Leitsatz (amtlich)

I. Lässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Bindung an das Unternehmen gegen die Zusage einer Rückerstattung bei Ausscheiden diesseits bestimmter Zeitpunkte einen Bonus zukommen (hier: „Sign-On Bonus”), so gelten die Grundsätze der Gerichte für Arbeitssachen zu den Grenzen wirksamer Bindungsdauer je nach Höhe des zugewandten Geldbetrages (s. ständige Rechtsprechung seit BAG 10.5.1962 – 5 AZR 452/61 – AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 22 = NJW 1962, 1537; 10.5.1962 – 5 AZR 353/61 – AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 23 = JZ 1963, 173).

II. Kann hiernach mit einer Zuwendung, die das Doppelte einer Monatsvergütung nicht erreicht, keine Bindung des Empfängers über den 30. Juni des Folgejahres hinaus bewirkt werden (so bereits BAG 13.7.1962 – 5 AZR 498/61 – AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 24), und könnte die Zuwendung von 10.000,– Euro bei einem Gehalt von (hier) mehr als 5.300,– Euro danach keine Bindung für das komplette Folgejahr erzeugen, so führt auch die Verfünffachung des Geldbetrages (hier: Bonus von 50.000,– Euro) nicht dazu, dass eine Bindung von (knapp) fünf Jahren (59 Monaten) erzielbar wäre.

III. Erweist sich die Bindungsklausel nach diesen Grundsätzen als unwirksam, so kann ein Rückzahlungsanspruch auch nicht auf Bereicherungsrecht gestützt werden (vgl. BAG 21.8.2012 – 3 AZR 698/10 – z.V.v. [II.4.]).

IV. Es führt nicht ohne weiteres zu einer „Bestätigung” (§ 141 BGB) der unwirksamen Rückzahlungsklausel, wenn sich die Anspruchsgegnerin bei einer Rückforderung von (hier noch) 40.000,– Euro auf eine Stundungsvereinbarung einlässt.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40.000,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Es geht um die Rückzahlung eines „Sign-On-Bonus”. – Vorgefallen ist dies:

I. Die Beklagte trat im September 2004 als „Leitende Beraterin”[1] in die Dienste der „p. S. GmbH” (Wiesbaden). Diese Gesellschaft verschmolzen die wirtschaftlichen Akteure der beteiligten Unternehmen (wohl) per Oktober 2006 zur hiesigen Klägerin („p. M. Consulting GmbH”; Frankfurt/Main), die im Zuge dessen kraft Betriebsübergangs (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB[2]) in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten eintrat. – Diese bezog zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, neben erfolgsbezogenen Vergütungsanteilen ein Monatsgehalt von 5.333,– Euro[3] (brutto).

II. Mit besagten „Ereignissen” hat es folgende Bewandtnis:

1. Unter Begleitumständen, zu denen die Darstellungen der Parteien teilweise auseinander gehen (s. unten, S. 6 [V.1.]; S. 7 [VI.1.]), kam es am 23. Dezember 2008 zur Auszahlung eines „Bonus” von – nominell[4] – 50.000,– Euro an die Beklagte. Von diesem Betrag setzte die Beklagte nach eigenen Angaben wenige Tage später 25.000,– Euro ein, um sich davon noch vor Jahresende Aktien der Muttergesellschaft der Klägerin[5] („p. AG”) anzuschaffen[6].

2. Im Januar 2009[7] ließ die Klägerin dem ein auf den 18. Dezember 2008 datiertes und nach Erscheinungsbild und Diktion von ihr vorformuliertes Schriftstück[8] (Kopie: Urteilsanlage I.) folgen, das die Beklagte in der Rubrik „Einverstanden” unterzeichnete. – Text:

„Sign on Bonus und Verpflichtungserklärung

Frau K. [Name der Beklagten im Original ausgeschrieben; d.U.] ist zum Partnerkandidaten der p. gewählt worden und übernimmt in diesem Kontext weitere Führungsaufgaben.

  1. Frau K. erhält einen Sign-On Bonus in Höhe von EUR 50.000,00.
  2. Der Sign-On Bonus wird ausgezahlt bis zum 31.12.2008.
  3. Sollte Frau K. ihren Anstellungsvertrag kündigen, aus welchem Umstand auch immer, muss ein Teil des Sign-On Bonuses wie folgt zurückgezahlt werden:

    Vertragsende vor dem 31.12.2009

    EUR 50.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2010

    EUR 40.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2011

    EUR 30.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2012

    EUR 20.000,00

    Vertragsende vor dem 30.11.2013

    EUR 10.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2009

    EUR 50.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2010

    EUR 40.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2011

    EUR 30.000,00

    Vertragsende vor dem 31.12.2012

    EUR 20.000,00

    Vertragsende vor dem 30.11.2013

    EUR 10.000,00

    Zusätzlich fallen auf den verbleibenden Rückzahlungsbetrag 5% Zinsen p.a. ab dem Tag der Zurverfügungstellung an.

  4. Alle übrigen Bestandteile des bestehenden Anstellungsverhältnisses bleiben unverändert und behalten weiterhin ihre Gültigkeit”.

3. Diese Urkunde ersetzte die Klägerin später nach gleichem Muster durch ein auf den 18. Mai 2009 datiertes Schriftstück[9] (Kopie: Urteilsanlage II.), das die Beklagte gleichfalls wunschgemäß unterzeichnete und in dem es heißt:

„Sign on Bonus / Rückzahlungstermin

Abweichend von der bereits unterzeichneten Sign-On Bonus Vereinbarung gelten die folgenden unter Punkt 3 genannten Rückzahlungsfristen:

3. Sollte Frau K. ihren Anstellungsvertrag kündigen, aus welchem Umstand auch immer, muss ein Teil des Sign-On Bonuses wie folgt zurückgezahlt werden:

Vertragsende vor dem 01.01.2010

EUR 50.000,00

Vertragsende vor dem 01.01.2011

EUR 40.000,00

Vertragse...

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