Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung, Verzug

 

Orientierungssatz

Der Urlaubsabgeltungsanspruch am Ende des Arbeitsverhältnisses entsteht nicht als Abfindungsanspruch, sondern als Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Daraus folgt, daß der Abgeltungsanspruch an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie der Urlaubsanspruch selbst, der als Abgeltung zu zahlende Geldbetrag somit einem Arbeitnehmer nur dann zusteht, wenn in seiner Person, bestünde die Arbeitspflicht fort, der Urlaub noch gewährt werden könnte. Liegen diese Voraussetzungen bis zur Beendigung des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums nicht vor, so erlischt der Abgeltungsanspruch durch Fristablauf ebenso wie der Urlaubsanspruch erlöschen würde.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB §§ 287, 286; BUrlG § 4; BGB §§ 249, 284; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 07.06.1985; Aktenzeichen 6 Sa 31/85)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.04.1984; Aktenzeichen 5 Ca 415/83)

 

Tatbestand

Der schwerbehinderte Kläger war seit dem 10. Mai 1979 bei der Beklagten als Pförtner beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 22. November 1974 (MTV Papier) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:

"§ 15

Urlaub, Urlaubsgeld

I. Allgemeine Urlaubsbestimmungen

1. Der Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr

Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das Urlaubsjahr

ist das Kalenderjahr.

.....

2. Im Eintrittsjahr und im Austrittsjahr hat

der Arbeitnehmer für jeden Kalendermonat

Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs.

Ein angefangener Kalendermonat wird voll

gerechnet, wenn in ihm das Arbeitsverhältnis

länger als zwei Wochen bestanden hat.

.....

Ein Urlaubsanspruch kann - außer im Falle

des Ausscheidens - erstmals geltend gemacht

werden, wenn das Arbeitsverhältnis 6 Monate

bestanden hat. .....

.....

7. Der Urlaub muß im laufenden Urlaubsjahr

gewährt und genommen werden. Eine Übertragung

des Urlaubs auf das nächste Urlaubsjahr

ist nur ausnahmsweise statthaft.

Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht

bis zum 31. März des folgenden Jahres geltend

gemacht sind."

Am 15. Juni 1981 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 4. März 1982 bat er die Beklagte, ihm den Urlaub für das Jahr 1981 "auszuzahlen". Dies lehnte die Beklagte ab. In ihrem Antwortschreiben vom 17. März 1982 heißt es:

"Wie Sie wissen, widerspricht eine Abgeltung

des Urlaubsanspruches in Geld dem Grundsatz,

daß der Urlaub der Erholung zu dienen hat und

daher in bezahlter Freizeit zu gewähren ist.

Auch im Tarifvertrag ist eine Abgeltung des

Urlaubs nur für den Fall vorgesehen, daß wegen

Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine

bezahlte Freizeit nicht mehr zum Zuge kommen

kann.

Wir sehen uns deshalb nicht in der Lage, Ihrem

Wunsch nach Urlaubsabgeltung zu entsprechen.

Gleichzeitig bestätigen wir Ihnen, daß Ihr

Urlaubsanspruch aus 1981 auch über den 31.

März 1982 hinaus Bestand hat. Sobald Sie gesund

sind, können Sie Ihren Urlaub in Abstimmung

mit der Betriebsleitung nachholen."

Am 6. Juli 1982 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 6. August 1982, weil sie nach Einbau einer neuen Telefonzentrale tagsüber keine Pförtner mehr benötige und der seit mehr als einem Jahr erkrankte Kläger nicht habe befragt werden können, ob er künftig den ab 16.00 Uhr und am Wochenende anfallenden ständigen Spätdienst übernehmen wolle. In seiner Anhörung vor der Hauptfürsorgestelle am 25. Juni 1982 hatte der Kläger erklärt, er könne aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeit bei der Beklagten nicht mehr ausüben, seine Rente sei eingereicht. Wie sich aus einem Schreiben der AOK Hamburg vom 28. Februar 1983 an die Beklagte ergibt, war der Kläger bis 9. Februar 1983 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt bis zu diesem Tag Krankengeld. Seit 1. März 1983 bezieht der Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse ihm den Urlaub für 1981 in unstreitiger Höhe abgelten. Jedenfalls folge dies aus der im Schreiben vom 17. März 1982 enthaltenen Zusage. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

3.795,24 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei erloschen; im übrigen sei der Kläger in Höhe von 1.461,84 DM nicht sachbefugt, weil die AOK Hamburg in dem genannten Schreiben für die Zeit vom 7. bis 31. August 1982 einen Forderungsübergang in dieser Höhe geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision bittet die Beklagte um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zwar, als er am 6. August 1982 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, einen Anspruch auf Abgeltung seines restlichen Urlaubs für 1981 erworben. Dieser Anspruch ist jedoch am 31. März 1983 erloschen.

I. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten. Aufgrund dieser Bestimmung, die mangels einer anderweitigen tarifvertraglichen Regelung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, erwarb der Kläger am 6. August 1982, dem Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, einen Anspruch auf Abgeltung seines Urlaubs für 1981.

1. Der Urlaubsanspruch war entstanden. Der Kläger hatte die Wartezeit nach § 15 Abschnitt I Abs. 2 Unterabs. 3 MTV Papier erfüllt. Dem Anspruch stand nicht entgegen, daß der Kläger seit dem 15. Juni 1981 keine Arbeitsleistungen erbracht hatte.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch setzt nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraus (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z.B. BAGE 52, 67, 69 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe). Für den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden tariflichen Urlaub gilt hier das gleiche, da die Tarifvertragsparteien insoweit nichts Abweichendes bestimmt haben.

2. Der Urlaubsanspruch für 1981 stand dem Kläger im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, am 6. August 1982, noch zu. Zwar bestimmt § 15 Abschnitt I Abs. 7 MTV Papier, daß der Urlaub im laufenden Urlaubsjahr gewährt und genommen werden muß, eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Urlaubsjahr nur ausnahmsweise statthaft ist und Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres geltend gemacht sind. Diese Regelung führte jedoch nicht dazu, daß der Urlaubsanspruch des Klägers für 1981 am 31. März 1982 erlosch.

Zwar hatte das Schreiben des Klägers vom 4. März 1982 nicht zur Folge, daß dem Kläger der Anspruch auf den Urlaub für 1981 erhalten blieb. Der Senat hat durch Urteil vom 13. November 1986 (- 8 AZR 212/84 -, AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) für die wortgleiche spätere Fassung der vorliegenden Tarifnorm entschieden, daß durch eine Geltendmachung vor Fristablauf die Befristung des Urlaubsanspruchs nicht berührt wird. Ob das Schreiben des Klägers, in dem dieser die Beklagte bittet, ihm den Urlaub für 1981 "auszuzahlen", als ordnungsgemäße Geltendmachung angesehen werden könnte, bedarf somit keiner Entscheidung. Jedenfalls wäre dadurch das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am 31. März 1982 nicht verhindert worden.

Der Urlaubsanspruch für 1981 blieb dem Kläger aber deshalb über den 31. März 1982 hinaus erhalten, weil die Beklagte im Schreiben vom 17. März 1982 zugesagt hatte, daß der Kläger seinen Urlaub aus 1981 nach Wiederherstellung seiner Gesundheit auch nach dem 31. März 1982 nachholen könne. Im Urteil vom 25. August 1987 (8 AZR 124/85, zur Veröffentlichung bestimmt) hat der Senat entschieden, daß gegen eine Vereinbarung, nach der ein wegen Zeitablaufs am Ende des Jahres erloschener tariflicher Urlaub im nachfolgenden Jahr gewährt werden soll, keine rechtlichen Bedenken bestehen. Daran ist festzuhalten.

3. Da der Urlaubsanspruch des Klägers für 1981 somit bei dessen Ausscheiden am 6. August 1982 noch bestand, entstand in diesem Zeitpunkt der Urlaubsabgeltungsanspruch. Denn der Urlaub konnte vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht mehr gewährt werden (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Unschädlich ist, daß die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortdauerte (BAG Urteil vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 - BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung und seitdem ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil des Senats vom 10. Februar 1987 - 8 AZR 529/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, sowie Urteil vom 10. März 1988 - 8 AZR 173/86 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).

Außer Zweifel steht, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 6. Juli 1982 zum 6. August 1982 beendet wurde. Die dagegen mit Schriftsatz vom 19. Juli 1982 erhobene Kündigungsschutzklage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 1984 zurückgenommen. Damit ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen (§ 269 Abs. 3 ZPO). Da die Klagefrist nach § 4 KSchG abgelaufen ist, ist eine etwa doch vorliegende Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 7 KSchG geheilt, das Arbeitsverhältnis also durch eine von Anfang an wirksame Kündigung aufgelöst worden (vgl. dazu Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 4 Rz 25).

