Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung, Erwerbsunfähigkeit, Schadenersatz

 

Orientierungssatz

Nach dem Manteltarifvertrag für den hessischen Einzelhandel, Fassung 1976 und 1981, wird die Übertragung des Urlaubs in das folgende Urlaubsjahr als Ausnahmefall behandelt und nur zugelassen, wenn dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen geboten erscheint. Der übergegangene Urlaubsanspruch wird auf den 31. März des folgenden Urlaubsjahres befristet.

 

Normenkette

TVG § 1; BUrlG § 4; RVO § 183; BGB § 146; BUrlG § 7; RVO §§ 1247, 1246

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.10.1984; Aktenzeichen 11 Sa 63/83)

ArbG Kassel (Entscheidung vom 24.11.1982; Aktenzeichen 4 Ca 550/82)

 

Tatbestand

Die am 4. Februar 1928 geborene Klägerin war seit dem 18. Januar 1965 in der Kaufhausfiliale K der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für den hessischen Einzelhandel (MTV) Anwendung. In § 11 der ab 1. November 1976 gültigen Fassung dieses Tarifvertrags (im folgenden: Fassung 1976) und in § 12 der ab 1. Januar 1981 gültigen Fassung (im folgenden: Fassung 1981) ist gleichlautend geregelt:

".....

2. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

.....

6. Der Anspruch auf Gewährung des gesamten

Jahresurlaubs steht dem Arbeitnehmer über

18 Jahren nach einer ununterbrochenen Tätigkeit

von sechs Monaten zu, soweit das

Arbeitsverhältnis ungekündigt ist.

.....

9. Übertragung des Urlaubs in das folgende

Urlaubsjahr ist grundsätzlich nur dann zulässig,

wenn dies aus dringenden betrieblichen

oder persönlichen Gründen geboten

erscheint. Soweit solche Ausnahmen unvermeidlich

waren, soll der fällige Urlaub

bis spätestens 31. März des folgenden Urlaubsjahres

gewährt bzw. genommen werden.

10. Der Urlaub darf grundsätzlich nicht durch

Geld oder sonstige Vergütung abgegolten

werden. Abgeltung kann nur bei Beendigung

des Arbeitsverhältnisses verlangt werden,

soweit der Urlaub nicht in die Kündigungsfrist

gelegt werden kann.

....."

Am 30. Juni 1980 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Am 28. Juni 1982 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Die Klägerin hatte zwischenzeitlich ihre Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt. Seit 1. Juli 1982 erhält sie von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Erwerbsunfähigkeitsrente. Wegen ihrer Erkrankung hatte die Klägerin von ihrem Urlaub für das Jahr 1980 20 Tage nicht nehmen können.

Die Klägerin begehrt die Abgeltung dieser 20 Urlaubstage in unstreitiger Höhe von 891,54 DM brutto und weiterer 17 Urlaubstage für 1982 in ebenfalls unstreitiger Höhe von 834,31 DM brutto. Sie hat behauptet, im März 1981 habe der im Betrieb der Beklagten tätige Abteilungsleiter F ihr zugesagt, daß der Resturlaub für 1980 abgegolten werde. Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 1.725,85 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus 891,54 DM

seit 1. Januar 1981 sowie aus 834,31 DM

seit 29. Juni 1982 zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, die Abgeltung des Resturlaubs für 1980 sei der Klägerin nur als Anreiz für die sofortige einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses angeboten worden. Zu dieser sei es im März 1981 jedoch nicht gekommen. Das Angebot gelte daher nicht mehr.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin die Urlaubsabgeltung für 1980 (891,54 DM) zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch für 1980 habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestanden, weil Urlaub während einer Erkrankung des Arbeitnehmers nicht verfalle. Dem Urlaubsanspruch für 1982 stehe jedoch der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage auch in Höhe des zugesprochenen Betrags abgewiesen und die Anschlußberufung der Klägerin, mit der diese den Klageantrag auch insoweit weiterverfolgte, als das Arbeitsgericht ihn abgewiesen hatte, zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Ansicht vertreten, der Urlaubsabgeltungsanspruch für beide Jahre stehe der Klägerin nicht zu, weil diese seit 30. Juni 1980 nicht mehr gearbeitet habe und jetzt Rentnerin sei; sie könne sich daher nicht mehr von verrichteter Arbeit erholen und brauche für künftige Arbeit keine Kräfte zu sammeln. Auf die Zusage des Abteilungsleiters F könne der Anspruch für 1980 nicht gestützt werden, weil diese im März 1981 nur unter der nicht eingetretenen Voraussetzung erteilt worden sei, daß die Klägerin mit der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Klägerin Urlaubsabgeltung für das Jahr 1982 in Höhe von 834,31 DM nebst Zinsen begehrt. Im übrigen hat die Revision keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abgeltung der 20 Urlaubstage für das Jahr 1980. Ob ihr ein Anspruch auf Abgeltung der 17 Urlaubstage für 1982 zustand, für dessen späteren Verfall die Beklagte der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs auf Schadenersatz einstehen muß, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.

