Entscheidungsstichwort (Thema)

Zutritte zu kirchlichen Einrichtungen

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage gewerkschaftlicher Zutrittsrechte zu kirchlichen Einrichtungen.

 

Orientierungssatz

Es existiert kein für alle geltendes Gesetz iSv WRV Art. 137 Abs. 3, das betriebsfremden Gewerkschaftsangehörigen ein Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen einräumt; insbesondere gewährleistet GG Art. 9 Abs. 3 kein allgemeines berufsverbandliches Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte mit dem Ziel der Werbung, Informierung und Betreuung organisierter Belegschaftsmitglieder.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3 Fassung: 1968-06-26, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; GG Art. 4 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BAG (Entscheidung vom 14.02.1978; Aktenzeichen 1 AZR 280/77)

LAG Hamm (Entscheidung vom 21.01.1977; Aktenzeichen 3 Sa 941/76)

 

Tenor

1. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Februar 1978 - 1 AZR 280/77 - verletzt das verfassungsmäßige Recht der Beschwerdeführerin aus Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Gründe

A.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, ob den Gewerkschaften das Recht zusteht, in karitativen Einrichtungen der Kirchen durch Gewerkschaftsbeauftragte, die in den betreffenden Einrichtungen selbst nicht beschäftigt sind, zu informieren, zu werben und Mitglieder zu betreuen.

I.

1. Die Orthopädischen Heil-, Lehr- und Pflegeanstalten für Körperbehinderte Johanna-Helenen-Heim Volmarstein haben Rechtsfähigkeit erlangt aufgrund landesherrlicher Genehmigung vom 15. Februar 1904. Gemäß ministerieller Verfügung vom 18. März 1904 sind sie als milde Stiftung anerkannt worden. Nach ihrer Satzung – Fassung vom 16. November 1954 – verfolgen sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. Wirtschaftliche Zielsetzungen scheiden aus (§ 2 Nr. 1). Die Anstalten wollen den Dienst der Nächstenliebe auf allen Gebieten der geschlossenen, halboffenen und offenen Fürsorge ausüben (§ 2 Nr. 2).

Der Zweck der Anstalten ist:

  1. Körperliche und geistige Ausbildung sowie Erziehung von körperbehinderten Personen beiderlei Geschlechts, ihre Pflege und möglichste Besserung und Heilung, um sie erwerbsfähig zu machen,
  2. Erziehung und Ausbildung von Leichtpsychopathen,
  3. Pflege von Taubstummsiechen,
  4. Pflege von gesunden und kranken Säuglingen,
  5. Pflege von gesunden und kranken, alten, nicht mehr erwerbsfähigen Personen beiderlei Geschlechts,
  6. Ausbildung und Zurverfügungstellung von Diakonen, insbesondere für den Dienst der Kirche und die Aufgaben der Inneren Mission.

Die Anstalten sind Einrichtungen der Inneren Mission. Sie sind dem Landesverband der Inneren Mission in Westfalen und damit dem Centralausschuß für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche angeschlossen (§ 3). Heute gehören die Anstalten dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen an.

Der Vorstand der Anstalten besteht aus elf Mitgliedern; er kann auf fünfzehn Mitglieder erweitert werden. Die Vorstandsmitglieder müssen alle der Evangelischen Kirche angehören (§ 8). Als Anstaltsleiter ist ein evangelischer Pfarrer zu berufen. Auch zum stellvertretenden Anstaltsleiter ist einer der an den Anstalten tätigen Pfarrer zu bestimmen (§ 11).

2. Die Beschwerdeführerin hat etwa 900 Beschäftigte, für die eine Mitarbeitervertretung gemäß der kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnung besteht. Ein Betriebsrat ist nicht vorhanden. Mitarbeiter der Beschwerdeführerin sind Mitglieder der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Von der Bildung einer betrieblichen Gewerkschaftsgruppe benachrichtigte die Kreisverwaltung Ennepe-Ruhr der Gewerkschaft ÖTV die Beschwerdeführerin. Gleichzeitig bat sie, ihr die Verteilung und den Aushang von Werbe- und Informationsmaterial zu gestatten. Die Beschwerdeführerin untersagte unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 BetrVerfG jegliche gewerkschaftliche Tätigkeit innerhalb ihrer Einrichtungen.

Die hiergegen gerichtete Klage der Gewerkschaft ÖTV hat das Arbeitsgericht Hagen abgewiesen. Die Klägerin habe zwar grundsätzlich das Recht, im Betrieb der Beklagten durch ihre dort tätigen Mitglieder zu informieren, zu werben und zu betreuen. Ein Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte, wie es die Klägerin begehre, stehe ihr jedoch nicht zu.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht Hamm das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen die Beklagte verurteilt:

  1. Das Anbringen von Plakaten, Flugblättern, Werbe- und Informationsschriften der Klägerin durch von dieser beauftragte Vertreter auf Bekanntmachungstafeln der Beklagten innerhalb des Anstaltsgeländes zu dulden, soweit diese sich in Räumen befinden, in denen regelmäßig sich nur Bedienstete der Beklagten aufhalten,
  2. die Verteilung von Flugblättern, Werbe- und Informationsschriften der Klägerin durch von dieser beauftragte Vertreter an Mitarbeiter der Beklagten zu dulden, soweit dies in den zu Buchstabe a) genannten Räumen und außerhalb der Arbeitszeit geschieht,
  3. Vertretern der Klägerin den Zutritt zu den in Buchstabe a) genannten Räumen zum Zweck der Information und der Betreuung von Mitgliedern der Klägerin und zur Werbung neuer Mitglieder zu gestatten, soweit die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern der Beklagten außerhalb von deren Arbeitszeit geschieht.

Die zu Buchstaben a) und b) genannten Plakate, Flugblätter, Werbe- und Informationsschriften dürfen nach dem Berufungsurteil nur die Selbstdarstellung der Klägerin, Informationen über die Leistungen der Klägerin und über arbeits- und tarifrechtliche Fragen sowie die Aufforderung zum Erwerb der Mitgliedschaft bei der Klägerin zum Inhalt haben.

Die Revision der Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt:

Das Recht der Gewerkschaft, Information und Werbung in den Betrieben auch durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte zu betreiben, ergebe sich aus Art. 9 Abs. 3 GG und dem dort verankerten Schutz der Koalitionen. Diese Vorschrift gewährleiste den Koalitionen (Gewerkschaften) nicht nur ihr Entstehen und ihren Bestand; verfassungsrechtlich geschützt seien ebenso die Betätigungen der Koalitionen, die für die Erhaltung und Sicherung ihrer Existenz unerläßlich seien. Dazu gehöre insbesondere die Werbung neuer Mitglieder sowie die Information der Mitglieder und der nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer über Aufgaben, Ziele und Tätigkeit der Koalition.

Das Bundesarbeitsgericht habe mit Urteil vom 14. Februar 1967 entschieden, daß im Betrieb durch der Gewerkschaft angehörende Betriebsratsmitglieder Werbe- und Informationsmaterial bei Beachtung besonderer Bedingungen verteilt werden könne. In Ergänzung dieser Entscheidung sei nunmehr festzustellen, daß eine solche gewerkschaftliche Betätigung in den Betrieben auch von betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten ausgeübt werden könne und den Gewerkschaften, also auch ihren Beauftragten, ein unmittelbares Zutrittsrecht zu den Betrieben zustehe, um dort ihre Angehörigen und andere Arbeitnehmer zu informieren, für einen Beitritt zu werben und ihre Mitglieder zu betreuen; dies gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – Arbeitnehmer des Betriebs schon Mitglieder der das Zutrittsrecht beanspruchenden Gewerkschaft seien. Es gehöre zur Autonomie der Gewerkschaft (Koalition), darüber zu bestimmen, ob sie für die Werbung und Information in den Betrieben ihre eigenen Beauftragten oder betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder bestimmen wolle.

