Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwalt als Einigungsstellenbeisitzer

 

Leitsatz (redaktionell)

Vgl. auch Senatsbeschluß vom 20. Februar 1991 – 7 ABR 6/90 – (zur Veröffentlichung bestimmt).

 

Normenkette

BetrVG 1972 §§ 76, 76a; BRAGO § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Beschluss vom 06.09.1989; Aktenzeichen 5 TaBV 135/88)

ArbG Hannover (Beschluss vom 10.10.1988; Aktenzeichen 8 BV 5/88)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. September 1989 – 5 TaBV 135/88 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als Einigungsstellenbeisitzer ein zusätzlicher Honoraranspruch für Beratungen mit dem Betriebsrat und für die Anfertigung von Entwürfen für Betriebsvereinbarungen zusteht.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er wurde durch folgenden Beschluß des beteiligten Betriebsrats vom 26. März 1986 neben zwei Betriebsratsmitgliedern zum Beisitzer der im Betrieb der Arbeitgeberin gebildeten Einigungsstelle „Arbeitszeitregelung für Redakteure” bestellt:

„Der Betriebsrat benennt als Beisitzer für das Einigungsstellenverfahren seine Mitglieder D. Sagolla und R. Butenschön sowie, als kostenpflichtigen Beisitzer, den Rechtsanwalt Lübking. Rechtsanwalt Lübking wird eine Kostenzusage gemäß § 40 BetrVG in Höhe seiner bisherigen Abrechnungen gegenüber dem Verlag für seine bisherigen beiden Beisitzertätigkeiten erteilt.”

Zu der in diesem Beschluß enthaltenen Honorarzusage, die der beteiligten Arbeitgeberin erst im Verlauf des Einigungsstellenverfahrens (12. Juni 1986 bis 27. März 1987) mit Schreiben des Betriebsrats vom 11. September 1986 mitgeteilt wurde, gab die Arbeitgeberin während des Einigungsstellenverfahrens keine Stellungnahme ab.

Der Antragsteller war bereits in zwei früheren Einigungsstellenverfahren im Betrieb der Arbeitgeberin als Beisitzer auf Arbeitnehmerseite tätig geworden. In beiden Verfahren hatte er, ohne daß die Arbeitgeberin dies beanstandet hätte, für seine Beratung des Betriebsrats hinsichtlich des Einigungsstellengegenstandes und für die Anfertigung von Entwürfen von der Einigungsstelle vorzulegenden Betriebsvereinbarungen zusätzlich zu einem Honorar in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars einen Stundensatz von 200,– DM in Ansatz gebracht. Bei der Einigungsstelle „Betriebsärztliche Versorgung” handelte es sich hierbei laut Rechnung vom 10. Dezember 1985 um drei Stunden. Für die andere Einigungsstelle fehlen nähere Angaben.

Die vorliegende Einigungsstelle „Arbeitszeitregelung für Redakteure” tagte am 12. Juni, 11. September, 18. Dezember 1986 und am 27. März 1987 mit einem Zeitaufwand von insgesamt 22,5 Stunden. Der Einigungsstellenvorsitzende, ein Richter am Arbeitsgericht, der für sich noch einmal den gleichen Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitungsarbeiten geltend machte, berechnete der Arbeitgeberin ein Honorar von 9.000,– DM (45 Stunden zu je 200,– DM). Der Antragsteller berechnete der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 20. Juli 1987 ein Honorar von 13.027,92 DM (7/10 des Vorsitzendenhonorars = 6.300,– DM, Auslagen 128,20 DM, ein „Honorar für die Beratung mit dem Betriebsrat und für die Anfertigung von mehreren Entwürfen der vom Betriebsrat vorgelegten Betriebsvereinbarungen, 25 Stunden 200,– DM = 5.000,– DM” sowie 1.599,92 DM Mehrwertsteuer).

