Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

 

Leitsatz (redaktionell)

vgl. BAG Urteil vom 20. Oktober 1993 – 7 AZR 135/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen.

 

Normenkette

SGB VI § 41 Abs. 4 S. 3, § 300 Abs. 1; RRG 1972 Art. 6 § 5 Abs. 2; EGBGB Art. 170; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; TVG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 5; BetrVG § 77 Abs. 1, 6; BAT § 60 Abs. 1, § 53 Abs. 3; BGB § 611; ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.05.1993; Aktenzeichen 13 Sa 4/93)

ArbG Mannheim (Urteil vom 19.11.1992; Aktenzeichen 5 Ca 189/92)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 1993 – 13 Sa 4/93 – aufgehoben.

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim/Kammern Heidelberg vom 19. November 1992 – 5 Ca 189/92 – wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endete, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet hatte.

Der am 20. Mai 1927 geborene Kläger war zumindest seit Februar 1973 als wissenschaftlicher Angestellter bei dem beklagten Land, und zwar am Institut für Hochenergiephysik der Universität Heidelberg, beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 28. Februar 1973 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Nach § 60 Abs. 1 BAT endet das Arbeitsverhältnis, ohne daß es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet hat. Mit Schreiben vom 1. April 1992 teilte die Universität Heidelberg dem Kläger mit, daß er mit Ablauf des 31. Mai 1992 wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land ausscheide.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis habe nicht mit Erreichen der tariflichen Altersgrenze geendet, sondern bestehe unbefristet fort. Die durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf § 60 Abs. 1 BAT vereinbarte Altersgrenze, mit deren Erreichen das Arbeitsverhältnis automatisch enden solle, verstoße gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Altersgrenzenregelungen, die auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellten, fielen unter den Anwendungsbereich des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI. Eine einzelvertragliche Bezugnahme auf eine tarifvertragliche Bestimmung behalte ihren individualrechtlichen Charakter und sei schon deshalb als Vereinbarung im Sinne des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI anzusehen. Im übrigen ergebe sich aus dem gesetzlichen Regelungsziel, daß sich § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI auch auf tarifvertragliche Altersgrenzen erstrecke.

Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Mai 1992 hinaus fortbesteht.
  2. Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger über den 31. Mai 1992 hinaus tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI sei schon deshalb nicht anwendbar, weil nach § 60 Abs. 1 BAT das Arbeitsverhältnis nicht zu einem Zeitpunkt enden solle, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters habe. Abgesehen davon erfasse § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI nur einzelvertragliche Vereinbarungen, stehe aber tarifvertraglichen Altersgrenzen nicht entgegen. Dabei spiele es keine Rolle, ob die tarifliche Altersgrenzenregelung kraft Tarifbindung oder kraft einzelvertraglicher Bezugnahme gelte. Falls § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI auch auf die vorliegende Altersgrenzenregelung anzuwenden wäre, läge darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung. Der Kläger könne nicht mehr weiterbeschäftigt werden, weil seine Stelle im Zusammenhang mit der Berufung eines Ordinarius anderweitig besetzt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich noch nicht auf die Unwirksamkeit der Beendigungsklausel berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision. Den Weiterbeschäftigungsantrag haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits jeweils der anderen Partei aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis endete entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit dem Ablauf des Monats, in dem der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet hatte.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestehe nicht über den 31. Mai 1992 hinaus fort. Die durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf § 60 Abs. 1 BAT vereinbarte Altersgrenzenregelung sei wirksam. § 60 Abs. 1 BAT verstoße nicht gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI und entspreche auch den von den Tarifvertragsparteien zu beachtenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Der in § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verwandte Begriff „Vereinbarung” beziehe sich lediglich auf einzelvertragliche Altersgrenzenregelungen. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf das gesamte Regelungswerk eines Tarifvertrags sei ebenfalls nicht als Vereinbarung im Sinne des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI anzusehen.

B. Dieser Würdigung des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Die Altersgrenzenregelung des § 60 Abs. 1 BAT ist wegen Verstoßes gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI nach § 134 BGB nichtig.

I. Es kann dahingestellt bleiben, ob die einzelvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag der normativen Geltung kraft Tarifbindung gleichgestellt werden kann. Bereits im Urteil vom 20. Oktober 1993 (– 7 AZR 135/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) hat sich der Senat mit der Altersgrenzenregelung des § 60 Abs. 1 BAT befaßt, die im dortigen Fall von einer kirchlichen Einrichtung übernommen worden war, und entschieden, daß jedenfalls eine generelle tarifliche Altersgrenze von 65 Lebensjahren nicht mit § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI zu vereinbaren ist, und daß der Gesetzgeber mit dieser Beschränkung der Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht in den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Kernbereich der Tarifautonomie eingegriffen hat. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

II. Nach § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI ist eine Vereinbarung, wonach ein Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt enden soll, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat, nur wirksam, wenn die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt geschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist. Umstritten ist, ob der in § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verwendete Begriff „Vereinbarung” nur einzelvertragliche Abreden erfaßt und kollektivrechtliche Vereinbarungen zuläßt oder ob sich § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI auch auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen erstreckt.

1. Für eine Einbeziehung kollektivrechtlicher Verträge in den Anwendungsbereich des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI haben sich ausgesprochen: Ammermüller, DB 1990, 221, 223; Franke, NZA 1991, 972, 973; Kienast, DB 1991, 1725, 1728; Leinemann, DB 1990, 732, 737; Steinmeyer, RdA 1992, 6, 10 und Anm. IV zu AP Nr. 96 zu § 99 BetrVG 1972; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 444; Kreikebohm in GK-SGB VI, Stand: Februar 1993, § 41 Rz 21; Müller/Nachtigal/Hansen/Berenz, RRG 1992, 2. Aufl., S. 65; KassKomm-Niesel, Sozialversicherungsrecht. Stand: Mai 1993, § 41 SGB VI Rz 12; Grüner/Dalichau, SGB VI. Stand: Juni 1993, § 41 Anm. IV.