Diesem Zutrittsrecht der Gewerkschaften stehe weder das in Art. 13 GG verfassungsrechtlich geschützte Hausrecht noch ein etwa durch Art. 14 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entgegen.

Schon von seiner Zweckbestimmung her sei der Betrieb für den Zutritt Dritter offener und weniger schutzbedürftig als der private Wohnraum. Der Betrieb diene der Arbeitsleistung und dem Aufenthalt der Arbeitnehmer und sonstiger in das betriebliche Arbeitsleben einbezogener Personen. Er sei der Ort des Zusammenwirkens von Leitung, Arbeit und Kapital. Wollte man den Gewerkschaften den Zutritt zu dem Betrieb verweigern, würde ihnen ein für ihren Bestand und ihre Betätigung wichtiges und grundlegendes Feld jedenfalls dann genommen, wenn sie dort bereits Mitglieder hätten. Der Zutritt des Gewerkschaftsbeauftragten sei schon von seinem Zweck her nicht auf einen Eingriff in die durch das Hausrecht geschützte Rechtsposition des Unternehmers-/Betriebsinhabers gerichtet. Sie sei erkennbar lediglich als Mittel der Kontaktaufnahme mit den befugtermaßen im Betrieb sich aufhaltenden Arbeitnehmern gedacht; die Anwesenheit von Gewerkschaftsbeauftragten zum Zwecke der Information ihrer Mitglieder und der Werbung neuer Mitglieder berühre, wenn die noch näher darzulegende Begrenzung beachtet werde, die geschützte betriebliche Sphäre des Unternehmers/Betriebsinhabers nicht oder nur unwesentlich. Dasselbe müsse für die Betreuung der Interessen der Gewerkschaftsmitglieder gelten. Solange der ordnungsgemäße Unternehmens- und Betriebsablauf nicht gestört werde, liege eine Verletzung des in Art. 13 GG geschützten Hausrechts nicht vor, jedenfalls gebühre bei der Abwägung der Grundrechte des Art. 9 Abs. 3 GG und des Art. 13 GG dem Koalitions-(betätigungs) recht der Vorrang.

Entsprechendes gelte für ein durch Art. 14 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Unternehmens- und Betriebsbegriff enthalte wesentliche personelle Elemente. Im Betrieb, in dem die Arbeitsleistung erbracht werde, tauchten alle die Fragen auf, die sich aus dem Zusammenleben von Arbeitnehmern und Unternehmern/Betriebsinhabern ergäben. Gegenüber der Bedeutung des Koalitionsrechts für die Arbeitnehmer, insbesondere des Bestandes und der Wirksamkeit der Koalitionen und der gewerkschaftlichen Betreuung der Arbeitnehmer mindestens im Falle von schon bei der betreffenden Gewerkschaft Organisierter, müsse wegen des Gewichts des personellen Faktors im Unternehmen/Betrieb, des näheren der dort von den Arbeitnehmern zu erbringenden Arbeit mit den Folgefragen für sie, das in Art. 14 GG geschützte Eigentum, wenn es insoweit überhaupt Platz greife, schon im Hinblick auf die Sozialbindung zurücktreten. Ein für die Arbeitnehmer existentieller Sachverhalt mit grundlegendem Ansatz- und Bezugspunkt zur Arbeitsstätte könne nicht durch die Eigentumsgarantie für den Unternehmer verdrängt sein.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch scheitere auch nicht an § 2 Abs. 2 BetrVerfG, der das betriebsverfassungsrechtliche Zutrittsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb regle. § 2 Abs. 2 BetrVerfG stelle keine abschließende Regelung des gewerkschaftlichen Zutrittsrechts zu den Betrieben dar.

Das sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebende Recht der Gewerkschaften, in Betrieben durch nicht betriebsangehörige Beauftragte tätig zu werden, bestehe auch gegenüber der Beschwerdeführerin. Diese sei zwar eine karitative Einrichtung der Evangelischen Kirche von Westfalen im Sinn des § 118 Abs. 2 BetrVerfG, auf die sich nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV die den Kirchen im Rahmen der für alle geltenden Gesetze gewährleistete Autonomie zur Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten erstrecke. Das im Grundgesetz garantierte Recht auf Glaubensfreiheit und das Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten selbst zu verwalten und zu ordnen, bedeute aber nicht, daß die Kirchen in jeder Hinsicht außerhalb der Verfassung und Gesellschaftsordnung stünden. Sie hätten das Grundgesetz und die für alle geltenden Gesetze zu beachten, wenn sie sich zur Regelung ihrer Angelegenheiten in weltlicher Weise weltlicher Mittel bedienten, wie es z. B. bei der Regelung arbeitsvertraglicher Vereinbarungen der Fall sei. Deshalb sei dem Landesarbeitsgericht darin beizupflichten, daß die Kirchen an das trotz ihrer Autonomie für alle geltende Arbeitsrecht gebunden und dieserhalb zur Beachtung des Grundgesetzes verpflichtet seien, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Menschen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigten. Das gelte auch dann, wenn die Tätigkeit in der Bindung an den übergeordneten Auftrag der Kirche ausgeübt werde. Ausgenommen hiervon seien die Personen, die in einem so engen Verhältnis zur Kirche stünden, daß sie mit der von ihnen gewählten Lebensform einen Stand der Kirche bildeten, wie es etwa Geistliche, Diakonissen und Ordensangehörige seien. Durch sie trete die Kirche in besonderer Weise in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Wesen in Erscheinung. Die in dem Dienst der karitativen Einrichtungen der Kirche tätigen Arbeitnehmer, mögen ihre Arbeitsverhältnisse auch von Besonderheiten des kirchlichen Dienstes bestimmt und möge die Begründung des Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls auch religiös motiviert sein, erfüllten ihre Arbeitsleistung jedoch vor allem als Arbeitnehmer; das Arbeitsverhältnis sei für sie maßgeblich eine Existenzgrundlage. Ob auch andere im kirchlichen Dienst stehende Personen, die mit ihrer Tätigkeit in besonderer Art die kircheneigentümlichen Belange verwirklichten (z. B. Pfarrassistenten), stets und in jeder Hinsicht von dem sonst für alle geltenden Arbeitsrecht erfaßt würden, sei hier nicht zu entscheiden.

Die Religionsgemeinschaften stünden auch nicht völlig außerhalb des Kollektivarbeitsrechts. Hier sei zunächst das Gewicht des Art. 9 Abs. 3 GG für die Sicherung der Interessen der Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung. Die Gewährleistung der als Menschenrecht ausgeformten Koalitionsfreiheit diene letzten Endes unter einem maßgeblichen Gesichtspunkt der Sicherung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und der freien Entfaltung der Person (Art. 2 Abs. 1 GG). Eine der wesentlichen Aufgaben der tariffähigen Koalitionen bestehe insbesondere darin, das Recht der Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung der gegebenen wirtschaftlichen Lage zu vereinbaren, wobei der Inhalt der Vereinbarungen von nicht an dem Vertrag Beteiligten jedenfalls sehr häufig übernommen werde (allgemeine Wirkung der Tätigkeit tariffähiger Verbände), und dafür zu sorgen, daß den Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze erhalten blieben. Die Beschwerdeführerin stelle auch nicht in Abrede, daß die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer gemäß Art. 9 Abs. 3 GG berechtigt seien, sich einer Gewerkschaft anzuschließen.

