Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag. Hauptschulabschlußkurse

 

Leitsatz (redaktionell)

Befristeter Arbeitsvertrag zwischen einer Volkshochschule und einer Lehrkraft zur Durchführung von Hauptschulabschlußkursen, die zu 90 % von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden

vgl. BAG Urteil vom 8. April 1992 – 7 AZR 135/91 –, zur Veröffentlichung bestimmt

 

Normenkette

BGB § 620; SR 2 y BAT Nr. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.03.1991; Aktenzeichen 10 Sa 1606/90)

ArbG Wuppertal (Urteil vom 18.10.1990; Aktenzeichen 5 Ca 2634/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. März 1991 – 10 Sa 1606/90 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 18. Oktober 1990 – 5 Ca 2634/90 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 31. Juli 1990 hinaus ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin unterrichtete seit 1987 als Weiterbildungslehrerin an der Volkshochschule der Beklagten in den Fächern Deutsch, Arbeits-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre. Zunächst schlossen die Parteien für die einzelnen Lehrgänge befristete Werk- und Arbeitsverträge. Nachdem das Arbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 22. Juni 1989 – 9 Ca 1309/89 – entschieden hatte, daß die in Schulabschlußlehrgängen tätigen Honorarkräfte in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stünden, übernahm die Beklagte sämtliche in diesem Bereich eingesetzten Honorarkräfte, etwa 30 Mitarbeiter, in unbefristete Arbeitsverhältnisse, und zwar mit der in den Honorarverträgen vereinbarten Arbeitszeit. Dementsprechend unterzeichneten die Parteien am 9. April 1990 mit Wirkung vom 1. Januar 1990 einen unbefristeten Arbeitsvertrag über zwölf Unterrichtsstunden wöchentlich. Die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten betrug 24 Unterrichtsstunden. Neben dem unbefristeten Teilzeitarbeitsvertrag vom 9. April 1990 bestand der befristete Teilzeitarbeitsvertrag vom 31. Oktober 1989 fort, der auszugsweise wie folgt lautete:

„…

Arbeitszeit: Hälfte der regelmäßigen

Tätigkeit:

Weiterbildungslehrerin als Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer gem. Sonderregelung 2 y Nr. 1 b zum BAT.

Beschäftigungsdauer:

Zur Durchführung der beruflichen Bildungsmaßnahme „Nachträglicher Erwerb des Hauptschulabschlusses” (Kurs-Nr. 1705) vom 04.09.89 bis 31.07.90

§ 1

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.61 – insbesondere nach der Sonderregelung 2 y BAT – sowie den hierzu ergangenen oder noch ergehenden tariflichen Regelungen. Nebenabreden zu diesem Arbeitsvertrag sind nur gültig, wenn sie schriftlich vereinbart worden sind.

Die Angaben in der Kopfspalte sind Bestandteil dieses Vertrages.

…”

Am 16. Oktober 1990 vereinbarten die Parteien:

„Der … Arbeitsvertrag vom 09.04.90 in der zuletzt gültigen Fassung wird wie folgt geändert:

Für die Zeit vom 17.09.90 bis 26.07.91 wird Frau S. im Rahmen der Bildungsmaßnahme „Nachträglicher Erwerb des Hauptschulabschlusses (Kurs-Nr. 1707)” mit zusätzlich 12 Unterrichtsstunden wöchentlich beschäftigt. Die Arbeitszeit beträgt somit für diesen Zeitraum 24 Unterrichtsstunden wöchentlich (volle regelmäßige), ab 27.07.91 wieder 12 Unterrichtsstunden wöchentlich.”

Die Klägerin unterzeichnete diese Vereinbarung mit folgendem handschriftlichen Zusatz:

„Die Zustimmung zu der Vertragsänderung erfolgt unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Klärung, inwieweit die Befristung Bestand hat.”