Eine enge Auslegung, die den Begriff „Vereinbarung” auf einzelvertragliche Abreden beschränkt und kollektivrechtliche Altersgrenzen zuläßt, befürworten: LAG Düsseldorf Urteil vom 13. August 1992 – 18 Sa 728/92 – DB 1992, 2350 = ZTR 1992, 468; ArbG Düsseldorf Urteil vom 9. Juni 1992 – 1 Ca 1934/92 – BB 1992, 2002 f.; Berger-Delhey, ZTR 1992, 99, 101; Boecken, ArztR 1992, Einlage zu Heft 9, S. III bis VII; Federlin, Festschrift für Gnade. S. 447, 452 ff.; Gitter/Boerner, RdA 1990, 129, 137; Henssler, DB 1993, 1669, 1671; Kappes, BB 1993, 1359, 1360; Laux, NZA 1991, 967, 968; Moll, DB 1992, 475 ff.; Waltermann, NZA 1991, Beilage 4, S. 19, 23 f.; Worzalla, NZA 1991, Beilage 4, S. 15, 17 f., Arbeitgeber 1991, 768, 769 und DB 1993, 834; Boerner, Altersgrenzen für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, S. 168 ff.; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 783 ff.; RGRK-Dörner, BGB, 12. Aufl., § 620 Rz 131 a; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, 3. Aufl., Stand: Oktober 1993, § 60 Rz 12; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand: Juni 1993, § 60 Rz 1; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand: Juli 1993, § 60 Erl. 1.

2. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Streitfrage bis zum Erlaß des Urteils vom 20. Oktober 1993 (a.a.O.) noch nicht entschieden. Im Beschluß vom 10. März 1992 (– 1 ABR 67/91 – AP Nr. 96 zu § 99 BetrVG 1972) und im Urteil vom 12. November 1992 (– 8 AZR 157/92 – EzA Art. 20 EV Nr. 18) war sie nicht entscheidungserheblich und wurde deshalb offengelassen. Ebensowenig hat sich der Zweite Senat im Urteil vom 21. April 1977 (BAGE 29, 133 ff. = AP Nr. 1 zu § 60 BAT) mit dieser Problematik befaßt (worauf Moll, DB 1992, 475, zutreffend hinweist; a. A. wohl Berger-Delhey, ZTR 1992, 99, 100). In diesem Urteil spielte zwar der Art. 6 § 5 Abs. 2 Rentenreformgesetz 1972 (RRG 1972) eine Rolle, an dessen Formulierungen sich § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI anlehnt. Auf die Frage, ob Tarifverträge unter den auch in Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 verwendeten Begriff „Vereinbarung” fielen, kam es aber nicht an. Im damaligen Verfahren stritten die Parteien darüber, ob das Rentenreformgesetz 1972 zu einer Erhöhung der in § 60 Abs. 1 BAT enthaltenen Altersgrenze von 65 Lebensjahren auf 67 Lebensjahre geführt habe. Nach Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 galt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsah, in dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen konnte, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen, es sei denn, daß dieser die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt, in dem er erstmals den Antrag stellen konnte, schriftlich bestätigte. Ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses bis zum 67. Lebensjahr hatte der Gesetzgeber damals gerade nicht angeordnet. Aus dem insoweit unmißverständlichen Gesetzeswortlaut leitete der Zweite Senat ab, daß der Gesetzgeber durch das Rentenreformgesetz 1972 in die maßgebliche Tarifvorschrift (§ 60 BAT) jedenfalls nicht in dem Sinn eingegriffen hatte, wie es die damalige Revision anstrebte (BAGE 29, 133, 137 = AP Nr. 1 zu § 60 BAT, zu I 2 b der Gründe).

3. Das Landesarbeitgericht hat zwar richtig erkannt, daß sich die in § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI geregelten Wirksamkeitsvoraussetzungen auf einzelvertragliche, nicht aber auf kollektivrechtliche Altersgrenzen beziehen. Daraus kann aber nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß kollektivrechtliche Altersgrenzen ohne weiteres zulässig sind. Vielmehr erlaubt § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI eine Altersgrenze von 65 Lebensjahren nur dann, wenn sie einzelvertraglich vereinbart oder bestätigt wurde.

a) Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. Der Begriff „Vereinbarung” beschränkt sich nach dem üblichen juristischen Sprachgebrauch nicht unzweifelhaft auf Individualvereinbarungen, sondern läßt eine Einbeziehung kollektivrechtlicher Verträge zu (ebenso Ammermüller, DB 1973, 822, 824; Boecken, ArztR 1992, Einlage zu Heft 9, S. IV f.; Berger-Delhey, ZTR 1992, 99, 101; Federlin, Festschrift für Gnade, S. 447, 452; Franke, NZA 1991, 972, 973; Gitter/Boerner, RdA 1990, 129, 137; Kienast, DB 1991, 1725, 1727; Moll, DB 1992, 475; Steinmeyer, RdA 1992, 6, 7 f.; Waltermann, NZA 1991, Beilage 4, S. 19, 23). Daran ändert es nichts, daß der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 TVG und § 77 Abs. 6 BetrVG, die sich umfassend auf alle Verträge einschließlich der kollektivrechtlichen beziehen, den Begriff „Abmachung” verwandt hat (hierauf stellt das LAG Düsseldorf im Urteil vom 13. August 1992 – 18 Sa 728/92 – DB 1992, 2350 = ZTR 1992, 468 ab). Dagegen wird in § 77 Abs. 1 BetrVG auch der kollektivrechtliche Normenvertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als „Vereinbarung” bezeichnet. Der in § 32 SGB I verwendete Begriff „privatrechtliche Vereinbarung” erstreckt sich auf Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, weil in dieser Vorschrift die in § 139 RVO enthaltene Einschränkung, daß die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande gekommen sein müsse, nicht mehr enthalten ist (vgl. u.a. Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, GK-SGB I, 2. Aufl., § 32 Rz 6; Gitter, Bochumer Kommentar, SGB I, § 32 Rz 35; Hauck/Haines/Freischmidt, SGB I, Stand: Januar 1992, § 32 Rz 4 b).

