Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 17.12.1998; Aktenzeichen 3 Sa 1109/97)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.03.2001; Aktenzeichen 1 BvR 383/00)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Klägerin vom 21. Juli 2000 gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 17. Dezember 1998 – 3 Sa 1109/97 – wird als unzulässig verworfen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 13.800,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin der Beklagten anzusehen und deshalb die Kündigung ihres Beschäftigungsverhältnisses unwirksam ist.

Das Arbeitsgericht hat die im Mai 1994 erhobene Klage mit Urteil vom 4. Dezember 1996 abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 14. April 1998 zugestellt worden. Ihre Berufung hat das Landesarbeitsgericht mit Urteil 17. Dezember 1998 zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist der Klägerin am 26. Juni 2000 zugestellt worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hatte die Klägerin bereits im Oktober 1999 Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht erhoben. Sie wurde als unzulässig verworfen, da mit ihr ausschließlich das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen des anzufechtenden Urteils geltend gemacht worden sei. Gegen den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Januar 2000 hat die Klägerin Verfassungsbeschwerde erhoben, die noch nicht beschieden ist. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2000 hat die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts ein weiteres Mal Beschwerde erhoben und sie auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz gestützt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde vom 21. Juli 2000 ist unzulässig.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde noch wirksam eingelegt werden kann, wenn sie später als 18 Monate nach Verkündung des anzufechtenden Urteils erhoben wird, dh. zu einem Zeitpunkt, zu dem auch die äußerste Frist zur Einlegung der Revision gemäß § 74 Abs. 1, § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, § 552 ZPO verstrichen ist. Ebensowenig bedarf es der Entscheidung, wie sich der Umstand auswirkt, daß eine zuvor gegen dasselbe Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde bereits verworfen oder zurückgewiesen worden ist.

2. Auch wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, daß sie die Beschwerde vom 21. Juli 2000 rechtzeitig eingelegt hat und der Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Januar 2000 einer Sachbescheidung nicht entgegensteht, ist die Beschwerde nicht zulässig.

a) Die Beschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil, welches der Klägerin bei Einlegung der Beschwerde in vollständig abgefaßter Form zugestellt worden war. Für die Klägerin bestanden keine Hinderungsgründe mehr, die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 72, § 72a ArbGG zu erfüllen.

b) Eine zulässige Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, daß die Sache eine der in § 72a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG aufgeführten privilegierten Rechtsstreitigkeiten betrifft. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Sie sieht die grundsätzliche Bedeutung des Falles stattdessen in einer “Rechtsverweigerung” durch das Berufungsgericht, das weder die Revision zugelassen noch die Entscheidungsgründe innerhalb der äußerst denkbaren Revisionsfrist abgefaßt habe. Soweit die Klägerin damit etwa Verstöße des Landesarbeitsgerichts gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes oder das Rechtsstaatsprinzip rügen will, vermag sie darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg zu stützen. Verfassungsverstöße können nicht über den Weg der Nichtzulassungsbeschwerde korrigiert werden (so für die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör BVerfGE 65, 76, 90; BVerfG NZA 1995, 1222). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verstoß nicht das Erkenntnisverfahren betrifft, sondern in einem Verhalten des Gerichts nach Verkündung des Urteils liegen soll.

c) Für die Zulässigkeit einer auf Divergenz gestützten Beschwerde ist es gemäß § 72a Abs. 2 Satz 2 ArbGG erforderlich, daß sie die Entscheidung bezeichnet, von der das anzugreifende Urteil des Landesarbeitsgerichts abweiche. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es für eine formgerechte Begründung der Divergenzbeschwerde darüber hinaus erforderlich, erstens einen abstrakten Rechtssatz zu formulieren, der in der bezeichneten Entscheidung enthalten sein soll, zweitens einen abstrakten Rechtssatz zu formulieren, der sich aus dem anzugreifenden Urteil ergeben und von dem erstgenannten Rechtssatz abweichen soll und drittens zu behaupten, daß das anzugreifende Urteil auf dieser Abweichung beruhe; andernfalls ist die Beschwerde bereits unzulässig (BAG 15. Oktober 1979 – 7 AZN 9/79 – BAGE 32, 136; BAG 19. November 1979 – 5 AZN 15/79 – AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 2; BAG 22. November 1979 – 3 AZN 24/79 – AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 3).

Dem wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht. Sie gibt keine abstrakten Rechtssätze des anzufechtenden Urteils und eines der betreffenden Gerichte wieder, die einander widersprächen. Die Klägerin erblickt eine Divergenz darin, daß die Mehrzahl aller Urteile “sowohl materiell als auch formell als Urteil anzusehen” sei, wogegen die anzufechtende Entscheidung höchstens der äußeren Form nach ein Urteil darstelle. Durch Zeitablauf seien die Entscheidungsgründe als “Nichtgründe” anzusehen, die “grundsätzlich zu allen ordnungsgemäß und fristgemäß begründeten Urteilen divergieren”. Darin kann der Klägerin nicht gefolgt werden. Verspätet abgefaßte Urteilsgründe stellen weder gänzlich unbeachtliche, gleichsam nicht existente Gründe dar – die Verspätung wird als absoluter Revisionsgrund nach § 551 Nr. 7 ZPO nur auf eine entsprechende (auch nach Einlegung noch verzichtbare) Rüge hin berücksichtigt – noch würden nicht existente Rechtssätze von anderen Rechtssätzen abweichen können.

Da das geltende Arbeitsgerichtsgesetz die Verfahrensbeschwerde nicht vorsieht, kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht.

 

Unterschriften

Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Schwefeß, Buschmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1810745

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