Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung für Ersatzmitglied

 

Orientierungssatz

Vom Arbeitgeber können gegenständlich auch solche Kosten nach § 40 Abs 1 BetrVG zu tragen sein, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß eines Beschlußverfahrens über die Frage seines aktuellen Nachrückens in den Betriebsrat bzw über die Frage seiner zeitweiligen Ersatzmitgliedschaft im Betriebsrat entstehen, weil es sich hierbei um Fragen der Ordnungsmässigkeit der Zusammensetzung und damit auch der Tätigkeit des Betriebsrats als Gremium handelt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 10, 25, 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 17.10.1986; Aktenzeichen 10 TaBV 5/86)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 02.06.1986; Aktenzeichen 28 BV 2/86)

 

Gründe

A. Der Antragsteller war seit August 1980 Angestellter der Antragsgegnerin. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin die Rechtsanwaltskosten zu tragen hat, die dem Antragsteller in einem vorangegangenen Beschlußverfahren in Höhe von 1.197,68 DM erwachsen sind. Diesem vom Antragsteller gegen den bei der Antragsgegnerin bestehenden Betriebsrat und gegen die Antragsgegnerin selbst betriebenen Beschlußverfahren hat folgender zusammengefaßter Sachverhalt zugrunde gelegen:

Die Wahl des aus neun Mitgliedern bestehenden Betriebsrats bei der Antragsgegnerin ist 1984 als Gemeinschaftswahl durchgeführt worden. Obwohl dem Betriebsrat angesichts der Gruppenstärken von Angestellten und Arbeitern fünf Vertreter der Gruppe der Arbeiter hätten angehören müssen, hat der Wahlvorstand als nicht angefochtenes Wahlergebnis die Zusammensetzung des Betriebsrats aus nur zwei Vertretern der Gruppe der Arbeiter und sieben Vertretern der Gruppe der Angestellten festgestellt. Der Antragsteller ist derjenige Angestellte gewesen, der nach den als Mitglieder des Betriebsrats festgestellten Angestellten die nächstniedrigere Stimmenzahl auf sich vereinigt hat. Ab 24. September 1984 sind zwei Angestellte als Mitglieder des Betriebsrats durch Urlaub bis Mitte Oktober bzw. durch Krankheit bis voraussichtlich 4. Oktober 1984 verhindert gewesen. Der Antragsteller hat sich am 1. Oktober 1984 in das Büro des Betriebsrats begeben und Einsicht in die Betriebsratsunterlagen begehrt. Dies ist ihm vom Betriebsratsvorsitzenden mit der Begründung versagt worden, der Antragsteller sei kein Betriebsratsmitglied.

In seiner am 20. Oktober 1984 eingereichten Antragsschrift hatte der Antragsteller zunächst als Antrag zu 1) angekündigt festzustellen, daß er seit 24. September 1984 ersatzweise Mitglied des Betriebsrats sei. Im Termin zur mündlichen Anhörung der Beteiligten vor dem Arbeitsgericht am 17. Dezember 1984 hat er den Antrag zu 1) abgeändert und insgesamt beantragt,

1. festzustellen, daß er erster Nachrücker

der Angestelltenvertreter im Betriebsrat

der Beteiligten zu 3) sei,

2. festzustellen, daß er am 9. Oktober 1984

Mitglied des Betriebsrats als Ersatzmitglied

für ein vorübergehend verhindertes

anderes Betriebsratsmitglied im Betriebsrat

der Beteiligten zu 3) gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Anträgen durch seinen Beschluß vom 17. Dezember 1984 unter Hinweis auf § 25 BetrVG in vollem Umfang stattgegeben, weil eine Wahlanfechtung nicht stattgefunden habe (25 BV 6/84). Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und des bei ihr bestehenden Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht Berlin in seinem Beschluß vom 31. Mai 1985 dem Antrag zu 1) in der Formel zwar entsprochen und den Antrag zu 2) zurückgewiesen (7 TaBV 2 und 3/85). Zur Begründung hat es jedoch darauf abgestellt, daß der Antragsteller zwar als erster Angestellter nachrücke, daß aber vor ihm noch drei Angehörige der Gruppe der Arbeiter nachrücken müßten, damit das Gruppenverhältnis hergestellt werde.