I. Die Ansprüche auf den Urlaub, dessen Abgeltung die Klägerin begehrt, waren entstanden.

1. Für den Urlaub 1980 folgt dies daraus, daß die Klägerin bereits seit 1965 bei der Beklagten beschäftigt war und somit die in § 11 Nr. 6 MTV (Fassung 1976) bestimmte Wartezeit erfüllt hatte.

2. Gleiches gilt für den Urlaub 1982. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht diesem Anspruch nicht entgegen, daß die Klägerin im Urlaubsjahr 1982 keine Arbeitsleistung erbracht hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (seit Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) setzt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, § 11 Nr. 6 MTV (Fassung 1976)/§ 12 Nr. 6 (Fassung 1981) voraus. Die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr ist nicht Anspruchsvoraussetzung. Der Anspruch ist deshalb auch nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr wegen Krankheit nicht gearbeitet hat.

II. Die Abgeltung des Urlaubs 1980 konnte die Klägerin jedoch nicht verlangen, weil der Anspruch auf diesen Urlaub am 31. März 1981 erloschen ist und somit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28. Juni 1982 nicht mehr bestand.

1. Nach § 12 Nr. 10 Satz 1 und Satz 2 MTV (Fassung 1981) kann Urlaubsabgeltung nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden. Diese Bestimmung setzt ebenso wie § 7 Abs. 4 BUrlG voraus, daß der Urlaubsanspruch, der abgegolten werden soll, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch besteht, also vor diesem Zeitpunkt weder erfüllt wurde noch aus einem anderen Grund erloschen ist.

2. Der Anspruch der Klägerin auf den restlichen Jahresurlaub für 1980 ist am 31. März 1981 erloschen. Dies folgt aus § 12 MTV (Fassung 1981).

Nach Nummer 2 dieser Bestimmung ist Urlaubsjahr das Kalenderjahr. Nach Nummer 9 Satz 1 ist Übertragung des Urlaubs in das folgende Urlaubsjahr grundsätzlich nur dann zulässig, wenn dies aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen geboten erscheint. Nach Satz 2 soll, soweit solche Ausnahmen unvermeidlich waren, der fällige Urlaub bis spätestens 31. März des folgenden Urlaubsjahres gewährt bzw. genommen werden. Der Urlaub der Klägerin für 1980 ist somit, weil die Klägerin arbeitsunfähig war, nach Satz 1 in das Urlaubsjahr 1981 übertragen worden. Er ist jedoch am 31. März 1981, dem Ende des in Satz 2 vorgesehenen Übertragungszeitraums, erloschen.

Der Tarifwortlaut steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar heißt es in Nummer 9 Satz 2, daß der fällige Urlaub bis spätestens 31. März des folgenden Urlaubsjahres gewährt bzw. genommen werden "soll". Darin ist keine Erweiterung gegenüber der Bestimmung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG zu sehen. In dieser ist zwar ausdrücklich bestimmt, daß der Urlaub bis zum Ende des Übertragungszeitraums genommen werden "muß". Der abweichende Wortlaut des Tarifvertrags läßt jedoch nicht den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien eine andere Regelung getroffen haben als das Gesetz.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei der Tarifauslegung über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Bei Beachtung dieser Grundsätze ist der Wille der Tarifvertragsparteien unverkennbar, in § 12 Nr. 9 MTV (Fassung 1981) die Übertragbarkeit und den Verfall des Urlaubs in Anlehnung an die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes zu regeln, nach denen der in das folgende Urlaubsjahr übertragene Urlaub am 31. März erlischt (vgl. BAGE 39, 53 = AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG Übertragung). Die Tarifnorm entspricht in ihrem Aufbau § 7 Abs. 3 BUrlG. In Satz 1 wird ebenso wie im Gesetz die Übertragung des Urlaubs in das folgende Urlaubsjahr als Ausnahmefall behandelt und nur zugelassen, wenn dies aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen geboten erscheint. Satz 2 befristet den übergegangenen Urlaubsanspruch auf den 31. März des folgenden Urlaubsjahres. Daß die Tarifnorm anders als die gesetzliche Bestimmung nur als Sollvorschrift gefaßt ist, rechtfertigt nicht den Schluß, die Tarifvertragsparteien hätten eine weitere Übertragung über den 31. März des folgenden Urlaubsjahres hinaus regeln wollen. Diese Auslegung käme nur in Betracht, wenn der Tarifvertrag erkennen ließe, unter welchen Voraussetzungen diese weitere Übertragung des Urlaubs zugelassen werden soll. Beispiel für eine Bestimmung, nach der der Urlaub im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über den Übertragungszeitraum hinaus fortbesteht, ist die Vorschrift des § 10 Nr. 8 MTV Metall NRW, die bereits Gegenstand von Entscheidungen des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (7. November 1985 - 6 AZR 62/84 - AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung) und des erkennenden Senats (Urteil vom 13. November 1986 - 8 AZR 219/84 -, nicht veröffentlicht) war. In dieser ist geregelt, daß der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres erlischt, "es sei denn, daß Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte". Eine solche Vorschrift enthält der hier anzuwendende Tarifvertrag nicht. Auch Nummer 12 der Tarifbestimmung ist insoweit unergiebig. Zwar ist dort nicht nur entsprechend § 9 BUrlG geregelt, daß im Falle der Arbeitsunfähigkeit die Dauer der Erkrankung nicht auf die Urlaubstage angerechnet wird. Vielmehr heißt es weiter: "Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf entsprechende Urlaubstage nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit". Diese Vorschrift enthält schon deshalb keine allgemeine Ausnahme von der Verfallnorm der Nummer 9 Satz 2, weil sie eine Nachgewährung von Urlaub nur vorschreibt, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs eingetreten ist. Diese Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben.

