Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwalt als Einigungsstellenbeisitzer - Honorarhöhe

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch ein Rechtsanwalt hat für seine Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer grundsätzlich keinen höheren Vergütungsanspruch als 7/10 des Vorsitzendenhonorars.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 15.06.1989; Aktenzeichen 12 TaBV 195/88)

ArbG Hanau (Entscheidung vom 13.10.1988; Aktenzeichen 1 BV 4/88)

 

Tatbestand

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honoraranspruchs des Antragstellers als Beisitzer einer im Betrieb der beteiligten Arbeitgeberin gebildeten Einigungsstelle.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Durch Beschluß des beteiligten Betriebsrats vom 17. Dezember 1987 wurde er neben dem Betriebsratmitglied W und dem Gewerkschaftssekretär H zum Beisitzer der Arbeitnehmerseite in der Einigungsstelle "Betriebsdatenerfassung" bestellt. Dieser der Arbeitgeberin am 28. Dezember 1987 mitgeteilte Beschluß enthält folgende Honorarzusage:

"Die Kosten für die außerbetrieblichen Beisitzer

sind in der Höhe von 10/10 des Honorars des Vor-

sitzenden, mindestens jedoch in der Höhe von

DM 5.000,-- pro Sitzungstag, zuzüglich Reiseko-

sten, sonstige Aufwendungen, Mehrwertsteuer usw.

vom Arbeitgeber zu tragen."

Mit Schreiben an den Betriebsrat vom 13. Januar 1988 widersprach die Arbeitgeberin der Honorarzusage. Mit dem Vorsitzenden der Einigungsstelle vereinbarte sie ein Honorar von 10.000,-- DM. Die Einigungsstelle tagte am 29. Januar, 1. März und 2. März 1988.

Mit Schreiben vom 11. April 1988 stellte der Antragsteller der Arbeitgeberin 11.842,20 DM (10.000,-- DM Honorar, 387,90 DM Auslagen sowie 1.454,30 DM Mehrwertsteuer) in Rechnung. Die Antragsgegnerin zahlte daraufhin 8.422,20 DM (7.000,-- DM Honorar zuzüglich der geltend gemachten Auslagen und 1.034,30 DM Mehrwertsteuer). Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller die Zahlung der restlichen 3.420,-- DM.

Der Antragsteller hat im wesentlichen geltend gemacht, sein Honorar dürfe nicht geringer als das des Vorsitzenden bemessen werden. Er habe sogar einen größeren Arbeitsaufwand als der Vorsitzende gehabt, weil er beispielsweise die Einigungsstellensitzung nach Abstimmung mit den anderen Beisitzern schriftsätzlich vorbereitet habe. Da er Rechtsanwalt sei, sei seine Beisitzertätigkeit in vollem Umfang zu Lasten seiner sonstigen Berufsausübung gegangen. Für eine Rechtsanwaltsstunde seien etwa 500,-- DM in Ansatz zu bringen. In der Einigungsstelle sei es um die Einführung einer EDV-gestützten Betriebsdatenerfassung und damit um äußerst schwierige Fragen gegangen.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, an ihn

3.420,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. April

1988 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Antragsteller stehe nicht ein Honorar in Höhe von 10/10 des Vorsitzendenhonorars, sondern allenfalls das von ihr gezahlte Honorar in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars zu.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen vom Antragsteller und vom beteiligten Betriebsrat eingelegte Beschwerde ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom erkennenden Senat durch Beschluß vom 29. November 1989 - 7 ABN 48/89 - zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen der Antragsteller und der beteiligte Betriebsrat den Antrag des Antragstellers weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde zu Recht zurückgewiesen.

1. Der vom Landesarbeitsgericht für seine Entscheidung gegebenen Begründung kann sich der Senat nicht in vollem Umfang anschließen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Honorarzusage des beteiligten Betriebsrats sei, soweit sie über 7/10 des Vorsitzendenhonorars hinausgehe, unwirksam und daher keine ausreichende Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Anspruch. Einseitige Honorarzusagen an außerbetriebliche Einigungsstellenbeisitzer seien grundsätzlich nur im Rahmen dessen zulässig, womit der Arbeitgeber üblicherweise nach den durch Gesetz und Rechtsprechung festgelegten Grundsätzen rechnen müsse. Nach der Rechtsprechung der erkennenden Kammer sei der Betriebsrat berechtigt, dem als außerbetrieblichen Beisitzer zugezogenen Rechtsanwalt eine Zusage in Höhe von 7/10 des dem Einigungsstellenvorsitzenden vom Arbeitgeber zugesagten oder gezahlten Honorars zu erteilen. Diese Honorarabstufung entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei außerdem vom Gesetz gedeckt. Denn gemäß § 76 a Abs. 4 Satz 4 BetrVG sei die Vergütung der Beisitzer niedriger zu bemessen als die des Vorsitzenden. Dies bedeute, daß eine darüber hinausgehende Honorarzusage des Betriebsrats in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 3 BetrVG nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen könne. Die Interessenlage der Beteiligten sei die gleiche wie bei der für den Arbeitgeber kostenbelasteten Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat. An einer Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber habe es indessen im Entscheidungsfalle gefehlt.