Wie die Beschwerdeführerin selbst vortrage, erhielten die Mitglieder der kirchlichen Einrichtungen gerade auch Dienstverträge, die vielfach den Regelungen des öffentlichen Dienstes entsprächen. Das öffentliche Dienstrecht für Angestellte und Arbeiter werde jedoch weitgehend von den jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen bestimmt. Die Kirchen übernähmen ganz oder teilweise die tarifvertraglichen Regelungen als für sie verbindlich. Insoweit seien die jeweils in Frage kommenden kollektivrechtlichen Regelungen auch im Bereich der Kirchen und ihrer karitativen Einrichtungen von besonderer Bedeutung. Es könne bei dem Begehren der Klägerin, das nicht auf den Abschluß von Tarifverträgen, sondern auf die Unterrichtung über arbeits- und tarifrechtliche Fragen und eine entsprechende Betreuung, also offensichtlich auf die Anwendung geltender Tarifverträge abstelle – unter dem Begriff „tarifrechtliche Fragen” würden nicht zuletzt auch allgemein die Auslegung und Handhabung tarifvertraglicher Vereinbarungen verstanden –, dahingestellt bleiben, ob kirchliche Einrichtungen tariffähig seien und gegebenenfalls durch Kampfmaßnahmen gezwungen werden könnten, mit den Gewerkschaften Tarifverträge abzuschließen. Unstreitig sei, daß zahlreiche bei der Beschwerdeführerin tätige Arbeitnehmer der klägerischen Koalition angehörten. Seien bei einer kirchlichen Einrichtung beschäftigte Arbeitnehmer aber gewerkschaftlich organisiert, könnten die Kirchen jedenfalls angesichts dieses schon vorgegebenen Sachverhalts, den zu erhalten und auszuweiten die Gewerkschaften um ihrer Existenz und Betätigung willen berechtigt seien, die Gewerkschaften nicht daran hindern, in den Anstalten der Beschwerdeführerin durch betriebsfremde Beauftragte aufzutreten, um ihre Mitglieder zu unterstützen, sie und andere Arbeitnehmer zu informieren sowie neue Mitglieder zu werben.

Die von der Klägerin beanspruchte Betätigung in den von der Beschwerdeführerin betriebenen Anstalten verstoße schließlich weder gegen Art. 4 GG noch gegen Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV. Sie berühre den Wesensgehalt und die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht. Sie richte sich lediglich an die bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Arbeitnehmer und nicht an oder gegen die Beschwerdeführerin als Einrichtung einer Religionsgemeinschaft. Die Klägerin wolle, wie sich aus ihrem Antrag und seiner Begründung ergebe, die Beschwerdeführerin weder in ihrer Freiheit, Kultushandlungen vorzunehmen oder sonst nach ihrem geistlich-religiösen Auftrag zu wirken, beschränken, noch wolle sie die Glaubens- oder Gewissensfreiheit oder die ungestörte Religionsausübung der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer beeinträchtigen. Es brauche daher nicht entschieden zu werden, ob unter letzterem Gesichtspunkt die Beschwerdeführerin aus Gründen der Fürsorgepflicht eigenständig wahrnehmbare Abwehrbefugnisse gegenüber der Klägerin habe.

Das grundgesetzlich gewährleistete Recht der Gewerkschaften, sich in den Betrieben durch Werbung und Information zu betätigen, bedeute nicht, daß die gewerkschaftliche Werbung und Information ohne Rücksicht auf die Rechte und Interessen anderer ausgeübt werden könne. Sie unterliege Schranken. Die Werbe- und Informationstätigkeit dürfe den Arbeitsablauf nicht beeinträchtigen und erst recht nicht stören. Sie dürfe deshalb nur vor oder nach der Arbeitszeit und während der Pausen ausgeübt werden. Bei der Werbung und Information müsse auf die besondere Eigenart der Betriebe Rücksicht genommen werden, wie sie insbesondere bei den kirchlichen Einrichtungen gegeben sei, deren Arbeit unter ihrem geistlich-religiösen Auftrag stehe. Auch die hier in Rede stehende Betreuung dürfe den Betriebsablauf nicht beeinträchtigen und habe daher gleichfalls außerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen. Um den im Schutz der Kirchenautonomie stehenden geistlich-religiösen Auftrag nicht zu belasten, gelte für die gewerkschaftliche Betätigung insgesamt das Gebot größtmöglicher Sachlichkeit. Die Gewerkschaften hätten im übrigen bei ihrer Werbe- und Informationstätigkeit auch den in Art. 9 Abs. 3 GG anerkannten Grundsatz des Koalitionspluralismus zu beachten; ihr Informations- und Werbematerial dürfe keinen parteipolitischen Inhalt haben, sie dürften nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit verstoßen und Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände oder hier die Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in unsachlicher Weise angreifen. Die Kirchenautonomie und die sich hieraus zugunsten der Kirchen ergebenden Folgerungen dürften nicht nur bei der Information, Werbung und Betreuung, sondern ganz allgemein nicht beeinträchtigt und nicht in Abrede gestellt werden. Die Auffassung der Revision, gegenüber den Gewerkschaften lasse sich ein Anspruch auf Beachtung dieser Abgrenzungskriterien nicht begründen und vor allem nicht durchsetzen, verkenne, daß bei Überschreitung der aufgezeigten Schranken die Gewerkschaften sich nicht mehr im Rahmen des ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechts hielten und der Unternehmer/Betriebsinhaber gegen eine solche Art der Betätigung mit den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Mitteln vorgehen könne.

Nach alledem stünden der Klägerin das ihr grundgesetzlich garantierte Recht auf Information, Betreuung und Werbung jedenfalls in Betrieben zu, in denen Arbeitnehmer bei ihr schon organisiert seien. Dies gelte innerhalb der aufgezeigten Grenzen auch gegenüber der Beschwerdeführerin als kirchlicher Einrichtung. In entsprechendem Umfang müsse der Gewerkschaft der Zutritt zum Betrieb der Beschwerdeführerin offenstehen.

II.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundrechts der Freiheit der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) in Verbindung mit dem Recht, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten, wie es durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistet sei.

1. Die Beschwerdeführerin sei als Stiftung des privaten Rechts grundrechtsfähig im Sinn des Art. 19 Abs. 3 GG. Karitative Tätigkeit und Diakonie fielen als kirchliche Grundfunktionen unter den Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG. Als Elemente der Religionsausübung gehörten sie im übrigen zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften im Sinn des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV. Die Beschwerdeführerin sei zwar nicht der Evangelischen Kirche als solche inkorporiert, also nicht Teil ihrer amtskirchlichen Organisation selbst; sie sei dieser aber in der Weise zugeordnet, daß sie an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags im Geiste evangelischer Religiosität, in Einklang mit dem Bekenntnis der Evangelischen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Evangelischen Kirche an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags unmittelbar teilnehme. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin stehe damit unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Art. 4 Abs. 2, 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV.