Die beteiligte Arbeitgeberin zahlte an den Antragsteller 7.328,15 DM, d.h. sie verweigerte die Zahlung hinsichtlich der Honorarforderung für Beratung usw. von 5.000,– DM nebst des zugehörigen Mehrwertsteuerbetrages von 700,– DM. Diese Beträge verlangt der Antragsteller im vorliegenden Verfahren von der Arbeitgeberin.

Der Antragsteller hat im wesentlichen vorgetragen, im vorliegenden Einigungsstellenverfahren nach näherer Maßgabe seiner Aufstellung vom 10. Oktober 1988 (= S. 4 f. des angefochtenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts) 109,5 Stunden tätig geworden zu sein. Ein Rechtsanwalt müsse arbeitstäglich einen Kostenaufwand für seine Kanzlei in Höhe von 1.000,– DM erarbeiten; ein Stundensatz von 200,– DM sei daher üblich und entspreche der Billigkeit. Der Betriebsrat sei daher berechtigt gewesen, ihm für die Beratungs- und Vorbereitungstätigkeiten ein zusätzliches Honorar zuzusagen. Aufgrund der widerspruchslosen Zahlungen der Arbeitgeberin in den früheren zwei Einigungsstellenverfahren habe er auch darauf vertrauen dürfen, daß die Arbeitgeberin auch diesmal keine Einwendungen erheben werde.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, an den Antragsteller aus seiner Tätigkeit als Beisitzer im Einigungsstellenverfahren „Arbeitszeit für Redakteure” weitere 5.000,– DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer nebst 4 % Zinsen auf den Gesamtbetrag seit dem 5. Juli 1988 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die vom Antragsteller behauptete Stundenzahl seiner Tätigkeit bestritten und im wesentlichen ausgeführt, die geltend gemachte Forderung sei von der Honorarzusage des Betriebsrats nicht gedeckt. Der Betriebsrat habe nicht die Vorstellung gehabt, daß pauschal ein Stundensatz von 200,– DM für ohnehin typischerweise im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens anfallende Tätigkeit gezahlt werden solle. Demgemäß sei der Betriebsratsbeschluß auch nicht dahin gefaßt worden, daß die Kostenzusage für „die Art der Abrechnung früherer Beisitzertätigkeiten”, sondern nur in entsprechender Höhe gegeben werden sollte. Die Kostenrechnung des Antragstellers vom 10. Dezember 1985 aber habe insgesamt nur etwa 2.300,– DM betragen. Im Entscheidungsfalle seien daher alle Tätigkeiten des Antragstellers im Zusammenhang mit der Einigungsstelle durch das Honorar in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars abgegolten; allein dieses Honorar entspreche billigem Ermessen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, daß dem Antragsteller über das ihm für seine Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer bereits gezahlte Honorar in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars hinaus keine weitere Vergütung für die von ihm im Zusammenhang mit der vorliegenden Einigungsstelle entfaltete Tätigkeit zusteht.

1. Der für diese Würdigung gegebenen Begründung des Landesarbeitsgerichts kann sich der Senat zwar nicht in vollem Umfange anschließen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, die Beratungs- und Entwurfsverfassungstätigkeiten, für die der Antragsteller das zusätzliche Honorar verlange, seien von der Honorarzusage des Betriebsrats nicht erfaßt, denn es handele sich insoweit nicht um Tätigkeiten eines außerbetrieblichen Beisitzers in einer Einigungsstelle, für die allein dem Antragsteller die Kostenzusage gegeben worden sei. Vielmehr handele es sich um eine Sachverständigentätigkeit im Sinne von § 80 Abs. 3 BetrVG, deren Vergütung durch die Arbeitgeberin der Antragsteller nur verlangen könne, wenn zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin eine Vereinbarung über die Hinzuziehung des Antragstellers als Sachverständiger getroffen worden wäre. An dieser Vereinbarung fehle es hier; die Honorarzusage des Betriebsrats vom 26. März 1986 habe die Arbeitgeberin durch die Zahlung von 7.328,15 DM erfüllt.