Die befristeten Arbeitsverträge vom 31. Oktober 1989 und 16. Oktober 1990 bezogen sich auf Hauptschulabschlußlehrgänge, die von der Bundesanstalt für Arbeit gefördert wurden. Seit 1982 führt die Volkshochschule neben den ausschließlich von der Beklagten finanzierten Kursen zur nachträglichen Erlangung des Hauptschulabschlusses weitere derartige Kurse durch, die von der Bundesanstalt für Arbeit als berufliche Bildungsmaßnahme zu ca. 90 % finanziert werden. Wenn die Bundesanstalt für Arbeit zur besseren Vermittlung jugendlicher Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt die Durchführung von Hauptschulabschlußkursen für erforderlich hält, hierfür Mittel bereitstellt und die Volkshochschule der Beklagten zum Maßnahmeträger bestimmt, schließt sie mit der Beklagten für die einzelnen Kurse Verträge. Darin verpflichtet sich die Bundesanstalt für Arbeit zur Zahlung von Lehrgangsgebühren und zur Übernahme sonstiger Kosten, die Beklagte zur Durchführung des Kurses entsprechend dem eingereichten Lehrplan und zur sorgfältigen Überwachung der Maßnahme. Die Zahl der zu erteilenden Unterrichtsstunden wird vertraglich festgelegt. An den von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Lehrgängen nehmen ausschließlich jugendliche Arbeitslose teil, die nach § 40 b AFG individuell gefördert werden können und die von der Bundesanstalt für Arbeit der Volkshochschule zugewiesen werden. Wenn die Voraussetzungen des § 40 b AFG für die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe nachträglich eintreten oder wegfallen, kann der Kursteilnehmer zwischen den von der Beklagten eigenfinanzierten Lehrgängen und den überwiegend von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Lehrgängen wechseln. Die Beklagte schickt Kursinteressenten und Kursteilnehmer, die unter § 40 b AFG fallen könnten, zum zuständigen Arbeitsamt, das über die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe entscheidet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unwirksam. Die Durchführung von Hauptschulabschlußkursen sei nach dem Weiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalens eine Daueraufgabe der Volkshochschule. Auch die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Lehrgänge seien bereits über einen längeren Zeitraum durchgeführt worden, ohne daß mit ihrer Beendigung in absehbarer Zeit zu rechnen sei. Das Arbeitsamt sei lediglich als Finanzierungspartner anzusehen, der pro Teilnehmer eine von der Kommune ermittelte Lehrgangsgebühr zu zahlen habe. Die Beklagte könne das Geldbeschaffungsrisiko nicht durch befristete Arbeitsverträge auf die Arbeitnehmer abwälzen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis, bestehend aus 38,5 Arbeitsstunden Vollzeitbeschäftigung über den 31. Juli 1990 hinaus unbefristet fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei wirksam. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführten „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer” (MBSE) treffe auf den vorliegenden Fall zu. Die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Hauptschulabschlußkurse seien für die Volkshochschule sozialstaatliche Sonderaufgaben von begrenzter Dauer. Die Volkshochschule führe sie im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durch. Beim Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages sei unsicher gewesen, ob, wie lange und in welchem Umfang die Bundesanstalt für Arbeit künftig Lehrgänge zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses noch fördere. Die Höhe der Mittel, die dem Arbeitsamt für die Durchführung dieser Maßnahmen zur Verfügung stünden, richte sich nach dem jeweiligen Bundeshaushalt, so daß die Bundesanstalt für Arbeit für die Folgejahre keine Zusage geben könne. Ob und in welchem Umfang die Bundesanstalt für Arbeit die Volkshochschule der Beklagten mit der Durchführung neuer Kurse beauftrage, hänge auch vom künftigen Bedarf ab. Wegen der abnehmenden Zahl ausbildungswilliger jugendlicher Arbeitsloser und der verbesserten Arbeitsmarktlage sei fraglich gewesen, ob die Bundesanstalt für Arbeit weiterhin eine oder mehrere berufsvorbereitende Maßnahmen nach § 40 b Nr. 1 AFG durchführe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Dem Feststellungsantrag der Klägerin ist stattzugeben. Das mit Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1989 vereinbarte Teilzeitarbeitsverhältnis besteht über den 31. Juli 1990 hinaus unbefristet fort. Dieses Teilzeitarbeitsverhältnis ergibt zusammen mit dem im Arbeitsvertrag vom 9. April 1990 zusätzlich vereinbarten unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnis eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung.