b) Ebensowenig ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI hinreichende Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs „Vereinbarung”. Die Formulierung des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI entspricht weitgehend der des Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972. Auch der Geltungsbereich des Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 war umstritten. Für eine Einbeziehung kollektivrechtlicher Verträge in den Anwendungsbereich des Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 haben sich u.a. ausgesprochen: Ammermüller, DB 1973, 822, 824; Linnenkohl/Rauschenberg/Schmidt, BB 1984, 603, 605; Säcker. RdA 1976, 91, 100; Schröder, Altersbedingte Kündigungen und Altersgrenzen im Individualarbeitsrecht, S. 72. Dagegen haben eine Beschränkung auf einzelvertragliche Abreden u.a. befürwortet: Boerner, Altersgrenzen für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, S. 164; Gitter/Boerner, RdA 1990, 129, 136; Stahlhacke, DB 1989, 2329, 2331; Thiele, GK-BetrVG, 3. Aufl., Stand: 1982, § 75 Rz 45; Waltermann, Berufsfreiheit im Alter, s. 84 ff. Obwohl bereits die Stellungnahmen in der Literatur zu Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 die zu erwartenden Auslegungsschwierigkeiten aufgezeigt hatten, wurde der Anwendungsbereich des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI nicht präzisiert und in den Gesetzesmaterialien nicht näher erläutert.

c) Auch der Text Zusammenhang, in dem § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI steht, führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Die Absätze 1 bis 3 des § 41 SGB VI enthalten sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen zur stufenweisen Anhebung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit. Absatz 4 enthält die flankierenden arbeitsrechtlichen Regelungen. Die Sätze 1 und 2 des Absatzes 4 regeln kündigungsrechtliche Fragen, befassen sich also mit individualrechtlichen Maßnahmen des Arbeitgebers. Dies rechtfertigt aber noch nicht die Schlußfolgerung, daß sich Satz 3 ebenfalls auf die individualrechtliche Ebene beschränkt und dementsprechend der Begriff „Vereinbarung” eng auszulegen ist. Daran ändert es nichts, daß eine deutlichere Formulierung wünschenswert gewesen wäre. Ebensowenig lassen sich Rückschlüsse daraus ziehen, daß die entsprechenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Art. 6 § 5 RRG 1972 auf zwei Absätze verteilt waren, während sie in § 41 SGB VI in einem Absatz zusammengefaßt wurden. Dies beruht wohl darauf, daß Art. 6 § 5 RRG 1972 ausschließlich arbeitsrechtliche Regelungen enthielt. In § 41 SGB VI sind indessen arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Regelungen zusammengefaßt. Der veränderte Gesetzesaufbau diente nicht dazu, den Begriff der „Vereinbarung” einzuschränken oder klarzustellen.

d) Überzeugend sind dagegen die rechtslogischen und rechtssystematischen Überlegungen, die auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 41 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGB VI abstellen (vgl. u.a. Berger-Delhey, ZTR 1992, 99, 101; Boecken, ArztR 1992, Einlage zu Heft 9, S. IV; Federlin, Festschrift für Gnade, S. 447, 452 f.; Gitter/Boerner, RdA 1990, 129, 136 f.; Henssler, DB 1993, 1669, 1671; Kappes, BB 1993, 1359, 1360; Laux, NZA 1991, 967, 968; Moll, DB 1992, 475, 476; Steinmeyer, Anm. zu AP Nr. 96 zu § 99 BetrVG 1972; derselbe, RdA 1992, 6, 10; Waltermann, NZA 1991, Beilage 4, S. 19, 23; Worzalla, NZA 1991, Beilage 4, S. 15, 17 und Arbeitgeber 1991, 768, 769). Würde die Wirksamkeit kollektivrechtlicher Regelungen von den in § 41 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGB VI enthaltenen Voraussetzungen abhängen, so würde dies zu Systembrüchen und sinnwidrigen Ergebnissen führen.

aa) Die erste Alternative des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI, die auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung abstellt, würde bei Tarifverträgen zu Zufallsergebnissen führen, die mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren wären. Für die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers, die geschützt werden soll, spielt es keine Rolle, wann der Tarifvertrag geschlossen wurde. Nach dem Gesetzeszweck gibt es keinen einleuchtenden Grund, weshalb die Tarifvertragsparteien alle drei Jahre die Altersgrenzenregelung neu vereinbaren sollen (dies fordert, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent. Franke, NZA 1991, 972, 973).

bb) Wenn die Geltung eines Tarifvertrages von der Bestätigung des Arbeitnehmers abhängig wäre (zweite Alternative des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI), stünde die Wirksamkeit des Tarifvertrags zur alleinigen und uneingeschränkten Disposition des Arbeitnehmers. Damit würden Grundprinzipien des Tarifrechts durchbrochen; denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten Rechtsnormen des Tarifvertrages, die die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen.