3. Der Klägerin steht auch aufgrund der Zusage des Abteilungsleiters F ein Anspruch auf Abgeltung des restlichen Jahresurlaubs für 1980 nicht zu. Nach den nicht mit Revisionsrügen angefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hing die Zusage, in der kein Anerkenntnis des Anspruchs lag, davon ab, daß die Klägerin sich im März 1981 mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärte. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß das Angebot des Abteilungsleiters durch die Ablehnung der Klägerin erloschen ist (§ 146 BGB).

III. Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für 1982 stand der Klägerin zu, als sie am 28. Juni 1982 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied. Seine Entstehung wurde nicht dadurch gehindert, daß die Klägerin in diesem Zeitpunkt noch arbeitsunfähig erkrankt war. Dies hätte zwar bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs entgegengestanden und schloß nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus. Falls die Erkrankung der Klägerin über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fortbestand, hinderte dies jedoch nicht, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch im Zeitpunkt des Ausscheidens nach § 12 Nr. 10 Satz 2 MTV (Fassung 1981) entstand (vgl. BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAGE 48, 186 = AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Abgeltung).

Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin für 1982 ist aber, da er als Surrogat des Urlaubsanspruchs der gleichen Befristung unterlag wie dieser (vgl. BAGE 46, 224 = AP aaO, zu 2 der Gründe), gemäß § 12 Nr. 9 Satz 2 MTV (Fassung 1981) am 31. März 1983 erloschen.

IV. Mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann jedoch nicht entschieden werden, ob die Beklagte der Klägerin für diesen Anspruchsverlust nach §§ 286, 280, 287 Satz 2, 249 BGB ganz oder teilweise Schadenersatz leisten muß (vgl. Urteil des Senats vom 30. Juli 1986 - 8 AZR 475/84 - AP Nr. 22 zu § 13 BUrlG, zu I 6 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Dies setzt voraus, daß die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 20. August 1982 die Beklagte hinsichtlich des Abgeltungsanspruchs in Verzug gesetzt hat. Dies wiederum erfordert, daß die Klägerin, hätte das Arbeitsverhältnis fortbestanden, in der Lage gewesen wäre, vor dem Zeitpunkt des Erlöschens des Urlaubsanspruchs eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Das Berufungsgericht wird somit prüfen müssen, ob die Klägerin bis zum 31. März 1983 wieder arbeitsfähig geworden ist. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin wegen Erwerbsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Der Senat hat dies im Anschluß an sein Urteil vom 14. Mai 1986 (- 8 AZR 604/84 - AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung) inzwischen in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. zuletzt Urteil vom 26. März 1987 - 8 AZR 605/84 -, nicht veröffentlicht).

Erwerbsunfähig ist, wer infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von der Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (vgl. § 1247 Abs. 2 RVO). Die Erwerbsunfähigkeit setzt somit nicht voraus, daß der Arbeitnehmer eine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit findet keine Beschränkung auf den bisherigen Beruf oder, wie dies bei der Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs. 2 RVO die Regel ist, auf die Berufsgruppe statt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, S. 392 und Bd. III, S. 682 g). Es ist somit nicht ausgeschlossen, daß ein Arbeitnehmer erwerbsunfähig, aber zugleich dennoch arbeitsfähig ist (arg. § 183 Abs. 4 RVO; vgl. Brackmann, aaO, Bd. II; ebenso LAG Niedersachsen, Urteil vom 30. August 1985 - 3 Sa 28/85 -, S. 7 bis 10).

Das Landesarbeitsgericht wird somit Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Klägerin bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums, also bis 31. März 1983, gesundheitlich in der Lage war, bis zum Umfang des für 1982 abzugeltenden Urlaubs eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung anzubieten. Zwar ist unstreitig, daß die Klägerin als Verkäuferin bei der Beklagten tätig war. Dennoch kann der Senat, da keine näheren Feststellungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags getroffen sind, nicht beurteilen, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin in der Zeit, in der diese die Tätigkeit einer Verkäuferin nicht ausüben konnte, mit anderen Arbeiten zu beschäftigen, die sie trotz ihrer Erwerbsunfähigkeit ausüben konnte.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Pradel Sperl

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441741

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