Das Arbeitsverhältnis der im vorliegenden Verfahren Beteiligten endete durch einen gerichtlichen Vergleich in Rechtsstreitigkeiten über vorangegangene Kündigungen der Antragsgegnerin, von denen die erste am 9. Oktober 1984 zum 31. Dezember 1984 erklärt worden ist. Am 25. September 1985 wurde im Verfahren 6 Sa 43/85 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin ein Vergleich protokolliert, in welchem es u.a. heißt:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das

Arbeitsverhältnis des Klägers am 31. Dezember

1984 aufgrund fristgemäßer Kündigung seitens

der Beklagten aus betriebsbedingten Gründen

geendet hat.

Die sonstigen Vorwürfe im Kündigungsschreiben

vom 9. Oktober 1984 werden nicht mehr

aufrechterhalten.

........

7. Die Parteien sind sich darüber einig, daß damit

sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem

beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen sind."

Der Antragsteller hat behauptet:

Als die Antragsgegnerin mit der Möglichkeit des Nachrückens des Antragstellers in den Betriebsrat habe rechnen müssen, habe sie ihrerseits alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sich vom Antragsteller als Arbeitnehmer und damit auch als künftigem Betriebsratsmitglied zu befreien. Dem Antragsteller seien Abfindungen angeboten worden, während er seinerseits versucht habe, seine Betriebsratstätigkeit aufzunehmen. Die Antragsgegnerin und der bei ihr bestehende Betriebsrat hätten aufs heftigste bestritten, daß der Antragsteller ersatzweise Mitglied des Betriebsrates gewesen sei. Schließlich seien durch die Antragsgegnerin Kündigungen und die Erteilung eines Hausverbotes erfolgt. Dies habe arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen nach sich gezogen (2 Ga 13/84, 27 Ga 8/84, 8 Sa 119/84 - einstweilige Verfügungen; 27 Ca 294/84 und 6 Sa 43 und 65/84 - Verfahren gegen die erste Kündigung; 25 Ca 71/85 - Verfahren gegen die zweite und dritte Kündigung). Der gesamte Konflikt habe dann mit dem Vergleich vom 25. September 1985 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin geendet. Es treffe nicht zu, daß der Antragsteller das Beschlußverfahren willkürlich in Gang gebracht habe, nicht um betriebsverfassungsrechtliche Fragen klären zu lassen, sondern um seine Position im Kündigungsschutzprozeß zu verbessern. Vielmehr sei der Antragsteller der Auffassung, im Betriebsrat nachgerückt zu sein. Der Durchsetzung dieses Standpunktes habe das Beschlußverfahren gedient.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, an

seine Verfahrensbevollmächtigten als

Gesamtgläubiger zwecks Freistellung des

Antragstellers 1.197,68 DM nebst 4 %

Zinsen seit dem 12. August 1985 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat entgegnet, ein Erstattungsanspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG stehe nur demjenigen zu, der tatsächlich Betriebsratsmitglied sei. Dies sei aber nach dem rechtskräftigen Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 31. Mai 1985 nicht der Fall. Überdies habe der Antragsteller in dem Prozeßvergleich mit ihr vereinbart, daß sämtliche Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen seien.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Akten des Beschlußverfahrens 25 BV 6/84 - Arbeitsgericht Berlin zu Informationszwecken beigezogen und den Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Landesarbeitsgericht unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Verfahrensziel weiter, während die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Dem Antragsteller steht der Freistellungsanspruch nach Grund und Höhe, nicht jedoch hinsichtlich der Zinsen zu.