2. Diese Rechte seien durch die angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen verletzt, soweit sie ein gewerkschaftliches Zutrittsrecht durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte anerkannt hätten.

a) Das Zutrittsrecht von nicht betriebsangehörigen Gewerkschaftsbeauftragten zu den Einrichtungen der Beschwerdeführerin könne nicht auf Normen des allgemeinen (staatlichen) Arbeitsrechts mit dem Hinweis gestützt werden, daß diese auch die Beschwerdeführerin verpflichteten. Eine derartige Verpflichtung der Kirche auf das allgemeine (staatliche) Arbeitsrecht sei zwar grundsätzlich dort möglich, wo diese sich der Rechtsformen des staatlichen Arbeitsrechts bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen bzw. Einstellung von Mitarbeitern bediene. Voraussetzung für die Anwendung staatlichen Arbeitsrechts sei jedoch in jedem Einzelfall der Nachweis, daß ein konkretes Arbeits- oder Dienstverhältnis in seinen rechtlich maßgebenden Grundlagen nicht dem kirchlichen Kompetenzvorbehalt für die Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten im Sinn des Art. 137 Abs. 3 WRV unterstehe. Für die Frage des gewerkschaftlichen Zutrittsrechts bestätige dies auch die Tendenzschutzregelung des § 118 Abs. 2 BetrVerfG, derzufolge betriebsverfassungsrechtliche Zutrittsrechte der Gewerkschaften im Sinn des § 2 Abs. 2 BetrVerfG den Kirchen und ihren Einrichtungen gegenüber von vornherein keine Geltung beanspruchen könnten. Das Bundesarbeitsgericht habe in der angegriffenen Entscheidung den Vorbehalt des kirchlichen Amts- und Dienstrechts bzw. seiner kirchenautonomen Regelungsbefugnis in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Denn das Gericht habe nur die Dienstverhältnisse von Geistlichen, Diakonissen, Ordensangehörigen oder ähnlichen Personen als ausschließlich kirchenrechtlich angesehen und die im Dienst der karitativen Einrichtungen der Kirche tätigen übrigen Arbeitnehmer prinzipiell dem staatlichen Arbeitsrecht unterstellt.

Mit dieser Auslegung verletze das Bundesarbeitsgericht die Grundsätze der kirchenautonomen Regelung des Dienstrechts und seiner staatskirchenrechtlichen Ausprägung.

b) Das Dienstrecht der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin als Teil des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen sei einheitlich nach den Grundsätzen des kirchlichen Dienstrechts geregelt. Differenzierungen zwischen den einzelnen Gruppen von Mitarbeitern bestünden nicht.

Für alle Mitarbeiter der Beschwerdeführerin gelte der Einheits -Dienstvertrag. Danach sei es ausdrückliche Vertragsgrundlage, daß „die im Bereich des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen tätigen Mitarbeiter eine Dienstgemeinschaft bilden. Alle Mitarbeiter in dieser Dienstgemeinschaft haben ihren Dienst in Treue und Hingabe zu erfüllen. Es wird von ihnen erwartet, daß sie den christlichen Grundsätzen sowohl bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten als auch in ihrer persönlichen Lebensführung Rechnung tragen und demgemäß ihr gesamtes Verhalten in- und außerhalb des Dienstes der Verantwortung entspricht, die sie als Mitarbeiter des Diakonischen Werkes übernommen haben”. Gleiches ergebe sich aus den für das kirchliche Dienstrecht maßgebenden Bestimmungen der Kirchengesetze und Satzungen, insbesondere aus der Präambel zur Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 27. April 1977. Aus § 1 des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts-Regelungsgesetz – ARRG) vom 25. Oktober 1979 (KABl. S. 230), aus der Präambel und aus § 1 des Kirchengesetzes der Evangelischen Kirche von Westfalen über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen vom 16. Oktober 1975 (KABl. S. 166) sowie aus der Präambel zur Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen vom 24. September 1973. All diese Vorschriften spiegelten das Prinzip der grundsätzlich einheitlich geordneten Dienstverhältnisse im Rahmen der „Dienstgemeinschaft” des Diakonischen Werkes wider. Der in der diakonischen „Dienstgemeinschaft” geleistete einheitliche Dienst sei unmittelbar Ausfluß und Bestandteil der Wesens- und Lebensformen der Kirche und ihres religiösen Amtsauftrags. Mit der einheitlichen dienstrechtlichen Regelung aller Mitarbeiterverhältnisse im Diakonischen Werk habe die Evangelische Kirche von ihrem Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 137 Abs. 3 WRV Gebrauch gemacht. Es sei daher nicht zulässig, im Bereich von karitativer und diakonischer Tätigkeit mit dem Ziel zu differenzieren, daß für den einen Teil der Mitarbeiter kirchliches Amtsrecht und für den anderen Teil staatliches Arbeitsrecht gelte. Selbst wenn einzelne Tätigkeiten, die von Mitarbeitern in derartigen kirchlichen Einrichtungen geleistet würden, in ihrer äußeren Gestalt mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Funktionen in privatwirtschaftlichen Betrieben vergleichbar seien, so unterschieden sie sich rechtlich wie tatsächlich und weltanschaulich doch evident von allen Funktionen nichtkaritativer oder nichtdiakonischer, also arbeitsrechtlich privatwirtschaftlicher Tätigkeit. Daß im Einzelfall ein Dienstverhältnis den Strukturen eines allgemeinen Arbeitsverhältnisses ähnlich sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn den Kirchen bzw. ihren Einrichtungen stehe im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts auch die Befugnis zur typisierenden Gestaltung eines insgesamt einheitlichen Dienstrechts zu. Ob diese Regelung einem staatlichen Gericht einleuchte oder nicht, sei nach dem geltenden Staatskirchenrecht ohne Belang. All dies habe das Bundesarbeitsgericht verkannt.

c) Abgesehen von der – gemäß § 118 Abs. 2 BetrVerfG ohnehin nicht einschlägigen – Bestimmung des § 2 Abs. 2 BetrVerfG mit ihrer besonderen Zielsetzung kenne das staatliche Arbeitsrecht zumindest in seinen gesetzesrechtlichen Grundlagen kein gewerkschaftliches Zutrittsrecht in der hier vom Bundesarbeitsgericht angenommenen Art. Die Anerkennung eines solchen Zutrittsrechts stütze sich lediglich auf richterliche Erkenntnis. Das Bundesarbeitsgericht könne aber nicht uneingeschränkt als richterlicher „Ersatzgesetzgeber” fungieren. Sofern nicht Art. 9 Abs. 3 GG das im Streit stehende gewerkschaftliche Zutrittsrecht beinhalte, sei es dem Bundesarbeitsgericht untersagt, durch gerichtliche Einzelentscheidung das „für alle geltende Gesetz” im Sinn von Art. 137 Abs. 3 WRV zu ersetzen und so dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken zu setzen.

Ein auf Art. 9 Abs. 3 GG gegründetes gewerkschaftliches Betätigungsrecht könne nur in Abhängigkeit vom Individualgrundrecht der Koalitionsfreiheit gesehen werden, wie es den im Betrieb tätigen Gewerkschaftsmitgliedern zustehe. Unabhängig von deren Rechten stehe der Gewerkschaft für sich kein weiterreichendes, unbeschränktes Zugangsrecht zu. Im übrigen gewährleiste Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften nur einen „Kernbereich” koalitionsmäßiger Betätigung, nicht einen inhaltlich unbegrenzten und gesetzlich unbegrenzbaren Handlungsspielraum. Ein gewerkschaftliches Zutrittsrecht im berufsverbandlichen Sinne sei daher nur dann gerechtfertigt und anzuerkennen, wenn es zur existentiellen Sicherung gewerkschaftlicher Bestands- und Betätigungsrechte unabdingbar sei. Dies treffe hier ersichtlich nicht zu. Die klagende Gewerkschaft ÖTV sei im Betrieb der Beschwerdeführerin bereits durch Mitglieder vertreten. Über diese Mitglieder sei es ihr möglich, innerhalb der Einrichtung der Beschwerdeführerin zu werben und zu informieren.