II. Der Abgeltungsanspruch ist am 31. März 1983 erloschen.

Der Anspruch war nicht erfüllbar, weil der Kläger bis zum 31. März 1983, dem Ende des Übertragungszeitraums, arbeitsunfähig war.

Im Anschluß an die Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 30. November 1977 (- 5 AZR 667/76 - AP Nr. 4 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit) und die Urteile des Sechsten Senats vom 18. Juni 1980 (- 6 AZR 328/78 - AP Nr. 6 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit) sowie vom 26. Mai 1983 (- 6 AZR 273/82 - AP Nr. 12 zu § 7 BUrlG Abgeltung), denen sich der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. zuletzt Urteil vom 24. November 1987 - 8 AZR 140/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt; Urteil vom 10. März 1988 - 8 AZR 603/85 -), ist davon auszugehen, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch am Ende des Arbeitsverhältnisses nicht als Abfindungsanspruch entsteht, sondern als Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Daraus folgt, daß der Abgeltungsanspruch an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie der Urlaubsanspruch selbst, der als Abgeltung zu zahlende Geldbetrag somit einem Arbeitnehmer nur dann zusteht, wenn in seiner Person, bestünde die Arbeitspflicht fort, der Urlaub noch gewährt werden könnte. Liegen diese Voraussetzungen bis zur Beendigung des Urlaubsjahrs oder des Übertragungszeitraums nicht vor, so erlischt der Abgeltungsanspruch durch Fristablauf ebenso wie der Urlaubsanspruch erlöschen würde.

Der Kläger weist darauf hin, er beziehe seit 1. März 1983 Erwerbsunfähigkeitsrente; nach der Rechtsprechung des Senats (BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung) schließe dies nicht aus, daß er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in der Lage gewesen wäre, eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zwar trifft es zu, daß nach der durch diese Entscheidung eingeleiteten Rechtsprechung des Senats die Erwerbsunfähigkeit der Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht zwingend entgegensteht. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen unstreitigen Parteivortrag war der Kläger jedoch nicht mehr in der Lage, eine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit im Betrieb der Beklagten auszuüben. Der Kläger hat in seiner Anhörung vor der Hauptfürsorgestelle am 25. Juni 1982 erklärt, daß er aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeit bei der Beklagten nicht mehr ausüben könne. Er hat während des gesamten Rechtsstreits keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, warum diese Behauptung nicht mehr zutreffen sollte.

III. Der Kläger kann die Urlaubsabgeltung auch nicht als Schadenersatz verlangen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung) kann ein Arbeitnehmer, wenn er seinen Arbeitgeber hinsichtlich des Urlaubsanspruchs oder des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Verzug gesetzt hat, die Zahlung eines der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrags als Schadenersatz fordern, wenn der Anspruch zwischenzeitlich wegen Fristablaufs erloschen ist (§ 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB).

2. Der Schadenersatzanspruch würde voraussetzen, daß der Kläger seinen Urlaubsanspruch für 1981 rechtzeitig vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht hatte und die Beklagte den Urlaub hätte erteilen müssen, oder daß er den Urlaubsabgeltungsanspruch rechtzeitig vor dessen Verfall am 31. März 1983 gefordert hatte und der Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. bis zum 31. März 1983 erfüllbar gewesen wäre. Beides war nicht der Fall.

a) Der Kläger hat in der Revisionserwiderung geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm den noch nicht erteilten Urlaub nach dem 9. Februar 1983 zu erteilen; von diesem Tag an sei er wieder arbeitsfähig gewesen. Dem ist nicht zu folgen. Auch hier spricht der unstreitige Sachverhalt gegen den Kläger, der in der Anhörung vor der Hauptfürsorgestelle erklärt hat, er könne im Betrieb der Beklagten nicht mehr arbeiten.

b) Ebensowenig war die Beklagte mit der Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Verzug geraten. Selbst wenn man davon ausginge, daß der Kläger diesen Anspruch im Schreiben vom 4. März 1982 geltend gemacht hatte, würde auch hier der Verzug mangels Erfüllbarkeit des Anspruchs entfallen (vgl. oben II).

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Dr. Meyer Wittendorfer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441690

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