I. Für die Frage, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses wirksam oder unwirksam ist, kommt es in Fällen mehrfacher Befristung grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag an (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 8. Mai 1985, BAGE 49, 73, 79 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe). Der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages neben einem schon bestehenden unbefristeten Arbeitsvertrag hat nur dann Sinn, wenn die Vertragsparteien über die Wirksamkeit der Befristung des früheren Vertrages im Zweifel sind und sie infolgedessen den weiteren befristeten Vertrag nur für den Fall abschließen, daß sie nicht bereits aufgrund des vorangegangenen Vertrages in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen (Urteil des Senats vom 8. Mai 1985, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall haben die Parteien den neuen Arbeitsvertrag mit einem derartigen Vorbehalt abgeschlossen. Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten zur Vertragsänderung nur unter der Voraussetzung an, daß sich die Befristung des ursprünglichen Arbeitsvertrages als wirksam erweist. Diese abändernde Annahmeerklärung gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Vertragsangebot, das die Beklagte angenommen hat. Sie war mit dem Vorbehalt einverstanden und hat die Klägerin aufgrund der modifizierten Arbeitsvertragsänderung vom 16. Oktober 1990 weiterbeschäftigt. Der vereinbarte Zusatz enthält die zulässige Rechtsbedingung, daß der Änderungsvertrag vom 16. Oktober 1990 nur für den Fall der Wirksamkeit der Befristung des Vertrages vom 31. Oktober 1989 gelten soll.

II. Die im Vertrag vom 31. Oktober 1989 vereinbarte Befristung ist nicht bereits aus formalen Gründen unwirksam.

1. Die Sonderregelungen für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer und für Aushilfsangestellte (SR 2 y BAT) gelten kraft der einzelvertraglichen Vereinbarung in § 1 des Arbeitsvertrages vom 31. Oktober 1989. An dieser Vereinbarung hält auch der Änderungsvertrag vom 16. Oktober 1990 fest. Nach Nr. 2 Abs. 1 SR 2 y BAT ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Diese Regelung dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Sie will einem Streit der Parteien darüber vorbeugen, welcher Grund für die Befristung maßgeblich war. Dementsprechend darf sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf solche sachlichen Gründe berufen, die einer anderen als der vereinbarten Befristungsgrundform zuzuordnen sind. Derartige Sachgründe sind durch die getroffenen Vereinbarungen ausgeschlossen und dürfen nicht nachgeschoben werden (ständige Rechtsprechung seit BAGE 37, 283, 295 = AP Nr. 64 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 2 a der Gründe).

2. Nr. 2 SR 2 y BAT verlangt aber nicht die Angabe des konkreten sachlichen Befristungsgrundes, sondern nur die Vereinbarung der tariflichen Befristungsgrundform nach Absatz 1 dieser Vorschrift, also die Vereinbarung, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Für diese Vereinbarung ist keine bestimmte Ausdrucksweise vorgeschrieben (ständige Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 31. Oktober 1974 – 2 AZR 483/73 – AP Nr. 39 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 3 der Gründe). Auch mißverständliche, insbesondere nach dem juristischen oder tariflichen Sprachgebrauch unzutreffende Formulierungen sind unschädlich, wenn sich ein übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen läßt. Welche tarifliche Grundform nach Nr. 2 Abs. 1 SR 2 y BAT vereinbart wurde, ist in jedem Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.

3. Diese Auslegung haben die Vorinstanzen unterlassen. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die im Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1989 enthaltene Vereinbarung des Befristungsgrundes eine typische oder eine nichttypische Vertragsbestimmung ist. Das Revisionsgericht kann auch nichttypische Vertragsbestimmungen selbst auslegen, wenn – wie hier – der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt ist und kein weiteres tatsächliches Vorbringen zu erwarten ist, insbesondere wenn es sich um die Auslegung einer Vertragsurkunde handelt und besondere Umstände des Einzelfalles, die der Auslegung eine bestimmte, der Beurteilung des Revisionsgerichts entzogene Richtung geben könnten, ausscheiden (ständige Rechtsprechung, u.a. BAGE 60, 1, 5 = AP Nr. 125 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 der Gründe; Urteil vom 28. Februar 1991 – 8 AZR 89/90 – NZA 1991, 685 f. = EzA § 72 ArbGG 1979 Nr. 11, zu 2 b bb der Gründe, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, jeweils m.w.N.).