Darüber hinaus sei ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsangehöriger aber auch generell zu verneinen. Im Bereich der Privatwirtschaft sei es schon unvereinbar mit Art. 14 GG, der das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. an der Funktionseinheit „Unternehmen” gewährleiste. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Betriebe sei es unerläßlich, dem Arbeitgeber in seinem Bereich die Möglichkeit zu belassen, für den Betriebsfrieden zu sorgen. Dieser aber könne gefährdet sein, wenn sich z. B. konkurrierende Gewerkschaften auf betrieblichem Boden durch betriebsfremde Beauftragte betätigen. Der Arbeitgeber könne sich in solchen Situationen nicht, jedenfalls nicht wirksam zur Wehr setzen. Durchgreifende Abwehrmöglichkeiten stünden ihm nur gegenüber betriebsangehörigen Gewerkschaftsmitgliedern zu; denn nur in deren Person lägen gegebenenfalls Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten vor. Gegenüber der Gewerkschaft bzw. gegenüber betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten werde er hingegen vergebens versuchen, sich durchzusetzen.

d) Im Falle der Beschwerdeführerin sei die Verfassungsverletzung durch Gewährung eines solchen Zutrittsrechts besonders evident. Sie folge mit aller Deutlichkeit aus Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, die die Funktionsfähigkeit kirchlicher Einrichtungen über Art. 14 GG hinaus im Sinne ihres besonderen religiösen Auftrags spezifisch gewährleisteten.

aa) Hinter dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG stehe der ökonomische Gegensatz von Kapital und Arbeit bzw. seine Überwindung durch ein Verfahren antagonistischer Interessenausgleichung (Tarifvertrag, Arbeitskampf etc.). Diese Grundprinzipien der grundgesetzlichen Arbeitsverfassung und ihrer kollektivrechtlichen Organisation seien im Bereich des kirchlichen Arbeits- und Dienstrechts prinzipiell nicht maßgebend. Hier dominiere das Prinzip des religiösen Amtsauftrags, der die maßgebenden Grundzüge des kirchlichen Arbeitsrechts bestimme. Das Verhältnis von Kirchen und Kirchenbediensteten lasse sich nicht auf den Gegensatz von Kapital und Arbeit zurückführen. Folgerichtig könnten kollektivrechtliche Funktionsansprüche gewerkschaftlicher Organisationen im kirchlichen Bereich nur dort legitimiert sein, wo diese unter Berücksichtigung der weltanschaulichen Besonderheiten des religiösen Amtsauftrags der Kirchen, unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und unter Wahrung der damit verbundenen dienstrechtlichen Sonderheiten kirchlicher Mitarbeiterverhältnisse zur Geltung gebracht würden. Dies bedeute, daß Gewerkschaften im kirchlichen Dienstbereich sich zu den Grundprinzipien des religiösen Amtsauftrags der Kirchen und ihrer Einrichtungen bekennen bzw. diese zumindest hinreichend achten müßten, um weltanschauliche oder politische Konflikte zu vermeiden. Bei der Gewerkschaft ÖTV könne hiervon nicht ausgegangen werden. Ihre Zielsetzungen und ihre Betätigungen wiesen, wie sich schon aus der Satzung ergebe, auf prinzipielle Differenzen zum kirchlich-religiösen Amtsauftrag, zum kirchlichen Selbstverständnis und zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht hin. Solches lasse sich jedoch mit den aufgezeigten Grundsätzen des kirchlichen Dienstrechts nicht vereinen. Die Evangelische Kirche und in ihrem Rahmen die Beschwerdeführerin hätten eigenständige Formen arbeitnehmerischer Mitbestimmung entwickelt; eine Mitbestimmung, die auf der Grundlage der kirchlichen Dienstgemeinschaft aufbaue, deren Grundsätze achte und doch den legitimen arbeitnehmerischen Interessen gerecht werde. Nach dem Selbstverständnis und verfassungsrechtlich gesicherten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen stehe es diesen frei, derartige Mitbestimmungsmodelle im Rahmen ihrer Dienst- und Organisationshoheit zu konstituieren, gleichgültig, ob Modelle dieser Art von den Koalitionen im allgemeinen Arbeits- und Wirtschaftsleben akzeptiert würden.

Regle sich das Mitbestimmungswesen im Bereich der Beschwerdeführerin demgemäß nach dem geltenden kirchenautonomen Mitarbeitervertretungsrecht, so könne demgegenüber der Interessen- und Aufgabenbereich der Koalitionen, wie er von den Gewerkschaften – hier von der Gewerkschaft ÖTV – verstanden wird, keine Rolle spielen. Das Grundrecht der (kollektiven) Koalitionsfreiheit erlaube nicht, unter Berufung auf ein dem kirchlichen Selbstverständnis entgegengesetztes Selbstverständnis gewerkschaftlicher Organisation oder unter Berufung auf die verfassungsrechtliche Garantie koalitionsmäßiger Betätigung das homogene, eigenständige System kirchenautonomer Arbeitnehmermitbestimmung zu unterlaufen oder auszuhöhlen. Die Gewerkschaften seien vielmehr auch im Rahmen ihrer Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG verpflichtet, sich an die Vorgaben und Systembezüge des kirchenautonomen Mitbestimmungsrechts zu halten und ihre Ziele sowie die zur Durchsetzung ihrer Interessen einzusetzenden Mittel dem verfassungskräftigen Vorbehalt der kirchenautonomen Mitbestimmungsordnung zu unterstellen. Nur auf dem Boden des gegebenen kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts könne die Gewerkschaft ihre Interessen im Bereich der Einrichtungen der Beschwerdeführerin zur Geltung bringen.

bb) Ein gewerkschaftliches Zutrittsrecht zugunsten betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter lasse sich danach gegen die vom kirchlichen Selbstverständnis getragenen Vorstellungen und Normen, wie sie für Einrichtungen wie die der Beschwerdeführerin bestimmend seien, nicht durchsetzen. Es könne auch nicht aus dem Grundgesetz hergeleitet werden. Die Verfassung stehe vielmehr der Anerkennung eines solchen Zutrittsrechts entgegen. Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten den Kirchen und den ihnen zugeordneten Einrichtungen das Recht auf Selbstverwaltung und Selbstbestimmung gemäß ihrem Selbstverständnis. Dazu gehöre auch die Befugnis, Gefahren entgegenzuwirken, wie sie sich aus dem hier in Frage stehenden „Zutrittsrecht” ergäben, z. B. der Gefahr, daß antikirchliche oder mit dem geltenden Mitbestimmungsrecht der Kirchen unvereinbare Initiativen im kirchlich-religiösen Bereich verfolgt werden. Andererseits sei ein gewerkschaftliches Recht zur Werbung, Information und Betreuung durch betriebsangehörige Gewerkschaftsbeauftragte anzuerkennen. Denn in deren Person sei sowohl der religiöse Amtsauftrag als auch das gewerkschaftliche Funktionsinteresse vereinigt. Das betreffende Gewerkschaftsmitglied müsse im Rahmen seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit die religiösen Pflichten des auch ihn bindenden kirchlichen Amtsauftrags wahren, d. h., gegebenenfalls auch auf bestimmte konfliktsträchtige Initiativen verzichten. Nur in diesen Grenzen sei es möglich, eine „Konkordanz” zwischen Koalitionsfreiheit einerseits und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht andererseits herzustellen. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Grenzziehung sei – weil mit dem gewerkschaftlichen Selbstverständnis unvereinbar und im übrigen auch praktisch undurchsetzbar – hierzu nicht geeignet.