4. Nach § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI ist somit nur die Wirksamkeit einzelvertraglicher Vereinbarungen vom Abschlußzeitpunkt oder der Bestätigung des Arbeitnehmers abhängig. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß kollektivvertragliche Altersgrenzen ohne weiteres zulässig sind. Ob ein derartiger Umkehrschluß berechtigt ist oder ob die Vorschrift einen weitergehenden Inhalt hat, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift eine maßgebliche Bedeutung zukommt.

a) Ein Hauptanliegen der im SGB VI verwirklichten Rentenreform 1992 ist es, daß „durch eine Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern verbessert werden kann und damit die demographisch bedingten Belastungen gemindert werden können” (BT-Drucks, 11/4124 S. 144). Eine Kernvorschrift zur Verwirklichung dieses Vorhabens ist § 41 SGB VI, wie bereits seine amtliche Überschrift zeigt. Ebenso wie Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 soll auch § 41 Abs. 4 SGB VI auf dem Gebiet des Arbeitsrechts die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers sichern. Altersruhegeld zu beziehen oder weiterzuarbeiten. Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 und § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI dienen diesem Ziel bei Bedingungen bzw. Befristungen eines Arbeitsverhältnisses, die auf ein bestimmtes Lebensalter abstellen. Dem Arbeitnehmer soll es ermöglicht werden, sich in einem Lebensabschnitt zu entscheiden, in dem er die Auswirkungen einer solchen Vereinbarung richtig absehen kann (vgl. zu BT-Drucks, VI/3767 S. 22 und BT-Drucks, 11/4124 S. 163).

b) Diesem Gesetzeszweck widerspricht es, wenn sich kollektivrechtliche Regelungen über die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Arbeitnehmers hinwegsetzen und damit in erheblichen Teilbereichen die vom Rentenreformgesetz 1992 angestrebte Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit verhindern.

aa) Für die Konsolidierung der Rentenfinanzen, die mit der Verlängerung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit erreicht werden soll, spielt es keine Rolle, ob eine Altersgrenze auf einer kollektivrechtlichen oder individualrechtlichen Vereinbarung beruht.

bb) Auch die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers, die durch § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI geschützt werden soll, wird durch eine kollektivrechtliche Altersgrenzenvereinbarung nicht weniger beschnitten als durch eine individualrechtliche. Daran ändert es nichts, daß die Gewerkschaften beim Abschluß von Tarifverträgen eine stärkere Verhandlungsposition haben als der einzelne Arbeitnehmer beim Abschluß einzelvertraglicher Vereinbarungen (darauf stellen u.a. LAG Düsseldorf Urteil vom 13. August 1992 – 18 Sa 728/92 – DB 1992, 2350, 2351 = ZTR 1992, 468; Moll, DB 1992, 475, 477; Waltermann, NZA 1991, Beilage 4, S. 19, 23 ab). Generelle tarifvertragliche Altersgrenzen tragen den jeweiligen Verhältnissen und Interessen des einzelnen Arbeitnehmers nicht Rechnung. Sie nehmen dem einzelnen Arbeitnehmer die Möglichkeit, den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis entsprechend seiner Leistungsfähigkeit, seiner persönlichen Lebensplanung und seiner individuellen Bedürfnisse und Interessen selbst zu bestimmen. An einer einzelvertraglichen Vereinbarung ist dagegen der Arbeitnehmer beteiligt, so daß sich eine einzelvertragliche Altersgrenzenvereinbarung als Ausübung des individuellen Entscheidungsrechts ansehen läßt. Die zeitlichen Anforderungen des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI stellen sicher, daß der Arbeitnehmer die Tragweite seiner eigenen Entscheidung richtig abschätzen kann.

c) Die vom Gesetzgeber mit § 41 Abs. 4 SGB VI beabsichtigte arbeitsrechtliche Flankierung einer flexiblen Lebensarbeitszeit setzt demnach eine an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte individualrechtiche Vereinbarung oder Bestätigung voraus und schließt kollektivrechtliche Altersgrenzen aus, die zur automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen und auf den Zeitpunkt des Entstehens sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche der Arbeitnehmer auf Altersruhegeld abstellen. Schon aus diesem Grund ist es nicht möglich, § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI als tarifdispositive Bestimmung anzusehen. Im übrigen fehlt die in neueren Gesetzen übliche Tariföffnungsklausel, wenn eine gesetzliche Regelung tarifdispositiv sein soll.

5. Die Regelung des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI, die das Normsetzungsrecht der Tarifvertragsparteien beschränkt, verletzt nicht die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie (ebenso u.a. Gitter/Boerner, RdA 1990, 129, 136; Steinmeyer, RdA 1992, 6, 10; a.A. unter anderem Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, 3. Aufl., Stand: Oktober 1993, § 60 Rz 12 a; Fieberg, ZTR 1993, 140, 142; Kappes, BB 1993, 1359, 1360 f.; Worzalla, DB 1993, 834 f.).

a) Bereits im Urteil vom 21. April 1977 (BAGE 29, 133, 136 = AP Nr. 1 zu § 60 BAT, zu I 2 b der Gründe), das sich mit Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG 1972 befaßte, hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, daß „der Gesetzgeber die Möglichkeit gehabt hätte, im Zusammenhang mit der Regelung der flexiblen Altersgrenze etwa zu bestimmen, daß vorher befristete Arbeitsverhältnisse – bezogen auf das 65. Lebensjahr – nicht mit Erreichung des 65. Lebensjahres endeten, sondern daß es dazu eines Aufhebungsvertrags bedürfe oder daß solche Arbeitsverhältnisse ohne weiteres erst mit Ablauf des 67. Lebensjahres endeten”.