4. Im Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1989 ist angegeben, daß die Klägerin „zur Durchführung der beruflichen Bildungsmaßnahme nachträglicher Erwerb des Hauptschulabschlusses (Kurs-Nr. 1705)” beschäftigt werde. Sie wußte, daß die Besonderheiten dieser beruflichen Bildungsmaßnahme für den Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages ausschlaggebend waren. Die Beklagte hat unstreitig zwischen den eigenfinanzierten und den überwiegend von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Hauptschulabschlußlehrgängen unterschieden. Mit beruflichen Bildungsmaßnahmen waren in Anlehnung an die Terminologie des Arbeitsförderungsgesetzes die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Hauptschulabschlußlehrgänge gemeint. Die Besonderheiten dieser Kurse, vor allem ihr Zustandekommen und ihre Zusammensetzung, waren der Klägerin zumindest aus ihrer früheren Tätigkeit bekannt. Jedenfalls unter diesen Umständen ist eine falsche rechtliche Einordnung des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag unschädlich.

III. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Befristung des Arbeitsverhältnisses weder nach Nr. 1 Buchst. a noch nach Nr. 1 Buchst. b SR 2 y BAT gerechtfertigt. Die Aufgaben, für die die Klägerin eingestellt wurde, waren nicht von begrenzter Dauer, und es lagen auch keine sachlichen Gründe für eine Beschäftigung als Zeitangestellte vor.

1. Die Unsicherheit über die künftige Teilnehmerzahl und das Risiko, daß wegen fehlender Nachfrage ein Teil der Hauptschulabschlußkurse nicht mehr durchgeführt werden kann, ist noch kein sachlicher Grund für die Befristung. Diese Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch den Abschluß befristeter Arbeitsverträge auf seine Arbeitnehmer abwälzen kann (vgl. BAGE 54, 10, 18 = AP Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe). Der Arbeitgeber kann sich bei nicht oder nur schwer voraussehbarem quantitativen Bedarf nicht darauf berufen, mit befristeten Arbeitsverhältnissen könne er leichter und schneller auf Bedarfsschwankungen reagieren (BAGE 56, 241, 249 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 3 b der Gründe).

2. Ebensowenig rechtfertigt allein die Abhängigkeit von Zahlungen anderer öffentlich-rechtlicher Rechtsträger und von Haushaltsmitteln die Befristungen. Das Haushaltsrecht kann nicht unmittelbar in die Rechte Dritter und damit auch nicht unmittelbar in das Arbeitsverhältnis eingreifen. Wegen der zeitlichen Begrenzung des Haushaltsplans durch das Haushaltsjahr ist zwar ungewiß, ob ein künftiger Haushaltsplan noch Mittel vorsieht. Aber auch in der Privatwirtschaft ist nicht gesichert, daß entsprechende Mittel in Zukunft zur Verfügung stehen. Die Unsicherheit der finanziellen Entwicklung gibt noch keinen sachlichen Grund für die Befristung ab (BAGE 36, 229, 233 = AP Nr. 61 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 4 der Gründe; BAG Urteil vom 27. Januar 1988 – 7 AZR 292/87 – AP Nr. 116 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 3 b aa der Gründe, m.w.N.). Dementsprechend reicht auch die allgemeine Unsicherheit über das Weiterlaufen von Drittmitteln nicht aus (BAG Urteil vom 25. Januar 1980 – 7 AZR 69/78 – AP Nr. 52 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 3 der Gründe; BAGE 41, 110, 115 f. = AP Nr. 72 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 3 der Gründe).