III.

1. Die Bundesregierung und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung haben Gelegenheit erhalten, sich zu der Verfassungsbeschwerde zu äußern. Sie haben von einer Stellungnahme abgesehen.

2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleiste ein berufsverbandliches Zutrittsrecht zu den Anstalten der Beschwerdeführerin auch für betriebsexterne Gewerkschaftsbeauftragte. Dem stünden weder die Art. 13, 14 GG noch das den Kirchen durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Recht zur Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten entgegen.

Eine lediglich von betriebsangehörigen Gewerkschaftsbeauftragten ausgeübte Betreuung, Informations- und Werbetätigkeit sei nicht ausreichend. Nur ein externer Gewerkschaftsbeauftragter besitze nämlich die Schulung, die Erfahrung und das Wissen, um im Betrieb effektive Gewerkschaftsarbeit zu leisten. Nur er habe auch die dazu erforderliche Unabhängigkeit und die hierzu notwendige Zeit. Durch Verweisung der Gewerkschaft auf die Möglichkeit der Beauftragung betriebsinterner Gewerkschaftsangehörigen werde der Kernbereich des durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Betätigungsrechts verletzt.

Die Ansicht, dem Arbeitgeber fehle gegenüber einer exzessiven Ausübung des Zutrittsrechts durch externe Gewerkschaftsbeauftragte eine wirksame Abwehrmöglichkeit, sei nicht haltbar. Jeder Zutritt in den Betrieb und jede Betätigung innerhalb des Betriebs, die über das Maß der Berechtigung hinausgingen, könnten durch Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, notfalls auch präventiv durch einstweilige Verfügung, bekämpft werden.

Die Beschwerdeführerin regle die Rechtsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer durch Arbeitsverträge; sie sei daher an das für alle geltende Arbeitsrecht gebunden. Der Versuch, auch im Bereich der schlichten Arbeitsverhältnisse das Bestehen eines besonderen „kirchlichen Dienstrechts” herauszuarbeiten, gehe fehl. Keinesfalls aber handle es sich bei den mit der Beschwerdeführerin geschlossenen Einzelarbeitsverträgen um eine „rein innere kirchliche Angelegenheit”.

Es fehle auch jeder ausreichende Anhaltspunkt dafür, daß durch den unmittelbaren Kontakt der Arbeitnehmer mit der Gewerkschaft im Betrieb die Erfüllung der kirchlich-religiösen Aufgaben für die Beschwerdeführerin in irgendeiner relevanten Weise behindert oder erschwert würde. Zu Recht hätten die Kirchen und ihre karitativen Einrichtungen es zugelassen, daß sich ihre Arbeitnehmer bei der ÖTV gewerkschaftlich organisiert hätten.

Die Anerkennung eines Zutrittsrechts für externe Gewerkschaftsbeauftragte führe insbesondere nicht zu einer Störung des Betriebsfriedens. Denn derartige Gewerkschaftsbeauftragte seien viel geeigneter, durch Information und Betreuung bestehende Spannungen zu entschärfen, problematische Situationen zu klären und zum Ausgleich beizutragen als betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder.

3. Die Gewerkschaft ÖTV hat zur Stützung ihrer Rechtsauffassung arbeitsgerichtliche Entscheidungen und das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Wilhelm Herschel „Kirche und Koalitionsrecht” sowie das Gutachten von Prof. Dr. Franz Ruland „Werbung und Information durch Beauftragte der Gewerkschaften in Betrieben und kirchlichen Einrichtungen” vorgelegt.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

1. Die beschwerdeführenden Anstalten sind nach staatlichem Recht eine rechtsfähige Stiftung des Privatrechts (vgl. § 1 ihrer Satzung). Als juristische Person des Privatrechts kann die Beschwerdeführerin Trägerin von Grundrechten sein (Art. 19 Abs. 3 GG).

Da sich die Beschwerdeführerin entsprechend ihrer Satzung der Ausbildung, der erzieherischen und insbesondere krankenpflegerischen Tätigkeit in religiös-karitativer Form widmet, kann sie in ihrem Grundrecht der Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) verletzt werden (BVerfGE 46, 73 (83); 53, 366 (387 f.)). Die Tragweite dieses Grundrechts, das karitative Tätigkeit und Diakonie als kirchliche Grundfunktionen seinem Schutz unterstelle, soll nach der Behauptung der Beschwerdeführerin vom Bundes- und Landesarbeitsgericht verkannt worden sein mit der Folge, daß die Gerichte durch die angegriffenen Urteile Gewerkschaftsbeauftragten, die selbst nicht Mitarbeiter der Beschwerdeführerin sind, ein Zutrittsrecht zu deren Einrichtungen zuerkannt und damit gleichzeitig das im Grundrecht wurzelnde, verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin verletzt haben. Dieser Vortrag genügt für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch fristgerecht erhoben worden.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

I.

Im Rahmen der zulässigen Verfassungsbeschwerde ist das Bundesverfassungsgericht bei der materiell-rechtlichen Prüfung nicht darauf beschränkt zu untersuchen, ob eine der gerügten Grundrechtsverletzungen vorliegt. Es kann die angegriffenen Entscheidungen vielmehr unter jedem in Betracht kommenden verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit hin prüfen (BVerfGE 42, 312 (325 f.) m.w.N.; 53, 366 (390)).

Die Beschwerdeführerin versteht sich als kirchliche Einrichtung und rügt neben der Verletzung des Art. 4 Abs. 2 GG vornehmlich die Verletzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Insoweit ist nächstliegender Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, der den Religionsgesellschaften, also auch den Kirchen, die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (BVerfGE 46, 73 (85); 53, 366 (391)).

II.

Das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht haben durch die Anerkennung eines Rechts der Gewerkschaft ÖTV, in den von der Beschwerdeführerin getragenen Anstalten durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte zu informieren, zu werben und Mitglieder zu betreuen, die Tragweite des verfassungsrechtlich gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts der Beschwerdeführerin verkannt. Die das Revisionsurteil tragende Rechtsauffassung ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

1. Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und deren rechtlich selbständige Teile, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn die Einrichtungen nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfGE 46, 73 (LS 1, 85 ff.); 53, 366 (391) mit zahlreichen weiteren Nachweisen; ebenso: Isensee, Kirchenautonomie und sozialstaatliche Säkularisierung in der Krankenpflegeausbildung – Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Erstreckung des Berufsbildungs-Modells auf kirchliche Krankenhäuser –, Kath. Krankenhausverband Deutschlands; Deutscher Evangelischer Krankenhausverband, 1980, S. 47 ff.).

Zu diesen Einrichtungen gehört, wie auch das Bundesarbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung anerkannt hat, die Beschwerdeführerin. Sie ist Teil der Evangelischen Kirche von Westfalen. In ihrer bekenntnismäßigen Verbundenheit und der durch die Satzung ausgewiesenen organisatorischen Verflechtung mit ihrer Kirche hat sie Teil an dem Auftrag zu karitativdiakonischem Wirken, zur tätigen Nächstenliebe, der nicht nur die kirchlich getragene Krankenpflege, sondern auch allgemein die an den religiösen Grundanforderungen ausgerichtete Fürsorge für hilfsbedürftige Menschen einschließlich ihrer Erziehung und Ausbildung umfaßt (vgl. BVerfGE 24, 236 (246 ff.); 46, 73 (86 f.); 53, 366 (392 f.)).