b) Den frei gebildeten Koalitionen ist durch Art. 9 Abs. 3 GG die Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich garantiert, insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Kollektivvereinbarungen sinnvoll zu ordnen (vgl. u.a. BVerfGE 4, 96, 106 f.; BVerfGE 44, 322, 340 f., m.w.N.). Zu den Regelungen materieller Arbeitsbedingungen zählen tarifvertragliche Vereinbarungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erreichen einer Altersgrenze. Dabei handelt es sich um eine Beendigungsnorm im Sinne des § 1 Abs. 1 TVG. Die sogenannte Normsetzungsprärogative der Tarifvertragsparteien gilt jedoch nicht schrankenlos. Das Grundgesetz hat den Koalitionen nicht mit Verfassungsrang einen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum eingeräumt. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers, die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, daß er die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen gestaltet und dabei den besonderen Erfordernissen des jeweils zu regelnden Sachverhalts Rechnung trägt (vgl. u.a. BVerfGE 38, 386, 393; BVerfGE 44, 322, 341 f.; BVerfGE 50, 290, 368 f.; BVerfGE 58, 233, 247 ff.; BVerfGE 77, 1, 63). In den Kernbereich der Koalitionsfreiheit wird zwar eingegriffen, wenn dem Betätigungsrecht der Koalitionen Schranken gesetzt werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her nicht geboten sind (vgl. BVerfGE 50, 290, 369; BVerfGE 58, 233, 247; BVerfGE 77, 1, 63). Ein derartiger Verstoß liegt hier jedoch nicht vor.

aa) Zu den wesentlichen Aufgaben eines sozialen Staates (Art. 20 Abs. 1 GG) gehört es, die Finanzierbarkeit der Sozialversicherungsrenten langfristig sicherzustellen und auf ungünstige demographische Entwicklungen frühzeitig zu reagieren. Welcher Weg zur Erreichung dieses Ziels am zweckmäßigsten beschritten wird, ist eine politische Entscheidung. Insoweit verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Handlungsspielraum.

bb) Außerdem wird mit der Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, selbst darüber zu entscheiden, wann sie das Altersruhegeld in Anspruch nehmen und aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Diese Stärkung der Rechtsstellung der Arbeitnehmer auch gegenüber den Tarifvertragsparteien ist, insbesondere unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 12 Abs. 1 GG, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der bestehenden Arbeitsrechtsordnung ist es auch nicht fremd, daß sich Arbeitnehmer durch einzelvertragliche Vereinbarung ihres Rechts auf Erhaltung ihres Arbeitsplatzes begeben können, obwohl tarifvertraglich der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht eingeschränkt werden kann. Beispielsweise können die Tarifverträge nicht über den allgemeinen Kündigungsschutz disponieren. Der einzelne Arbeitnehmer kann indessen durch Abschluß eines Aufhebungsvertrages auf den Kündigungsschutz verzichten.

6. Eine dem § 53 Abs. 3 BAT entsprechende tarifrechtliche Unkündbarkeitsregelung führt nicht dazu, daß eine tarifliche Altersgrenzenregelung wirksam bleibt. Daran ändert nichts, daß zwischen der tariflichen Unkündbarkeit und der tariflichen Altersgrenze ein innerer Zusammenhang besteht.

a) Die Tarifvertragsparteien wollten den Bestandsschutz älterer, länger beschäftigter Arbeitnehmer verstärken, jedoch nur bis zum Erreichen der Altersgrenze, mit dem das Arbeitsverhältnis automatisch enden sollte. Dieser Regelungszusammenhang wird durch die Unwirksamkeit der tariflichen Altersgrenze nicht bedeutungslos. Die teilweise Unwirksamkeit eines Tarifvertrags führt zu einer ergänzenden Vertragsauslegung, für die der zum Ausdruck gebrachte Regelungswille der Tarifvertragsparteien entscheidend ist. Für die tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Normadressaten ist erkennbar, daß Arbeitnehmer, die wegen Erreichens der tariflichen Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollen, nicht über diesen Zeitpunkt hinaus in den Genuß eines besonderen Bestandsschutzes kommen sollen.

b) Da den Tarifvertragsparteien freisteht, ob sie den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer verstärken, können sie die Unkündbarkeit grundsätzlich auch zeitlich begrenzen. Jedenfalls soweit Arbeitnehmer ihre Unkündbarkeit erst mit dem vollendeten 65. Lebensjahr verlieren sollen, ist diese Einschränkung der Unkündbarkeit auch mit § 41 Abs. 4 SGB VI zu vereinbaren. Nach § 41 Abs. 4 Satz 2 SGB VI muß bei einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres bei der sozialen Auswahl unberücksichtigt bleiben.

III. Die vorliegende Altersgrenzenregelung ist so ausgestaltet, daß ihr § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI entgegensteht.

1. § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI befaßt sich mit Altersgrenzen, die an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Sozialversicherungsrente wegen Alters hat. Nach § 60 Abs. 1 BAT soll das Arbeitsverhältnis, ohne daß es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats enden, in dem der Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet hat. Nach § 35 SGB VI setzt der Anspruch auf Regelaltersrente neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voraus, daß der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet hat. Eine Altersgrenzenregelung, die auf dieses Alter abstellt, verknüpft grundsätzlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Regelaltersrente. In der Altersgrenzenregelung muß nicht ausdrücklich davon die Rede sein, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Altersruhegeld abhängt. Wenn das nach der Altersgrenzenregelung und das nach dem Rentenversicherungsrecht maßgebliche Alter übereinstimmen, ist jedenfalls in der Regel davon auszugehen, daß der in § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Altersgrenze und Sozialversicherungsrente besteht (vgl. u.a. Boecken, ArztR 1992, Einlage zu Heft 9, S. VIII; Gitter/Boerner, RdA 1990, 129, 138; Moll, DB 1992, 475; Waltermann, NZA 1991, Beilage 4, S. 19, 21 f.). Nach § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI soll „allein die Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren … bei Vereinbarungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als Rechtfertigungsgrund berücksichtigt werden können” (BT-Drucks, 11/4124 S. 163).