3. Die Abhängigkeit sowohl von der künftigen Nachfrage als auch von den Zahlungen anderer öffentlich-rechtlicher Rechtsträger und den ihnen zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln führt noch nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar kann ein sogenannter Mischtatbestand geeignet sein, eine Befristung sachlich zu rechtfertigen, weil es sich bei den von der Rechtsprechung anerkannten Befristungsgründen um keine abschließende Aufzählung handelt. Die als Befristungsgrund vorgetragene Fallgestaltung muß jedoch gewichtige rechtserhebliche Besonderheiten auf weisen, die eine nahtlose Einordnung in die bisher anerkannten Typen unmöglich machen. Die erforderliche eigene rechtliche Bewertung derartiger Fallgestaltungen verändert jedoch nicht den Prüfungsmaßstab. Auch bei ihnen muß nach den Wertmaßstäben der bisherigen Rechtsprechung ein sachlicher Grund für eine Befristung anzuerkennen sein (vgl. BAGE 42, 203, 208 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 22. März 1985 – 7 AZR 487/84 – AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 24. September 1986 – 7 AZR 669/84 – AP Nr. 12 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 2 b aa der Gründe).

Neben der Abhängigkeit vom künftigen Bedarf und von Drittmitteln liegen keine weiteren Umstände vor, die von solchem Gewicht sind, daß auch ein verständig und sozial denkender Arbeitgeber den Arbeitsvertrag nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen hätte.

a) Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht auf die Urteile des Senats vom 28. Mai 1986 (BAGE 52, 122, 128 ff. = AP Nr. 101 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 b der Gründe, und BAGE 52, 133, 143 und 145 ff. = AP Nr. 102, a.a.O., zu I 3 sowie II 2 a und b der Gründe), vom 24. September 1986 (– 7 AZR 669/84 – AP Nr. 12 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 2 a aa der Gründe) und vom 15. März 1989 (– 7 AZR 264/88 – AP Nr. 126 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe) stützen. In diesen Urteilen hat der Senat bei den im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführten und von ihr im wesentlichen auch finanzierten „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer” (MBSE) die Befristung der zwischen den Lehrkräften und den Maßnahmeträgern geschlossenen Arbeitsverträge für wirksam erachtet. Der projektbedingt erhöhte personelle Mehrbedarf ist wegen der weitgehend durch die Bundesanstalt für Arbeit bestimmten Personalvorgaben sowie wegen der für den einzelnen Maßnahmeträger bestehenden Unsicherheit über die Durchführung weiterer überbetrieblicher Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des Benachteiligtenprogramms als sachlicher Grund dafür angesehen worden, die Arbeitsverhältnisse der projektbezogen beschäftigten Arbeitnehmer für die Dauer des jeweiligen Ausbildungsjahres zu befristen. In den MBSE-Urteilen ist vor allem auch darauf abgestellt worden, daß diese Berufsbildungsmaßnahmen für den einzelnen Maßnahmeträger jeweils befristet übertragene (= ausbildungsjahrbezogene) sozialstaatliche Sonderaufgaben von begrenzter Dauer darstellen. Diese Erwägungen treffen auf den vorliegenden Fall nicht zu.

b) Die von der Bundesanstalt für Arbeit mitfinanzierten Hauptschulabschlußkurse sind für die Volkshochschule keine sozialstaatliche Sonderaufgabe von begrenzter Dauer. Der Unterricht zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen gehört zu den Weiterbildungsaufgaben der Volkshochschule der Beklagten. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich nach dem Weiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalens um eine Pflichtaufgabe der Beklagten handelt. Daueraufgaben müssen nicht auf gesetzlichen Pflichten beruhen, sondern können auch freiwillig übernommen werden. Die Volkshochschule führt bereits seit längerer Zeit Hauptschulabschlußlehrgänge durch, wobei seit 1982 ein Teil der Kurse hauptsächlich von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wird. An diesem Bildungsangebot will die Beklagte auch in Zukunft festhalten.

c) Die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Hauptschulabschlußlehrgänge werden für die Volkshochschule nicht deshalb zu sozialstaatlichen Sonderaufgaben von begrenzter Dauer, weil die Volkshochschule die Teilnehmer vom Arbeitsamt zugewiesen erhält. Der Empfänger der angebotenen Leistung und der Auftraggeber müssen nicht identisch sein. Z.B. kann ein Großabnehmer vereinbaren, daß die Waren unmittelbar an seine Kunden geliefert werden.

