Rz. 1

Urlaub soll nach der Gesetzesbegründung der "Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft dienen".[1] Es geht also um die selbstbestimmte Erholung des Arbeitnehmers im Sinne körperlicher, geistiger und seelischer Regeneration.[2] Zur Unterstützung dieses Zwecks beschränkt § 8 BUrlG das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 GG, seinen Urlaub zu einer anderweitigen Erwerbstätigkeit frei zu nutzen. Der Arbeitnehmer soll der Versuchung widerstehen, seine Arbeitskraft während seiner Freizeit anderweitig zu vermarkten, statt seine Kräfte in selbstbestimmter Erholung aufzufrischen.[3] Die Erholung soll nicht durch zusätzliche Erwerbstätigkeiten vereitelt werden. Mit der Regelung soll auch dem Interesse des Arbeitgebers, der schließlich für die Dauer der Freistellung des Arbeitnehmers dessen Entgelt bezahlt, Rechnung getragen werden, die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Rückkehr aus dem Urlaub nicht durch geleistete belastende Erwerbstätigkeit beeinträchtigt sehen zu müssen.[4]

Für die Entstehung, den Bestand und die Erteilung des Urlaubs kommt es nicht auf ein abstraktes oder konkretes Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers an.[5] Genauso wenig gibt es für den Arbeitnehmer eine Pflicht, sich im Urlaub zu erholen.[6] Er kann seinen Urlaub grundsätzlich so gestalten, wie er will und auch extrem anstrengende Tätigkeiten, wie z. B. Bergsteigen in Nepal oder anderen Extremsport durchführen.[7] Der Arbeitnehmer kann sich also auch erholungsfeindlich verhalten, wenn er nur keine Erwerbstätigkeit verrichtet.[8]

Die in § 8 BUrlG normierte Verpflichtung des Arbeitnehmers, während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, ist Ausdruck einer allgemeinen gesetzgeberischen Wertung. Danach wird der Urlaubszweck nicht durch jede (Erwerbs-) Tätigkeit oder Beschäftigung außerhalb des Arbeitsverhältnisses gefährdet, die die Erholung und Entspannung des Arbeitnehmers sowie die Möglichkeit der selbstbestimmten Nutzung seiner Freizeit beeinträchtigen könnte.[9]

Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass das in § 8 BUrlG enthaltene Verbot der urlaubszweckwidrigen Erwerbstätigkeit fragwürdig und zudem in der Praxis wenig praktikabel ist, weil sowohl der Inhalt des Verbots als auch seine Folgen unklar und umstritten sind.[10]

[1] BAG, Urteil v. 8.3.1984, 6 AZR 600/82, BT-Drucks. 4/207; vgl. auch schriftlicher Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. 4/785.
[3] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 8 BUrlG, Rz. 1.
[4] BT-Drucks. 4/785; ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 8 BUrlG, Rz. 1; Hohmeister/Oppermann/Hohmeister, HK-BUrlG, 3. Aufl. 2013, § 8 BUrlG, Rz. 1.
[6] BAG, Urteil v. 25.8.2020, 9 AZR 612/19, Rz. 30; BAG, Urteil v. 28.1.1982, 6 AZR 571/79, zu II.2.b.dd. der Gründe; ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 1 BUrlG Rz. 5; GK-BUrlG/Bachmann, 5. Aufl. 1992, § 8 BUrlG, Rz. 1; Hohmeister/Oppermann/Hohmeister, HK-BUrlG, 3. Aufl. 2013, § 8 BUrlG, Rz. 1.
[8] BAG, Urteil v. 8.3.1984, 6 AZR 600/82, zu II.5.b der Gründe.
[10] GK-BUrlG/Bachmann, 5. Aufl. 1992, § 8 BUrlG, Rz. 2 unter Hinweis darauf, dass die Arbeitsgesetzbuchkommission die Umwandlung des § 8 BUrlG in eine Sollvorschrift vorgeschlagen hatte.

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