b) Diese Würdigung ist bereits deshalb nicht rechtsfehlerfrei, weil das Landesarbeitsgericht zur Begründung auch § 76 a BetrVG heranzieht. Diese durch das Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2312) eingeführte Vorschrift ist erst am 1. Januar 1989 in Kraft getreten und daher auf den Entscheidungsfall noch nicht anwendbar.

c) Vor allem aber kann der Senat die Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts nicht teilen, die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, derzufolge der Betriebsrat nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen kann, sei auf Fragen der Honorierung von Einigungsstellenbeisitzern entsprechend anzuwenden. Diese Rechtsansicht widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1988 - 7 ABR 73/87 - AP Nr. 30 zu § 76 BetrVG 1972, m.w.N.), die die Rechtmäßigkeit der Zusage eines Beisitzerhonorars, das mehr als 7/10 des Honorars des Vorsitzenden beträgt, gerade nicht vom Einverständnis des Arbeitgebers abhängig macht, sondern auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des billigen Ermessens und damit insbesondere auf das Vorliegen eines vernünftigen und angemessenen Verhältnisses zwischen dem Honorar des Vorsitzenden und dem des Beisitzers abstellt. Auch nach erneuter Überprüfung vermag der Senat keinen Anhaltspunkt dafür zu erkennen, das Gesetz bewerte die Ernennung eines Einigungsstellenbeisitzers durch den Betriebsrat der Beauftragung eines Sachverständigen in einer Weise gleich, die die entsprechende Anwendung des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG rechtfertigen könnte.

2. Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht dem Antragsteller jedoch zu Recht nur einen Honoraranspruch in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars zuerkannt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 1988 - 7 ABR 73/87 - AP Nr. 30 zu § 76 BetrVG 1972, zu C II 1 der Gründe, und vom 21. Juni 1989, BAGE 62, 129, 132 = AP Nr. 35, aaO, zu B II 1 a der Gründe, jeweils m.w.N.) entsteht mit der Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat oder durch den Arbeitgeber ein besonderes betriebsverfassungsrechtliches Verhältnis zwischen den Betriebspartnern. Inhalt dieses Rechtsverhältnisses ist nach § 76 Abs. 2 BetrVG auch die Befugnis des Betriebsrats, die Beisitzer der Einigungsstelle auf Arbeitnehmerseite in der zuvor mit dem Arbeitgeber vereinbarten oder vom Arbeitsgericht festgesetzten Zahl zu bestellen. Durch seine Bestellung zum Mitglied der Einigungsstelle nimmt auch der Beisitzer an diesem besonderen Rechtsverhältnis teil, das auch seine Rechte und Pflichten bestimmt. Hierzu gehört auch der Anspruch des betriebsfremden Beisitzers auf ein angemessenes Honorar für seine Tätigkeit in der Einigungsstelle, wenn sie erforderlich war oder der Betriebsrat sie für erforderlich halten durfte. Der Betriebsrat ist befugt, betriebsfremde Personen als Beisitzer zu bestellen, die nur bereit sind, gegen ein Honorar tätig zu werden, wenn er andere Personen, die sein Vertrauen genießen, nicht findet.

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen im Entscheidungsfalle und damit dem Bestehen eines Honoraranspruchs des Antragstellers dem Grunde nach gehen auch die Beteiligten des Rechtsbeschwerdeverfahrens übereinstimmend aus.

b) Der Höhe nach kann der Betriebsrat einem von ihm bestellten Beisitzer nur ein Honorar zusagen, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie billigem Ermessen entspricht (§ 315 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. Beschluß vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - AP Nr. 8 zu § 76 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1988, aaO, zu C II 3 a der Gründe, m.w.N.) muß sich das Honorar des Beisitzers in einer vernünftigen und angemessenen Relation zu dem des Vorsitzenden halten; grundsätzlich entspricht dabei ein Honorar von 7/10 des dem Vorsitzenden der Einigungsstelle durch den Arbeitgeber zugesagten oder gezahlten Honorars billigem Ermessen. Ein gegenüber dem Vorsitzendenhonorar um 3/10 geringeres Beisitzerhonorar trägt dem Umstand Rechnung, daß der Vorsitzende einer Einigungsstelle im Verhältnis zu den Beisitzern weitergehende Aufgaben wahrzunehmen hat. Ihm obliegen insbesondere die Verhandlungsführung, die Abfassung der Sitzungsprotokolle sowie die Begründung eines von der Einigungsstelle gefällten Spruchs. Diese zusätzlichen Aufgaben rechtfertigen es, daß der Vorsitzende in der Regel ein höheres Honorar als die Einigungsstellenbeisitzer erhält. Das Verhältnis von 7/10 entspricht jedenfalls grundsätzlich billigem Ermessen, denn es kommt darin eine sachgerechte tätigkeitsbezogene Bemessung der Vergütung zum Ausdruck. Eine derartige prozentuale Abstufung des Vorsitzendenhonorars zum Honorar der betriebsfremden Beisitzer entspricht auch einem praktischen Bedürfnis nach einem möglichst eindeutigen finanziellen Rahmen für die Betriebsräte (Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1988, aaO, zu C II 3 d der Gründe).