2. Eine einschränkende Auslegung kommt dagegen in Betracht, wenn der für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehene Zeitpunkt nachweislich nichts mit dem Entstehen eines Anspruchs auf Sozialversicherungsrente zu tun hat, sondern beide Zeitpunkte rein zufällig zusammenfallen. Dies wäre beispielsweise denkbar, wenn gesicherte Erfahrungswerte über deutliche Leistungsabfälle ab einem bestimmten Lebensalter vorlägen und die Altersgrenze besonders schwerwiegenden Gefahren begegnen soll, die bei den zu befürchtenden Fehlleistungen auftreten können. Wenn – wie im vorliegenden Fall – generelle Altersgrenzen bestehen, die nicht auf die besonderen Anforderungen der jeweiligen beruflichen Tätigkeit abstellen, ist eine derartige einschränkende Auslegung des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI nicht möglich.

3. Nach § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI darf jedenfalls allein das Erreichen des für den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Altersruhegeld maßgeblichen Alters nicht zur automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Davon zu unterscheiden sind Regelungen, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall vorsehen, daß der Arbeitnehmer nicht nur dieses Alter vollendet hat, sondern sich auch dazu entschließt, das Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Eine derartige Regelung zwingt den Arbeitnehmer nicht zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, sondern nimmt ihm nur die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und gleichzeitig Altersruhegeld zu beziehen. Eine solche auflösende Bedingung läuft auch nicht dem gesetzgeberischen Ziel zuwider, die Rentenversicherung zu entlasten. Dies spricht dafür, daß eine derart ausgestaltete auflösende Bedingung nicht gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verstößt. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es aber nicht, weil § 60 Abs. 1 BAT nicht an die Inanspruchnahme des Altersruhegeldes, sondern ausschließlich an die Vollendung des 65. Lebensjahres anknüpft.

IV. Das SGB VI ist am 1. Januar 1992 in Kraft getreten. Für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 4 SGB VI spielt es keine Rolle, wann der Tarifvertrag, der die Altersgrenze enthält, geschlossen wurde und seit wann das Arbeitsverhältnis, über dessen Beendigung gestritten wird, besteht.

1. Nach § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.

Seinem Wortlaut nach erfaßt § 300 Abs. 1 SGB VI auch die Fälle des § 41 Abs. 4 SGB VI. Weder die Gesetzessystematik noch der Gesetzeszweck oder die Entstehungsgeschichte ermöglichen eine einschränkende Auslegung (vgl. Henssler, DB 1993, 1669, 1670; Kienast, DB 1991, 1725, 1727; KassKomm-Niesel, Sozialversicherungsrecht. Stand: Mai 1993, § 41 SGB VI Rz 12; a. A.: Boecken. ArztR 1992, Einlage zu Heft 9, S. VIII f.).

a) § 41 Abs. 4 SGB VI enthält zwar arbeitsrechtliche Regelungen. Dies ändert aber entgegen der von Boecken vertretenen Ansicht (ArztR 1992, Einlage zu Heft 9, S. VIII) nichts daran, daß es sich um eine flankierende Bestimmung zu sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften handelt, die als solche in das SGB VI aufgenommen wurde und damit Teil des SGB VI geworden ist. Soweit die Anwendung des SGB VI hinausgeschoben werden soll, ergibt sich dies entweder unmittelbar aus dem Wortlaut der anzuwendenden Vorschrift, z.B. den Absätzen 1 bis 3 des § 41 SGB VI über die stufenweise Anhebung des Rentenalters, oder aus §§ 301 ff. SGB VI. Nach § 300 Abs. 5 SGB VI gilt § 300 Abs. 1 SGB VI nur insoweit, als in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist. Für die in § 41 Abs. 4 SGB VI geregelten Sachverhalte besteht jedoch keine Ausnahmevorschrift.

b) Auch soweit Boecken (a.a.O., S. VIII) die Auffassung vertritt, die Gesetzesbegründung zeige, daß § 300 Abs. 1 SGB VI sich nicht auf § 41 Abs. 4 SGB VI erstrecke, kann ihm nicht gefolgt werden. Es können keine Rückschlüsse daraus gezogen werden, daß in der Gesetzesbegründung zur Inkrafttretungsregelung des SGB VI entsprechend dem eindeutigen Schwerpunkt dieses Gesetzes die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen im Vordergrund standen und die in einem Absatz enthaltenen flankierenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen nicht ausdrücklich erwähnt wurden. Nach der Gesetzesbegründung dient § 300 Abs. 1 SGB VI der Vereinfachung der Rechtsanwendung (BT-Drucks, 11/4124 S. 207). Dieses Anliegen ist auch für § 41 Abs. 4 SGB VI von Bedeutung. Die von Boecken befürwortete Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 41 Abs. 4 SGB VI würde über Jahrzehnte hinweg zu einer gespaltenen Rechtsanwendung führen.

c) Da in den §§ 300 ff. SGB VI abschließend geregelt ist, ab wann und in welchem Umfang die Vorschriften des SGB VI einschließlich seines § 41 Abs. 4 anzuwenden sind, kann entgegen der von Boecken vertretenen Auffassung (a.a.O., S. VIII) nicht auf den in Art. 170 EGBGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken zurückgegriffen werden. Nur am Rande sei vermerkt, daß Art. 171 ff. EGBGB für Dauerschuldverhältnisse besondere, abweichende Inkrafttretungsregelungen enthalten.