I. Das Sachbegehren des Antragstellers ist vom Landesarbeitsgericht mit mehreren Begründungen abgelehnt worden:

1. Das Landesarbeitsgericht hat sich zunächst der Begründung der Entscheidung des Arbeitsgerichts angeschlossen. Das Arbeitsgericht hat seine den Antrag ablehnende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Zwar stehe der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gemäß § 40 BetrVG die im Prozeßvergleich vereinbarte Ausgleichsklausel nicht entgegen. Indessen könne sich der Antragsteller nicht auf § 40 BetrVG berufen, weil er (noch) nicht Betriebsratsmitglied bei der Antragsgegnerin im bestehenden Betriebsrat, sondern lediglich "Nachrücker" gewesen sei. Zwar gehörten zu den Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen und die gemäß § 40 BetrVG zu erstatten seien, auch die notwendigen Aufwendungen der einzelnen Betriebsratsmitglieder im Rahmen ihrer Betriebsratstätigkeit. Hierzu zählten alle Tätigkeiten der einzelnen Betriebsratsmitglieder, die diese gerade im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft im Betriebsrat und zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Betriebsratsaufgaben ausübten. Entscheidend sei, daß das einzelne Betriebsratsmitglied die Tätigkeit und die damit verbundenen Aufwendungen nur deshalb übernehme, weil es Mitglied des Betriebsrats sei und die Übernahme der Tätigkeit für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Amtsobliegenheiten erforderlich sei. Anspruchsberechtigt gemäß § 40 BetrVG seien daher grundsätzlich auch Ersatzmitglieder im Sinne des § 25 BetrVG, sofern sie nur - endgültig oder vorübergehend - in den Betriebsrat nachgerückt seien, nicht jedoch solange sie nur auf der "Warteliste" stünden. § 40 BetrVG könne auch nicht extensiv ausgelegt werden, weil völlig ungewiß sei, ob der Nachrücker jemals tatsächlich die Position eines Betriebsratsmitgliedes einnehmen und Betriebsratsarbeit ausüben werde.

2. Daneben hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

a) Der Anspruch könne nicht auf § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gestützt werden, weil es sich nicht um ein Wahlanfechtungsverfahren handele und der Antragsteller allein auch nicht anfechtungsberechtigt sei.

b) Das Begehren des Antragstellers sei aber auch nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG begründet, wonach der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen habe. Hierzu könnten zwar auch Rechtsstreitigkeiten über die Rechtsstellung eines Betriebsratsmitgliedes (z.B. Anfechtung seiner Wahl, Feststellung des Fortfalls seiner Wählbarkeit, Ausschluß aus dem Betriebsrat) gehören. In den Vorverfahren 7 TaBV 2 und 3/85 (25 BV 6/84) sei es jedoch nicht um die Rechtsstellung eines Betriebsratsmitgliedes gegangen, sondern - was den Antrag zu 1) angehe - um eine vom Antragsteller begehrte Feststellung, daß er erster Nachrücker der Angestelltenvertreter sei, für die ein konkreter Anlaß nicht erkennbar sei, und - was den Antrag zu 2) angehe - um die Feststellung, daß er am 9. Oktober 1984 als Ersatzmitglied für ein vorübergehend verhindertes anderes Betriebsratsmitglied Mitglied im Betriebsrat gewesen sei. Aus welchen Gründen zu diesem zweiten Antrag, abgesehen von der inzwischen erfolgten Kündigung, ein konkretes Bedürfnis vorgelegen haben solle, habe der Antragsteller auch in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

c) Mit Rücksicht darauf, daß der Antragsteller bei der Antragsgegnerin niemals Betriebsratsmitglied geworden bzw. als solches nachgerückt sei, stehe seinem Begehren auch die Ausgleichsklausel entgegen. Er handele zumindest treuwidrig, wenn er nach vorangegangener Beendigung des Verfahrens nicht zu erkennen gegeben habe, daß er sich des nunmehr geltend gemachten Erstattungsanspruchs berühme.

II. Diese Ausführungen halten der Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand. Aufgrund des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts ist das Rechtsbeschwerdegericht indessen in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden, ohne daß es einer Zurückverweisung bedarf.