c) Die Anknüpfung des Beisitzerhonorars an das Honorar des Vorsitzenden kann allerdings dann billigem Ermessen widersprechen, wenn der Vorsitzende ein unangemessen niedriges Honorar erhält. Dies ist hier indessen ersichtlich nicht der Fall. Der Vorsitzende hat ein Honorar von 10.000,-- DM erhalten. Auch die Rechtsbeschwerdeführer machen nicht geltend, dieses Honorar sei unangemessen niedrig.

d) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Beschluß vom 15. August 1990 (- 7 ABR 76/88 -, n.v.) entschieden hat, liegt ein rechtserheblicher Umstand, der eine vom Regelfall abweichende Bemessung des Beisitzerhonorars rechtfertigen könnte, auch nicht darin, daß der Antragsteller in seinem Hauptberuf Rechtsanwalt ist und als solcher durchschnittlich höhere Stundenvergütungen erhält sowie einen beträchtlichen laufenden Büroaufwand hat. Gemäß § 1 Abs. 2 BRAGO ("Schiedsrichter oder in ähnlicher Stellung") berechnet sich die Vergütung des Rechtsanwalts als Mitglied einer Einigungsstelle nicht nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Als Beisitzer in der Einigungsstelle wird ein Rechtsanwalt, anders als etwa bei seinem Auftreten als Verfahrensbevollmächtigter vor der Einigungsstelle, nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig, sondern nebenberuflich als besonders sachkundige Vertrauensperson des Betriebsrats (vgl. BAG Beschluß vom 31. Juli 1986 - 6 ABR 79/83 - AP Nr. 19 zu § 76 BetrVG 1972). In der Einigungsstelle hat der Rechtsanwalt die gleiche Funktion und Rechtsstellung wie ein anderer Beisitzer. Ebensowenig wie dieser kann der Rechtsanwalt die Verhältnisse in seinem Hauptberuf zum Maßstab seiner Rechtsstellung in einer nebenberuflichen Tätigkeit machen. Maßgebend für die Bemessung einer Vergütung ist daher nur seine nebenberufliche Tätigkeit in der Einigungsstelle; der im Hauptberuf weiterhin anfallende Aufwand ist für diese nebenberufliche Tätigkeit ohne Belang.

Ein für die Bemessung der Beisitzervergütung erheblicher Umstand könnte zwar in einem etwaigen Verdienstausfall liegen, den der Rechtsanwalt durch die Beisitzertätigkeit in seinem Hauptberuf erleidet. Hierbei muß es sich jedoch um einen konkreten Verdienstausfall handeln, der durch die Beisitzertätigkeit tatsächlich entstanden ist. Einen derartigen konkreten Verdienstausfall hat der Antragsteller nicht dargelegt. Ungenügend ist demgegenüber die Angabe einer durchschnittlichen Verdiensthöhe. Denn sie ist das Durchschnittsverhältnis von gutbezahlten und weniger ertragreichen Anwaltstätigkeiten, wobei nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Anwalt wegen seiner Einigungsstellentätigkeit auch lukrative Mandate ausschlägt. Näher liegt vielmehr, daß ein Rechtsanwalt seine nebenberufliche Beisitzertätigkeit entweder durch den Verzicht auf weniger ertragreiche Mandate oder durch zusätzlichen Arbeitseinsatz ausgleicht.

Dr. Seidensticker Dr. Wittek Dr. Steckhan

Kleeschulte Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 519031

BAGE 67, 248-254 (LT1)

BAGE, 248

BB 1991, 1190

BB 1991, 1190-1191 (LT1)

DB 1991, 1939-1940 (LT1)

NJW 1991, 1846

NJW 1991, 1846-1847 (LT1)

BRAK-Mitt 1991, 175 (L)

BetrVG, (7) (LT1)

EWiR 1991, 955 (L)

JR 1991, 440

JR 1991, 440 (S)

JurBüro 1991, 1635 (LT1)

NZA 1991, 651-652 (LT1)

RdA 1991, 192

ZAP, EN-Nr 786/91 (S)

AP § 76 BetrVG 1972 (LT1), Nr 44

AR-Blattei, ES 630 Nr 46 (LT1)

AR-Blattei, Einigungsstelle Entsch 46 (LT1)

ArbuR 1991, 251 (S1)

EzA § 76 BetrVG 1972, Nr 56 (LT1)

MDR 1991, 773-774 (LT1)

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