2. Die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI ab 1. Januar 1992 enthält zwar eine unechte Rückwirkung. Die teilweise in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Boecken, a.a.O., S. VIII; Kappes, BB 1993, 1359, 1361; Worzalla, NZA 1991, Beilage 4, S. 15, 18 f.) sind aber nicht berechtigt.

a) Rückwirkende belastende Gesetze sind nur im Strafrecht nach Art. 103 Abs. 2 GG schlechthin unzulässig. Ansonsten ist zwischen einer echten (sog. retroaktiven) und einer unechten (sog. retrospektiven) Rückwirkung zu unterscheiden. Wenn sich belastende Gesetze eine echte Rückwirkung beilegen, sind sie wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) herzuleitende Gebot der Rechtssicherheit, das in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet, grundsätzlich nichtig (vgl. u.a. BVerfGE 13, 261, 270 f.; BVerfGE 25, 371, 403; BVerfGE 30, 367, 385 f.; BVerfGE 50, 177, 193). Bei einer echten Rückwirkung greift das Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt (vgl. u.a. BVerfGE 11, 139, 146; BVerfGE 30, 367, 386; BVerfGE 72, 175, 196; BVerfGE 79, 29, 45 f.).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um keine echte, sondern um eine unechte Rückwirkung. § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI erfaßt zwar auch Altersgrenzenregelungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten des SGB VI geschlossen wurden, ist aber nur dann anzuwenden, wenn die Altersgrenze nach Inkrafttreten des SGB VI erreicht wird.

b) Gesetze, denen lediglich eine unechte Rückwirkung zukommt, sind grundsätzlich zulässig. Die rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes können allerdings der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers Schranken setzen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht jedoch nicht so weit, dem Bürger jegliche Enttäuschung zu ersparen (vgl. u.a. BVerfGE 14, 288, 299 f.; BVerfGE 30, 367, 389; BVerfGE 50, 386, 396; BVerfGE 68, 287, 307; BVerfGE 76, 256, 350). Schutzwürdig ist nur das betätigte Vertrauen, also die „Vertrauensinvestition”, die zur Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (BVerfGE 75, 246, 280). Selbst wenn dies zutrifft, ist das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der bisherigen gesetzlichen Regelung unter besonderer Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Besitzstandes, der Schwere des Eingriffs, des Ausmaßes des Vertrauensschadens, des Grundes für das enttäuschte Vertrauen sowie der Art und Weise, auf die das Vertrauen enttäuscht wurde, abzuwägen mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das allgemeine Wohl, dem die auf ein gesetzlich geregeltes Dauerverhältnis nachteilig einwirkende Vorschrift dienen soll (BVerfGE 76, 256, 356, m.w.N.). Nur wenn diese Abwägung ergibt, daß das Vertrauen auf die Sicherung der früher bestehenden Rechtslage den Vorrang verdient, ist die unechte Rückwirkung unzulässig (vgl. u.a. BVerfGE 30, 250, 268; BVerfGE 50, 386, 395; BVerfGE 67, 1, 15; BVerfGE 78, 249, 284). Trotz Zulässigkeit eines Eingriffs in die bestehende Rechtsposition kann der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Gesetzgeber verpflichten, eine angemessene Übergangsregelung zu treffen. Insoweit hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe darf allerdings unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten sein (vgl. u.a. BVerfGE 43, 242, 288 f.; BVerfGE 67, 1, 15 f.; BVerfGE 78, 249, 285).

c) Derartige Verstöße sind dem Gesetzgeber beim Erlaß des § 41 Abs. 4 SGB VI nicht unterlaufen. Entgegen der von Worzalla (NZA 1991, Beilage 4, S. 15, 19) vertretenen Ansicht ist das Vertrauen der Arbeitgeber in den Fortbestand der kollektivrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Altersgrenzenregelungen nicht höher zu bewerten als das mit § 41 Abs. 4 SGB VI verfolgte gesetzgeberische Anliegen.

aa) § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI enthält zwar einen belastenden Eingriff in Rechtspositionen der Arbeitgeber; denn die Altersgrenzenregelungen ließen die arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitgeber ohne Kündigung automatisch entfallen und verschafften den Arbeitgebern eine zuverlässige Grundlage für die Personalplanung und Personalbeschaffung einschließlich der Nachwuchsförderung. Der Gesetzgeber hat das Vertrauen der Arbeitgeber in die bestehenden Altersgrenzenregelungen enttäuscht, um zum einen die Finanzlage der Rentenversicherung durch Verlängerung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit zu stabilisieren und zum anderen sicherzustellen, daß die Arbeitnehmer über den Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis selbst entscheiden können.

bb) Das Anliegen des Gesetzgebers, daß die Arbeitnehmer selbst den Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsleben bestimmen sollen, darf angesichts des Grundrechts auf freie Wahl des Berufs und des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht gering bewertet werden. Die Entlastung der Rentenkassen und die Sicherung der Rentenfinanzierung ist eine sozialpolitische Aufgabe von zentraler Bedeutung, bei deren Erfüllung der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum hat.

cc) Daraus, daß die Wirksamkeit privatrechtlicher Altersgrenzen bereits ab 1. Januar 1992 beschränkt wurde, während die sozialversicherungsrechtlichen Altersgrenzen gestaffelt und in längeren Zeiträumen angehoben werden, kann nicht abgeleitet werden. § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI enthalte einen unverhältnismäßigen und unzumutbaren Eingriff in die Rechtsposition der Arbeitgeber. Das Vertrauen der Sozialversicherten in den Leistungsumfang der gesetzlichen Rentenversicherung bedarf eines weitergehenden Schutzes als das Vertrauen in die Wirksamkeit von Bedingungen oder Befristungen des Arbeitsverhältnisses. Einschneidende Veränderungen der Rentenversicherung kann der Versicherte nur dann abfangen, wenn sie ihm langfristig bekannt sind. Je älter die Arbeitnehmer sind, um so teuerer und unwirtschaftlicher wird es, neu auftretende Lücken in der Altersversorgung zu schließen.

