesetzlich garantierte Recht auf Information, Betreuung und Werbung in den Betrieben, mindestens wenn Arbeitnehmer dort bei ihr schon organisiert sind, auch gegenüber der Beklagten als kirchlicher Einrichtung zusteht und ihr dieserhalb der Zutritt zu dem Betrieb zu gewähren ist. Die Revision war demnach zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Bichler, Wendel, Riedel, K. Kehrmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1767480

BAGE, 122

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