Tenor

Das Versäumnisurteil vom 22. Februar 1999 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 3.760,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Gratifikationsanspruch.

Die Klägerin war seit 01. Januar 1982 für die Beklagte zunächst als Baustellensekretärin tätig. Gemäß eines Vertrages vom 26. November 1984 wurde sie seit 01. Januar 1985 als Telefonistin und Schreibkraft mit Sachbearbeiterfunktionen weiterbeschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 3.760,– DM. § 7 des Arbeitsvertrages vom 26. November 1984 lautet:

„Als zusätzliche Leistung zahlt … zum Jahresende eine Gratifikation für Weihnachten, Urlaub und Firmentreue in Höhe eines Brutto-Monatsgehaltes, für das Eintrittsjahr anteilig, entsprechend der Dauer der Firmenzugehörigkeit. Die Gratifikation wird u. a. unter der Voraussetzung gezahlt, dass das Arbeitsverhältnis weder gekündigt, noch vor dem 01. April des Folgejahres beendet wird; ansonsten ist die Gratifikation zurückzuzahlen.”

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 betriebsbedingt zum 30. April 1999. Auf die von der Klägerin gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage schlossen die Parteien vor der erkennenden Kammer im Verfahren 2 Ca 8343/98 am 30. November 1998 einen Vergleich, demgemäß das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten zum 30. April 1999 aufgelöst wird und die Beklagte sich zur Zahlung einer Abfindung von 24.000,– DM verpflichtete. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Gratifikation für das Jahr 1998 geltend. Gegen die im Gütetermin säumige Beklagte erließ die erkennende Kammer am 22. Februar 1999 ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil, das der Beklagten am 09. März 1999 zugestellt wurde. Gegen das Versäumnisurteil legte die Beklagte unter dem 16. März 1999 Einspruch ein.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 22. Februar 1999 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

  1. das Versäumnisurteil vom 22. Februar 1999 aufzuheben,
  2. die Klage abzuweisen.
 

Entscheidungsgründe

Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 22. Februar 1999 ist zulässig, insbesondere wurde er gemäß §§ 59 ArbGG, 340 ZPO form- und fristgerecht eingelegt.

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 des Arbeitsvertrages vom 26. November 1984 die in der Höhe rechnerisch unstreitige Gratifikation für das Jahr 1998 zu.

Die Beklagte wendet gegen den Anspruch lediglich ein, dass nach § 7 Satz 2 des Arbeitsvertrages ein nicht gekündigtes Arbeitsverhältnis Voraussetzung der Zahlung sein soll. Diese Regelung ist jedoch nicht wirksam. Allerdings dürfte dem Vertragstext entgegen der Ansicht der Klägerin trotz seiner nicht völlig klaren Formulierung hinreichend deutlich zu entnehmen sein, dass mit der Regelung eine bestimmte Anspruchsvoraussetzung begründet werden sollte, nämlich die des ungekündigten Bestandes des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gratifikation. Anders lassen sich die Worte „die Gratifikation wird … unter der Voraussetzung gezahlt” kaum sinnvoll mit den Worten „dass das Arbeitsverhältnis weder gekündigt … wird” auslegen. Ersichtlich sollte auf den anerkannten Ausschlusstatbestand eines zum Fälligkeitszeitpunkt gekündigten Arbeitsverhältnisses Bezug genommen werden. Dies erfasst den Wortlaut und dem erkennbaren objektiven Zweck nach auch den Fall einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers.

Eine solche Klausel ist nach Auffassung der Kammer bei einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers jedoch nicht wirksam. Die Frage der Wirksamkeit derartige arbeitsvertraglicher Klauseln ist in der Literatur umstritten (bejahend etwa Lipke in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Ziff. 2.3, Rdnr. 171; verneinend etwa Hanau in: Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, § 67 Rdnr. 29). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage war wechselhaft. In der älteren Rechtsprechung wurde angenommen, dass angesichts des Rechtsgedankens von § 162 BGB eine derartige Bindungsklausel unabhängig von ihrer vertraglichen oder tariflichen Grundlage bei betriebsbedingten Kündigungen des Arbeitgebers grundsätzlich nicht gelte (so zuletzt Urteil vom 27. Oktober 1978, 5 AZR 287/77, AP Nr. 98 zu § 611 BGB Gratifikation, unter II 2 der Gründe). Diese Rechtsprechung wurde zunächst vom 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts für tarifvertragliche Bindungsklauseln aufgegeben. § 162 BGB sei im Hinblick auf die kündigungsschutzrechtliche Beschränkung betriebsbedingter Kündigungen nicht ohne weiteres anwendbar, da eine wirksame betriebsbedingte Kündigung nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen könne (BAG, Urteil vom 04. September 1985, 5 AZR 655/84, AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation, unter II 2 der Gründe).

Diese Rechtsprechung wurde in der Folgezeit vom 6. Senat auf eine entsprechende Bestimmung in einer Betriebsvereinbarung (BAG, Urteil vom 25. April 19...

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