d) Durch die Verträge mit der Bundesanstalt für Arbeit erweitert die Volkshochschule ihre Breitenwirkung. Die Volkshochschule kann mit eigenen Mitteln nur eine bestimmte Zahl von Lehrgängen durchführen. Wenn die Bundesanstalt für Arbeit Schulungsträger für Hauptschulabschlußkurse sucht, beteiligt sich die Volkshochschule entsprechend ihrem Bildungsauftrag an den Ausschreibungen. Mit der Durchführung der von der Bundesanstalt für Arbeit ausgeschriebenen Kurse verwirklicht die Volkshochschule gleichzeitig ihre eigenen Bildungsziele.

e) Die einzelnen von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten Hauptschulabschlußlehrgänge sind keine jeweils gesondert zu betrachtenden, eigenständigen Projekte. Sie dienen ebenso wie die von der Beklagten selbst finanzierten Kurse der Erfüllung einer übergreifenden, auf Dauer angelegten Aufgabe der Volkshochschule. Nach den Zielvorstellungen der Beklagten sind die Hauptschulabschlußlehrgänge kein zeitlich begrenztes Weiterbildungsangebot. Selbst wenn die Bundesanstalt für Arbeit als Auftraggeber ausfiele, würden die Hauptschulabschlußkurse weitergeführt, wenn auch in geringerer Zahl. Falls sich die Bundesanstalt für Arbeit aus diesem Bereich ganz oder teilweise zurückzöge, müßte die Beklagte darüber entscheiden, inwieweit sie selbst mit eigenen Mitteln die entstehenden Lücken füllen könnte und wollte.

Die Beklagte ist zwar nicht verpflichtet, die Nachfrage für schulabschlußbezogene Lehrgänge unbegrenzt zu befriedigen, sondern entscheidet über die Zahl der Lehrveranstaltungen und die Anzahl der Lehrgangsplätze frei. Aber auch ein Privatunternehmer entscheidet frei darüber, in welchem Umfang er sich engagiert. Die Möglichkeit, daß künftig Aufträge wegfallen und der Unternehmer nicht bereit ist, die dadurch frei werdenden Personalkapazitäten für andere gleichartige Aufgaben zu nutzen, rechtfertigt noch keine Befristung.

f) Im Gegensatz zu den MBSE-Maßnahmen führt die Volkshochschule die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Hauptschulabschlußkurse nicht weitgehend fremdbestimmt durch. Die Bundesanstalt für Arbeit hat keine genauen Richtlinien über die Aufgaben, die Ziele, den Inhalt und die Organisation der Hauptschulabschlußkurse erlassen. Ohne derartige nähere Vorgaben gestaltet die Beklagte nach ihren Vorstellungen und ihrem Konzept die Lehrgänge aus. Dies ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht unerheblich. Vielmehr war die weitgehende Fremdbestimmtheit bei den MBSE-Urteilen des Bundesarbeitsgerichts von entscheidender Bedeutung. Übernimmt die Volkshochschule die Durchführung einer andersartigen, fremden Aufgabe und stellt sie nach den Vorgaben ihres Auftraggebers Personal ein, das speziell hierfür qualifiziert ist, so ist ein anderweitiger Einsatz dieser Mitarbeiter erheblich schwieriger als im vorliegenden Fall.

g) Inhalt und Lernziele aller Hauptschulabschlußlehrgänge stimmen überein und hängen nicht davon ab, wer sie finanziert. Dementsprechend sind die Kurse durchlässig. Ein Teilnehmerwechsel findet statt, wenn die Voraussetzungen für eine Berufsausbildungsbeihilfe nach § 40 b AFG nachträglich eintreten oder wegfallen. Wegen der Einheitlichkeit des Kursangebotes können, sofern die Nachfrage es zuläßt und entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, Rückgänge in einem Bereich durch Steigerungen im anderen Bereich kompensiert werden. Die Lehrkräfte, die für einen von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Kurs eingestellt werden, sind in einem entsprechenden, von der Beklagten selbst finanzierten Kurs zum nachträglichen Erwerb eines Schulabschlusses einsetzbar.

IV. Die Klage ist demnach begründet, so daß der Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 91 ZPO stattzugeben war.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Kremhelmer, Dr. Sponer, Straub

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065585

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