1. Der Auffassung, daß dem Antragsteller bereits deshalb ein Anspruch auf Erstattung ihm durch das vorangegangene Verfahren erwachsener Kosten nicht gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zustehe, weil er nicht Mitglied des Betriebsrats gewesen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Gegenständlich können zu den durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten auch solche aus Rechtsstreitigkeiten über die Rechtsstellung eines Betriebsratsmitgliedes gegenüber dem Betriebsrat zählen. Dies betrifft nicht nur Fälle, in denen z.B. ein einzelnes Betriebsratsmitglied ein Beschlußverfahren zur Überprüfung von Beschlüssen des Betriebsrats, durch die in die Stellung dieses Betriebsratsmitglieds eingegriffen wird, betreibt (vgl. dazu BAG Beschluß vom 3. April 1979 - 6 ABR 64/76 - AP Nr. 1 zu § 13 BetrVG 1972) oder in denen z.B. der Betriebsrat in einem Beschlußverfahren beantragt, den Jugendvertreter aus der Jugendvertretung auszuschließen (vgl. dazu BAG Beschluß vom 29. Juli 1982 - 6 ABR 41/79 - AuR 1982, 258 f.). Vielmehr können gegenständlich auch solche Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragen sein, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß eines Beschlußverfahrens über die Frage seines aktuellen Nachrückens in den Betriebsrat bzw. über die Frage seiner zeitweiligen Ersatzmitgliedschaft im Betriebsrat entstehen, weil es sich dabei um Fragen der Ordnungsmäßigkeit der Zusammensetzung und damit auch der Tätigkeit des Betriebsrats als Gremium handelt.

2. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG sind aber auch in einem solchen Fall nur die Kosten erstattungsfähig, die erforderlich gewesen sind. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht im Ansatz zu Recht ausgegangen, indem es auf die Frage des "Anlasses" für den Antrag zu 1) bzw. des "konkreten Bedürfnisses" für den Antrag zu 2) im vorangegangenen Beschlußverfahren (7 TaBV 2 und 3/85) abgestellt hat. Es hat jedoch wesentliche Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt gelassen.

a) Zwar wird die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Kosten in § 40 Abs. 1 BetrVG im Gegensatz zu den Bestimmungen in § 37 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 1 sowie § 40 Abs. 2 desselben Gesetzes nicht ausdrücklich genannt. Es ist jedoch, wenn auch mit teilweise unterschiedlicher Einzelbegründung, allgemein anerkannt, daß Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur erstattungsfähig sind, wenn sie für die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben erforderlich waren (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 27. September 1974 - 1 ABR 67/73 - AP Nr. 8 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe m.w.N.; Wiese, GK-BetrVG, Bd. I, 4. Aufl. 1987, § 40 BetrVG Rz 9 m.w.N.). Hieran ist festzuhalten. Auch die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit keine Einwendungen.

b) Dabei ist für die Feststellung der Erforderlichkeit nicht nach dem Entstehen der Kosten ein objektiver, von jeder Beurteilung des Kostenverursachers losgelöster Maßstab anzulegen; vielmehr muß die Frage der Erforderlichkeit vom Zeitpunkt des Entschlusses aus beurteilt werden, der die Kosten auslöst (vgl. BAG Beschluß vom 4. Dezember 1979 - 6 ABR 37/76 - AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG, unter III 2 b der Gründe; BAGE 31, 93, 97 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, unter III 1 der Gründe). Die Erforderlichkeit ist bei der hiernach notwendigen Prüfung zu bejahen, wenn derjenige, dessen Handlung die Kosten verursacht, wie ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und pflichtgemäßer, verständiger, ruhiger Abwägung aller Umstände bei seinem Entschluß zu dem Ergebnis gelangen durfte, daß der noch zu verursachende Kostenaufwand im Hinblick auf die Betriebsratstätigkeit notwendig war. Demnach ist hier entscheidend, ob der Antragsteller bei seiner Entscheidung, das vorangegangene Beschlußverfahren mit Hilfe seiner Prozeßbevollmächtigten zu betreiben, die hieraus resultierenden Kosten im Interesse der Ordnungsmäßigkeit der Arbeit des Betriebsrats für erforderlich halten durfte.

c) Bei dem Begriff "erforderlich" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen zutreffende Anwendung vom Bundesarbeitsgericht nur beschränkt überprüfbar ist. Das Bundesarbeitsgericht ist als Rechtsbeschwerdegericht nur in der Lage zu prüfen, ob das Tatsachengericht den unbestimmten Rechtsbegriff frei von Rechtsirrtum angewandt hat und ob die Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalles vollständig, ohne inneren Widerspruch und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erfolgt ist (vgl. BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 1086/79 - AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972, unter II 2 c der Gründe). Dabei ist auch zu beachten, daß bei der Anwendung des Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit auch demjenigen, der insoweit eine Entscheidung zu treffen hat, ein gewisser Beurteilungsspielraum offensteht, der von den Gerichten zu berücksichtigen ist.