Die Beschwerdeführerin ist eine Stiftung des privaten Rechts. Der Träger der Anstalten ist zwar der Evangelischen Kirche nicht unmittelbar korporiert; er ist ihr aber zugeordnet im Sinn der oben angestellten Erwägungen. Daß sich die Kirche insoweit zur Erfüllung ihres Auftrags einer Organisationsform des staatlichen Rechts bedient, hebt die Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Anstalten zur Kirche nicht auf. Ebensowenig kann in der Mitwirkung von Laien bei der Verwaltung eine Lockerung der Zuordnung zur Kirche gesehen werden (vgl. BVerfGE 53, 366 (392)).

2. Mit der Feststellung, daß die Beschwerdeführerin und die von ihr getragenen diakonischen Einrichtungen, die Funktionseinheit, durch die der kirchliche Auftrag seine Wirkung entfalten soll, zur Kirche gehören (vgl. BVerfGE 53, 366 (398 f.)), ist gleichzeitig entschieden, daß diese Einrichtungen „Angelegenheit” der Kirche sind und daß dieser insoweit die selbständige Ordnung und Verwaltung der Anstalten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes verfassungskräftig garantiert ist (BVerfGE 46, 73 (94); 53, 366 (399); so auch BAG, Beschluß vom 6. Dezember 1977 - 1 ABR 28/77 - AP Nr. 10 zu § 118 BetrVerfG 1972). Dieses Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht umfaßt alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten diakonischen Aufgaben zu treffen sind, z. B. Vorgaben struktureller Art, die Personalauswahl und die mit all diesen Entscheidungen untrennbar verbundene Vorsorge zur Sicherstellung der „religiösen Dimension” des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses (vgl. BVerfGE 24, 236 (249); 53, 366 (399)). In diesem Selbstbestimmungsrecht finden auch die aus dem Hausrecht der Anstalten (Art. 13 GG) und aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Abs. 2 WRV) sich ergebenden Rechtspositionen und Abwehransprüche ihre Zusammenfassung und Konkretisierung. So wie die individuelle und kollektive Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit auf verfassungsrechtlicher Ebene Wirkungen im Rechtsraum gegenüber Dritten zu entfalten vermag (vgl. BVerfGE 24, 236 (245, 251 f.)), so ist auch die von der Verfassung gewährleistete Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften und die Gewährleistung der Eigenständigkeit dieser Gesellschaften und ihrer Einrichtungen bei der Beurteilung von Rechtsbeziehungen zu berücksichtigen, die das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berühren. Beide Gewährleistungen entstammen einem vom Verfassungsgeber anerkannten unantastbaren Freiheitsraum, der nicht etwa vom Staat zur Verfügung gestellt oder von ihm abgeleitet ist. Die Garantie freier Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten (Art. 137 Abs. 3 WRV) erweist sich als notwendige, wenngleich rechtlich selbständige Sicherung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (BVerfGE 53, 366 (401)).

3. Der durch das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und der ihnen zugeordneten Einrichtungen gewährleistete Freiraum wirkt sich auch auf die Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als kirchliche Einrichtung und der Gewerkschaft ÖTV aus. Insoweit obliegt dem Bundesverfassungsgericht die Nachprüfung, ob bei der Urteilsfindung im arbeitsgerichtlichen Verfahren diesen übergreifenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen und den in ihnen niedergelegten Wertvorstellungen im gebotenen Umfang Rechnung getragen wurde. Da das Bundesarbeitsgericht das von ihm anerkannte Zutrittsrecht der Gewerkschaften unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG ableitete, ist auch dieser Teil der Entscheidung voll in die verfassungsgerichtliche Prüfung einzubeziehen.

4. Ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsangehöriger in den Anstaltsbereich der Beschwerdeführerin als der Evangelischen Kirche von Westfalen zugeordneter kirchlicher Einrichtung könnte mit dem Bundesarbeitsgericht nur bejaht werden, wenn das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, auf das sich die Beschwerdeführerin zur Abwehr des gewerkschaftlichen Begehrens berufen hat, durch ein „für alle geltendes Gesetz” im Sinn von Art. 137 Abs. 3 WRV eine verfassungsrechtlich zulässige Einschränkung erfahren hätte. An einer solchen gesetzlichen Regelung fehlt es jedoch.

a) In Art. 9 Abs. 3 GG, der im Blick auf die dieser Bestimmung unbestritten zukommende Drittwirkung (Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG) als ein für alle geltendes Gesetz im Sinn des Art. 137 Abs. 3 WRV in Betracht kommen könnte, ist ein Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte vom Wortlaut her nicht festgeschrieben. Es läßt sich aus dieser Vorschrift des Grundgesetzes auch nicht durch Auslegung ableiten.

Elemente der Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG sind die Gründungs- und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens sowie der Schutz der Koalition als solcher (BVerfGE 4, 96 (101 f.); 19, 303 (312, 319); 28, 295 (304)) und ihr Recht, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen (BVerfGE 19, 303 (312) m.w.N.; 28, 295 (304)).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu der den Koalitionen und ihren Mitgliedern verfassungsrechtlich gewährleisteten Betätigung auch die Werbung neuer Mitglieder (BVerfGE 28, 295 (304)), die ohne entsprechende Information und Selbstdarstellung seitens der Gewerkschaften nur schwer verwirklicht werden könnte. Die Verfassung garantiert jedoch selbst diese Tätigkeiten der Koalitionen nicht schrankenlos (BVerfGE 28, 295 (306)). Das Bundesverfassungsgericht geht vielmehr in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß Art. 9 Abs. 3 GG die Koalitionsfreiheit und damit auch das Betätigungsrecht der Koalitionen nur in einem Kernbereich schützt (vgl. BVerfGE 19, 303 (321 ff.); 28, 295 (304); 38, 281 (305); 38, 386 (393); 50, 290 (368); m.w.N.). Das Grundrecht räumt den geschützten Personen und Vereinigungen nicht einen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein (BVerfGE 38, 386 (393)); es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, daß er die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen ausgestaltet und näher regelt (BVerfGE 28, 295 (306); 50, 290 (368)). Dies ist vor allem dort unerläßlich, wo gewichtige Belange anderer, auch des Sozialpartners, berührt werden (vgl. hierzu auch BVerfGE 32, 54 (68 ff., 76 f.)).

Art. 9 Abs. 3 GG verbürgt verfassungskräftig gewerkschaftliche Betätigung jedenfalls nur insoweit, als diese für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition als unerläßlich betrachtet werden muß (BVerfGE 17, 319 (333); 28, 295 (304)). Auch wo sich ein solches Betätigungsfeld – etwa die Werbung innerhalb eines Betriebs durch Belegschaftsmitglieder – darbietet, kann der Gesetzgeber modifizierende Regelungen treffen, die dem jeweils in Frage stehenden Sachverhalt Rechnung tragen. Allerdings dürfen dabei dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz anderer Rechtsgüter, z. B. des Betriebsfriedens, des ungestörten Arbeitsgangs, von der Sache her geboten sind. Regelungen, die nicht in dieser Weise gerechtfertigt sind, tasten den Kerngehalt der Koalitionsbetätigung an (BVerfGE 19, 303 (321 f.); 28, 295 (304 ff.); 50, 290 (368 f.)).

Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht Ausdruck einer durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsverbürgten Autonomie und kernbereichsgeschützter Betätigungsfreiheit der Koalitionen, daß sie in jedem Fall, losgelöst von den jeweiligen besonderen Gegebenheiten, müßten bestimmen können, ob sie ihre werbende, informierende und betreuende Tätigkeit durch betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder ausüben lassen oder betriebsfremden Beauftragten diese Tätigkeit übertragen und somit selbst ein Zutrittsrecht wahrnehmen. Daß ohne berufsverbandliches Zutrittsrecht für betriebsexterne Gewerkschaftsangehörige die Erhaltung und Sicherung der Koalition gefährdet wäre, das Zutrittsrecht in dem vom Bundesarbeitsgericht festgestellten Umfang als unerläßlich betrachtet werden müßte und somit durch Art. 9 Abs. 3 GG postuliert wäre, ist jedenfalls dort, wo die Gewerkschaft bereits in Betrieben und Anstalten durch Mitglieder vertreten ist, mit Sicherheit auszuschließen. Die Koalitionen können sich in diesen Fällen nicht nur den Betriebsangehörigen gegenüber außerbetrieblich uneingeschränkt betätigen; sie können durch ihre zur Belegschaft zählenden Mitglieder auch innerbetrieblich die ihrem Fortbestand dienenden Rechte wahrnehmen. Es bleibt den gewerkschaftlich organisierten Betriebsangehörigen unbenommen, sich – gegebenenfalls nach entsprechender Einführung – innerhalb des Betriebs, am gemeinsamen Arbeitsort, werbend und unterrichtend zu betätigen, in zulässigem Umfang Plakate auszuhängen, Prospekte auszulegen und zu verteilen und mit den Arbeitnehmern zu sprechen. Daß externe Gewerkschaftsbeauftragte möglicherweise infolge größerer Unabhängigkeit, vermehrt zur Verfügung stehender Zeit und etwa besserer Schulung effektivere Gewerkschaftsarbeit zu leisten vermögen, erfordert nicht von Verfassungs wegen ihren Einsatz im Betrieb selbst.

b) Ein berufsverbandliches Zutrittsrecht, das Gewerkschaften erlauben würde, durch betriebsfremde Beauftragte innerhalb von Betrieben, am Arbeitsplatz zu werben, zu informieren und Mitglieder zu betreuen, ist auch nicht durch einfaches Gesetzesrecht ausgewiesen. Das sich aus § 2 Abs. 2 BetrVerfG ergebende Zutrittsrecht ist anderer Art. Es dient, ebenso wie sonstige, im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung gewährte spezielle Zugangsrechte, besonderen Aufgaben und steht unter der im Gesetz normierten Kooperations- und Friedenspflicht (§ 2 Abs. 1, § 74 BetrVerfG). Kraft ausdrücklicher Entscheidung des Gesetzgebers (§ 118 Abs. 2 BetrVerfG) findet dieses begrenzte Zugangsrecht ebenso wie das Betriebsverfassungsgesetz insgesamt auf die Kirchen und ihre Einrichtungen keine Anwendung. Daß diese gesetzgeberische Entscheidung im Blick auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV dem „verfassungsrechtlich Gebotenen” entspricht, hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt (BVerfGE 46, 73 (95)). Das Bundesarbeitsgericht hat daher, wie das angegriffene Urteil ausweist, mit Recht keine Möglichkeit gesehen, anknüpfend an die betriebsverfassungsrechtliche Zugangsregelung in richterlicher Rechtsfortbildung ein allgemeines gewerkschaftliches Zutrittsrecht zu entwickeln. Weder Art. 9 Abs. 3 GG noch die in seinem Umfeld gewachsenen Rechtsgrundsätze und wissenschaftlichen Meinungen, erst recht nicht das streng dualistische System des Betriebsverfassungsgesetzes bieten hinreichende Ansatzpunkte, die es erlauben würden, die Grenzen der richterlichen Gesetzesbindung (vgl. BVerfGE 49, 304 (318 f.)) auf diesem konfliktsträchtigen Gebiet so weit zu ziehen und hier die „Sache des Gesetzgebers”, nämlich „die Tragweite der Koalitionsfreiheit zu bestimmen und die Befugnisse der Koalitionen auszugestalten und näher zu regeln” (BVerfGE 50, 290 (368)), dem Richter zu überbürden (vgl. auch BVerfGE 32, 54 (76 f.)).

5. Nach alledem ist eine gesetzliche Regelung, aus der sich ein allgemeines berufsverbandliches Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte mit dem Ziel der Werbung, Informierung und Betreuung organisierter Belegschaftsmitglieder im Betrieb folgen würde, nicht gegeben. Auch aus Art. 9 Abs. 3 GG läßt sich ein solches Recht, wie dargelegt, nicht entnehmen. Dem Zutrittsbegehren der Gewerkschaft fehlt danach die Rechtsgrundlage. Ihm steht im konkreten Fall das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der beschwerdeführenden Anstalten entgegen.

Ob der Gesetzgeber in Ausführung des aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden Verfassungsauftrags angesichts der Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz neben den dort bestehenden, von der Aufgabe her begrenzten Zutrittsrechten ein zusätzliches berufsverbandliches Zugangsrecht für die Koalitionen schaffen kann, hat das Bundesverfassungsgericht hier nicht zu untersuchen. Es bedarf auch nicht der Prüfung, ob eine solche gesetzliche Regelung, würde sie trotz der in § 118 Abs. 2 BetrVerfG enthaltenen, mit der Verfassung übereinstimmenden gesetzgeberischen Entscheidung auch auf die Kirchen und die ihnen zugeordneten Einrichtungen erstreckt, sich als ein dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken setzendes Gesetz im Sinn des Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV erweisen könnte.

III.

1. Das Landesarbeitsgericht Hamm und das Bundesarbeitsgericht haben nach alledem die Bedeutung und Tragweite des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verkannt. Sie haben mit der Anerkennung eines koalitionsrechtlichen Zutrittsrechts für anstaltsfremde Gewerkschaftsbeauftragte zu den Einrichtungen der Beschwerdeführerin die genannten Verfassungsbestimmungen verletzt.

Im vorliegenden Fall bedarf es nur der Aufhebung der Revisionsentscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Bundesarbeitsgericht.

2. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Deshalb sind der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen von der Bundesrepublik Deutschland, der die Verfassungsverletzung zuzurechnen ist, zu erstatten (§ 34 Abs. 4 BVerfGG).

IV.

Diese Entscheidung ist im Ergebnis mit sieben gegen eine Stimme ergangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60551

BVerfGE 57, 220-249 (LT1)

BVerfGE, 220

BB 1981, 1150-1151 (ST)

DB 1981, 1467-1469 (ST)

NJW 1981, 1829

NJW 1981, 1829-1831 (LT1)

EuGRZ 1981, 338-342 (ST)

SAE 1981, 257

ZfSH 1981, 243-245 (LT1)

AP GG Art. 140, Nr. 9

AR-Blattei Kirchenbedienstete, Entsch 22a

AR-Blattei, ES 960 Nr 22a

Arbeitgeber 1981, 764

ArbuR 1981, 320

BayVBl 1981, 717-719 (LT1)

DÖV 1981, 630

DÖV 1981, 630-632 (LT1)

DÖV 1981, 796-796 (L1)

DVBl 1981, 761-763 (LT1)

EzA Art. 9 GG, Nr. 32

JZ 1981, 531-533 (LT1)

JuS 1981, 913-915 (LT)

KirchE 18, 392-406 (LT1)

MDR 1981, 817-818 (LT1)

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