Dagegen kann der Arbeitgeber auf den Wegfall einer Altersgrenze jedenfalls dann in zumutbarer Weise reagieren, wenn ihm der Gesetzgeber eine angemessene Vorlauffrist eingeräumt hat. Dies ist im SGB VI geschehen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen hat, darf der Bürger auf den Fortbestand des bisherigen Rechts nicht mehr vertrauen, sondern muß sich auf eine Veränderung der Rechtslage einstellen (vgl. u.a. BVerfGE 1, 264, 280; BVerfGE 13, 261, 273; BVerfGE 30, 272, 287; BVerfGE 72, 200, 261). Der Bundestag hat das Rentenreformgesetz 1992, in dem das SGB VI enthalten ist, am 9. November 1989 beschlossen. Es wurde am 18. Dezember 1989 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt vom 28. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261) verkündet. Das SGB VI ist erst am 1. Januar 1992 in Kraft getreten. Der Kläger vollendete im Mai 1992 sein 65. Lebensjahr, so daß sein Arbeitsverhältnis nach § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 60 Abs. 1 BAT mit Ablauf des 31. Mai 1992 hätte enden sollen, also zwei Jahre fünf Monate nach Inkrafttreten des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI. Nach dem eigenen Vorbringen des beklagten Landes beschloß der Verwaltungsrat der Universität Heidelberg erst am 27. Februar 1992, die Stelle des Klägers freizuhalten, damit sie der neue Ordinarius nach seinen Vorstellungen besetzen könne. Die Stellenbesetzung erfolgte anschließend. Zu diesem Zeitpunkt war das Vertrauen des beklagten Landes in die frühere Rechtslage nicht mehr schutzwürdig.

Da die Altersgrenzenregelung des § 60 Abs. 1 BAT gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verstößt, ist sie nach § 134 BGB nichtig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht deshalb über den 31. Mai 1992 hinaus fort.

C. Das beklagte Land hat nach § 91 Abs. 1, § 91 a Abs. 1 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach hat die Kosten derjenige zu tragen, der voraussichtlich unterlegen wäre. Im vorliegenden Fall hat der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits geltend gemacht. Dieser Klageantrag war zulässig und begründet. Er hat sich erst im Revisionsverfahren erledigt.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits bejaht.

a) Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) gelten entsprechend auch dann, wenn um die Wirksamkeit einer Befristung oder einer auflösenden Bedingung gestritten wird (vgl. u.a. BAG Urteil vom 13. Juni 1985 – 2 AZR 410/84 – AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAGE 60, 1, 14 = AP Nr. 125 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu V der Gründe; BAG Urteil vom 25. November 1992 – 7 AZR 193/92 –, n.v., zu C II der Gründe). Für die nach Ansicht des Großen Senats maßgebliche Interessenlage kommt es nicht darauf an, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung oder wegen einer vereinbarten Befristung oder auflösenden Bedingung streitig ist.

b) Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß keine besonderen Gründe vorlagen, aus denen sich ein überwiegendes Interesse des beklagten Landes ergab, den Kläger nicht weiterzubeschäftigen.

aa) Umstände, die auch in einem streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen, wie etwa der vom Großen Senat beispielhaft angeführte Verrat von Betriebsgeheimnissen, ein strafbares oder schädigendes Verhalten des Arbeitnehmers (BAGE 48, 122, 157 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu C II 3 c der Gründe), fehlten unstreitig.

bb) Auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses konnte sich das beklagte Land gegenüber dem Kläger, der mindestens 19 Jahre lang ununterbrochen beschäftigt wurde, nicht berufen. Er übte eine Dauerbeschäftigung aus. Seine Stelle diente gerade nicht der Nachwuchsförderung.

cc) Eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung hat das beklagte Land nicht geltend gemacht. Es hat nicht vorgetragen, daß es den Kläger überhaupt nicht mehr sinnvoll beschäftigen konnte und der Einsatz des Klägers aufgrund des Weiterbeschäftigungsurteils des Arbeitsgerichts dementsprechend zu Schwierigkeiten geführt hätte.

dd) Nur am Rande sei vermerkt, daß das beklagte Land nicht auf die Wirksamkeit der Altersgrenzenregelung vertrauen konnte, zumal das SGB VI seit über zwei Jahren verkündet war. Das beklagte Land kann auch nicht geltend machen, bei Einstellung des neuen Arbeitnehmers habe der Kläger noch nicht seine Weiterbeschäftigung verlangt. Dies lag vor allem daran, daß sich die Universität nicht frühzeitig an den Kläger gewandt hatte. Die Universität teilte dem Kläger erst mit Schreiben vom 1. April 1992 mit, daß ihrer Auffassung nach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Mai 1992 ende. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 19. April 1992 Klage beim Arbeitsgericht erhoben und sich dabei ausdrücklich auf § 41 Abs. 4 SGB VI berufen.

2. Da der Beendigungsrechtsstreit mit der Verkündung des Revisionsurteils, das der Feststellungsklage stattgibt, rechtskräftig abgeschlossen wird, ist nunmehr der Antrag auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Rechtsstreits gegenstandslos geworden. Damit hat sich die Weiterbeschäftigungsklage in der Hauptsache erledigt.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Kremhelmer, Haeusgen, Dr. Zachert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083555

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