3. Auch diesem begrenzten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Es hat bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht alle Besonderheiten des Einzelfalles beachtet.

Für den vorliegenden Fall ist die Erforderlichkeit des vorangegangenen Beschlußverfahrens und der damit verbundenen Kosten angesichts der Besonderheiten des Einzelfalles gegeben.

a) Angesichts des vom Wahlvorstand festgestellten Wahlergebnisses war es hier im Interesse der Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsarbeit erforderlich zu klären, ob im Falle der Verhinderung eines Betriebsratsmitgliedes aus der Gruppe der Angestellten gemäß § 25 BetrVG der Antragsteller zeitweiliges Ersatzmitglied bzw. erster Nachrücker ist oder ob stattdessen so lange Angehörige der Gruppe der Arbeiter (zeitweilig bzw. endgültig) nachrücken, bis das Verhältnis beider Gruppen der Regelung über den Gruppenschutz in § 10 BetrVG entspricht. Ein dieses Gruppenverhältnis modifizierender Beschluß nach § 12 Abs. 1 BetrVG war im Wahlverfahren nicht herbeigeführt worden. Ohne Klärung der Frage, ob bei Verhinderung eines zur Gruppe der Angestellten zählenden Betriebsratsmitgliedes auf jeden Fall ein Angestellter oder (zunächst) ein Arbeiter nachrückt, war im vorliegenden Fall die Ordnungsmäßigkeit der Arbeit des Betriebsrats unter dem Gesichtspunkt seiner aktuellen Zusammensetzung gefährdet.

b) Obwohl der Antragsteller das vorangegangene Beschlußverfahren auch im eigenen Interesse zur Stärkung seines Kündigungsschutzes gemäß § 15 KSchG betrieben haben mag, ist nicht zu übersehen, daß der in jenem Verfahren zu 1) angekündigte und später modifiziert gestellte Sachantrag auf die Klärung der vorstehend dargestellten Frage abzielte. Ihm ist es nach der Begründung des Antrags nicht darum gegangen, lediglich feststellen zu lassen, daß er der erste Nachrücker ist, wenn überhaupt ein Angestellter nachrückt, sondern daß er nachzurücken hat, wenn ein Angestellter im Betriebsrat verhindert ist. Der daneben gestellte Antrag zu 2) mag zwar von der Motivation her noch stärker dem Eigeninteresse des Antragstellers gedient haben als der Antrag zu 1). Er ist jedoch als Element im Antrag zu 1) enthalten. Zudem hat er hier auch keine zusätzlichen Kosten verursacht, denn er ist bei der Wertfestsetzung unberücksichtigt geblieben. Die Festsetzung des Wertes von 4.000,-- DM zur Gebührenberechnung hätte ebenso erfolgen müssen, wenn nur der Antrag zu 1) gestellt worden wäre.

c) Die Tatsache, daß dem Antragsteller bei Einleitung des vorangegangenen Beschlußverfahrens durch die Kündigung der Antragsgegnerin vom 9. Oktober 1984 zum 31. Dezember 1984 gekündigt war, ändert an der Erforderlichkeit des Beschlußverfahrens im Interesse der Arbeit des Betriebsrats nichts. Diese Tatsache mag zwar die Motivation des Antragstellers wesentlich gestärkt, vielleicht sogar herbeigeführt haben. Das aber führt nicht daran vorbei, daß die Frage des Nachrückens im vorliegenden Fall damals objektiv klärungsbedürftig gewesen ist, weil die Amtszeit des Betriebsrats bei der Einleitung des Verfahrens noch mehr als zwei Jahre, bei der Verfahrensbeendigung noch fast zwei Jahre betragen hat und sich diese Frage auch unabhängig davon stellte, ob der Antragsteller aus dem Arbeitsverhältnis ausschied oder nicht.

d) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigter für das vorangegangene Beschlußverfahren ist ebenfalls erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG gewesen. Die zu klärende Rechtsfrage war angesichts der Besonderheit des Einzelfalles schwierig. Auf der einen Seite war der Gruppenschutz des § 10 BetrVG zu beachten, auf der anderen Seite war zu bedenken, daß das vom Wahlvorstand festgestellte Wahlergebnis nicht nach § 19 BetrVG angefochten worden ist und aus dieser Sicht ein derzeitiges Nachrücken des Antragstellers gemäß § 25 BetrVG zumindest möglich erschien.

Insgesamt sind daher die durch die Heranziehung der Verfahrensbevollmächtigten erwachsenen Kosten dem Grunde nach als erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG anzusehen.

4. Der Freistellungsanspruch ist auch der Höhe nach begründet. Die Rechtsanwaltsgebühren sind aufgrund der Wertfestsetzung von 4.000,-- DM zutreffend berechnet worden.

5. Unbegründet ist der Freistellungsanspruch dagegen hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen. Es liegen keine Tatsachen vor, aus denen zu schließen sein könnte, daß der Antragsteller gegenüber seinen Verfahrensbevollmächtigten in Schuldnerverzug geraten sein könnte. Auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Prozeßzinsen ist der Freistellungsanspruch nicht begründet. Denn das vorliegende Verfahren ist lediglich gegen die Antragsgegnerin als Freistellungsschuldnerin gerichtet. Sie ist aber nur in dem Umfang zu belasten, in welchem der Antragsteller seinerseits Schuldner seiner damaligen Verfahrensbevollmächtigten ist.

6. Dem Freistellungsanspruch des Antragstellers steht die Ausgleichsklausel im gerichtlichen Vergleich vom 25. September 1985 nicht entgegen. Den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses hierzu vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Unmittelbar greift die Ausgleichsklausel, die sich nur auf Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" bezieht, nicht ein. Es handelt sich bei den geltend gemachten Kosten nicht um Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, sondern um solche aus der vermeintlichen Amtsstellung bzw. Amtsbetätigung des Antragstellers im Sinne des Betriebsverfassungsrechts. Derartige betriebsverfassungsrechtlich begründete Forderungen entstehen aber nicht aus dem Arbeitsverhältnis, sondern ergeben sich aus dem vom Betriebsratsmitglied ausgeübten Amt (vgl. BAG Beschluß vom 30. Januar 1973 - 1 ABR 1/73 - AP Nr. 3 zu § 40 BetrVG 1972) bzw. hier aus dem Streit über die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Antragstellers gegenüber dem Betriebsrat. Der Charakter solcher Forderungen ändert sich aber nicht deswegen, weil der Antragsteller nicht Betriebsratsmitglied gewesen ist.

b) Nicht zu folgen vermag der Senat auch der weiteren Ausführung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Antragsteller treuwidrig gehandelt habe, wenn er bei dem Vergleichsabschluß nicht zu erkennen gegeben habe, sich des streitbefangenen Erstattungsanspruchs zu berühmen. Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, daß eine derartige Treuwidrigkeit im Sinne des § 242 BGB vorliegen könnte, liegen nicht vor.

Die bloße Tatsache der Vereinbarung einer Ausgleichsklausel hinsichtlich "aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" gibt für sich allein noch keinen Anlaß, daß sich der Antragsteller bei dem Vergleichsanspruch hinsichtlich seines Freihalteanspruchs hätte berühmen müssen. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Vergleichschließenden damals alle Ansprüche und damit auch solche betriebsverfassungsrechtlicher Art hätten regeln wollen, kann dahinstehen. Denn es liegen keine Tatsachen vor, die einen solchen Schluß zulassen.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Schliemann

Dr. Johannsen Schmalz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441031

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