2. Diese Würdigung wird von der Rechtsbeschwerde insoweit mit Recht angegriffen, als das Landesarbeitsgericht die vom Antragsteller entfaltete Beratungs- und Vorbereitungstätigkeit, für die er das zusätzliche Honorar verlangt, von der Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer trennt und als nach § 80 Abs. 3 BetrVG zu behandelnde Sachverständigentätigkeit ansieht. Die gesamte vom Antragsteller im Zusammenhang mit der vorliegenden Einigungsstelle entfaltete Beratungs- und Vorbereitungstätigkeit gehört vielmehr, wie auch der Antragsteller meint, zu seiner Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer. Sie wird allerdings von der dem Antragsteller für seine Beisitzertätigkeit zustehenden Vergütung mitumfaßt, so daß die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, daß darüber hinaus keine weitere Vergütung zu zahlen sei, im Ergebnis zutrifft.

Auf die Honorarzusage des Betriebsrats kann der Antragsteller einen Vergütungsanspruch für andere als Beisitzertätigkeiten nicht stützen. Denn diese Honorarzusage bezieht sich auf den Antragsteller nur als „kostenpflichtigen Beisitzer”. Auf Tätigkeiten, die diesem Beisitzeramt nicht zuzurechnen sind, erstreckt sie sich schon ihrem Inhalt nach nicht. Auf die Frage, ob der Antragsteller auch Sachverständigentätigkeiten entfaltet hat, kommt es im Entscheidungsfall schon deshalb nicht an, weil eine wirksame Kostenzusage insoweit gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vorausgesetzt hätte, an der es hier fehlt.

3. Das dem Antragsteller mithin ausschließlich zustehende Honorar eines Einigungsstellenbeisitzers ist auch der Höhe nach mit dem vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Betrag von 7/10 des Vorsitzendenhonorars angemessen.

a) Der Höhe nach kann der Betriebsrat einem von ihm bestellten Beisitzer nur ein Honorar zusagen, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie billigem Ermessen entspricht (§ 315 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. Beschluß vom 13. Januar 1981 – 6 ABR 106/78 – AP Nr. 8 zu § 76 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1988 – 7 ABR 73/87 – AP Nr. 30 zu § 76 BetrVG 1972, zu C II 3 a der Gründe, m.w.N.) muß sich das Honorar des Beisitzers in einer vernünftigen und angemessenen Relation zu dem des Vorsitzenden halten; grundsätzlich entspricht dabei ein Honorar von 7/10 des dem Vorsitzenden der Einigungsstelle durch den Arbeitgeber zugesagten oder gezahlten Honorars billigem Ermessen. Ein gegenüber dem Vorsitzendenhonorar um 3/10 geringeres Beisitzerhonorar trägt dem Umstand Rechnung, daß der Vorsitzende einer Einigungsstelle im Verhältnis zu den Beisitzern weitergehende Aufgaben wahrzunehmen hat. Ihm obliegen insbesondere die Verhandlungsführung, die Abfassung der Sitzungsprotokolle sowie die Begründung eines von der Einigungsstelle gefällten Spruchs. Diese zusätzlichen Aufgaben rechtfertigen es, daß der Vorsitzende in der Regel ein höheres Honorar als die Einigungsstellenbeisitzer erhält. Das Verhältnis von 7/10 entspricht jedenfalls grundsätzlich billigem Ermessen, denn es kommt darin eine sachgerechte tätigkeitsbezogene Bemessung der Vergütung zum Ausdruck. Eine derartige prozentuale Abstufung des Vorsitzendenhonorars zum Honorar der betriebsfremden Beisitzer entspricht auch einem praktischen Bedürfnis nach einem möglichst eindeutigen finanziellen Rahmen für die Betriebsräte (Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1988, aaO, zu C II 3 b der Gründe).

b) Die Anknüpfung des Beisitzerhonorars an das Honorar des Vorsitzenden kann allerdings dann billigem Ermessen widersprechen, wenn der Vorsitzende ein unangemessen niedriges Honorar erhält. Dies ist hier indessen ersichtlich nicht der Fall. Der Vorsitzende hat ein Honorar von 9.000,– DM erhalten. Auch die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dieses Honorar sei unangemessen niedrig.

c) Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde liegt ein rechtserheblicher Umstand, der eine vom Regelfall abweichende Bemessung des Beisitzerhonorars rechtfertigen könnte, auch nicht darin, daß der Antragsteller in seinem Hauptberuf Rechtsanwalt ist und als solcher durchschnittlich höhere Stundenvergütungen erhält sowie einen beträchtlichen laufenden Büroaufwand hat. An dieser Rechtsauffassung, die der erkennende Senat bereits in seinem Beschluß vom 15. August 1990 (– 7 ABR 76/88 –, n.v.) vertreten hat, hält der Senat fest.

Gemäß § 1 Abs. 2 BRAGO „Schiedsrichter oder in ähnlicher Stellung”) berechnet sich die Vergütung des Rechtsanwalts als Mitglied einer Einigungsstelle nicht nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Als Beisitzer in der Einigungsstelle wird ein Rechtsanwalt, anders als etwa bei seinem Auftreten als Verfahrensbevollmächtigter vor der Einigungsstelle, nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig, sondern nebenberuflich als besonders sachkundige Vertrauensperson des Betriebsrats (vgl. BAG Beschluß vom 31. Juli 1986 – 6 ABR 79/83 – AP Nr. 19 zu § 76 BetrVG 1972). In der Einigungsstelle hat der Rechtsanwalt die gleiche Funktion und Rechtsstellung wie ein anderer Beisitzer. Ebensowenig wie dieser kann der Rechtsanwalt die Verhältnisse in seinem Hauptberuf zum Maßstab seiner Rechtsstellung in einer nebenberuflichen Tätigkeit machen. Maßgebend für die Bemessung seiner Vergütung ist daher nur seine nebenberufliche Tätigkeit in der Einigungsstelle; der im Hauptberuf weiterhin anfallende Aufwand ist für diese nebenberufliche Tätigkeit ohne Belang.

Ein für die Bemessung der Beisitzervergütung erheblicher Umstand könnte zwar in einem etwaigen Verdienstausfall liegen, den der Rechtsanwalt durch die Beisitzertätigkeit in seinem Hauptberuf erleidet. Hierbei muß es sich jedoch um einen konkreten Verdienstausfall handeln, der durch die Beisitzertätigkeit tatsächlich entstanden ist. Einen derartigen konkreten Verdienstausfall hat der Antragsteller nicht dargelegt. Ungenügend ist demgegenüber die Angabe einer durchschnittlichen Verdiensthöhe. Denn sie ist das Durchschnittsverhältnis von gutbezahlten und weniger ertragreichen Anwaltstätigkeiten, wobei nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Anwalt wegen seiner Einigungsstellentätigkeit auch lukrative Mandate ausschlägt. Näher liegt vielmehr, daß ein Rechtsanwalt seine nebenberufliche Beisitzertätigkeit entweder durch den Verzicht auf weniger ertragreiche Mandate oder durch zusätzlichen Arbeitseinsatz ausgleicht.

4. Den Anspruch auf eine höhere Vergütung kann der Antragsteller schließlich auch nicht darauf stützen, durch die widerspruchslose Hinnahme seiner Abrechnungsweise durch die Arbeitgeberin in den beiden früheren Einigungsstellenverfahren sei für ihn ein Vertrauenstatbestand entstanden. Mangels näherer Darlegung der Umstände, worin dieser Vertrauenstatbestand bestehen soll, käme als Anspruchsgrundlage für den Antragsteller lediglich eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit der Arbeitgeberin in Betracht. Daß eine solche Vereinbarung nicht zustandegekommen ist, hat schon das Arbeitsgericht auf S. 8 f. seines Beschlusses (Bl. 56 f. VorA) näher begründet. Bereits im Beschwerdeverfahren hat sich der Antragsteller gegen diese Würdigung nicht mehr gewandt.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Wittek, Dr. Steckhan, Kleeschulte, Lappe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969678

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