Leitsatz

Anspruch auf Auszahlung von Guthaben aus Einzelabrechnung

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6 Satz 1, 16 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Das Abrechnungsguthaben aus einer mehrheitlich beschlossenen Jahresabrechnung begründet einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen die teilrechtsfähige Gemeinschaft (den Verband), solange eine anderweitige Regelung nach § 21 Abs. 7 WEG nicht beschlossen worden ist. Diese Grundsätze gelten auch für beschlossene Abrechnungsguthaben aus der Zeit vor Inkrafttreten der WEG-Reform.
  2. Entgegen der Meinung beider Vorinstanzen war die Rechtsbeschwerde des klagenden Eigentümers begründet und führte zur Aufhebung und Zurückweisung der Sache an das Landgericht.
  3. Wohngeldvorschüsse sind abzurechnen, um einen Ausgleich entsprechend der Lastentragungsquoten herzustellen; dieser Ausgleich wird im Innenverhältnis unter den Miteigentümern in der Jahresabrechnung geregelt; erst die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung legt die konkrete Beitragsschuld des einzelnen Miteigentümers gegenüber der Gemeinschaft fest (h.M.). Daraus folgt, dass Nachzahlungsansprüche und Rückzahlungsverbindlichkeiten aus der Jahresabrechnung stets Ansprüche und Verbindlichkeiten der Gemeinschaft gegenüber einzelnen Miteigentümern sind. Ob es sich bei einzelabgerechneten Guthaben sodann um Ansprüche des einzelnen Eigentümers gegen die Gemeinschaft aus ungerechtfertigter Bereicherung oder unmittelbar aus dem Beschluss der Eigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG handelt, bedarf keiner Entscheidung, da sich vorliegend der Kläger auf beschlossene Abrechnungen stütze und dort ausgewiesene Guthaben geltend machte.

    Hat eine Abrechnung Beitragspflichten der einzelnen Eigentümer konkretisiert, können diesen keine unmittelbaren weitergehenden Zahlungspflichten auferlegt werden, weil dadurch der durch die Abrechnung geschaffene Innenausgleich der Gemeinschaft gestört würde. Der Anspruch eines Miteigentümers auf Auskehr eines Abrechnungsguthabens ist deshalb nach früheren Meinungen überwiegend auf Befriedigung aus den aus der konkret abgerechneten Wirtschaftsperiode vorhandenen Geldmitteln bzw. auf Mitwirkung einer Durchsetzung in der Jahresabrechnung ausgewiesener Nachforderungen beschränkt worden (KG, ZMR 1995 S. 264 und ZMR 2001 S. 846, folgend auch OLG Frankfurt 2004 und OLG Köln 2007).

    Diese Auffassung ist nunmehr durch die Neuregelung des § 10 Abs. 6 WEG und die zeitlich zuvor ergangene Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft sowie durch die in § 21 Abs. 7 WEG ausdrücklich normierte Beschlusskompetenz überholt. Die Auffassung, Abrechnungsguthaben seien vorrangig aus den gleichzeitig festgestellten Nachzahlungsforderungen, ggf. bei Ausfällen aus einer zu beschließenden Sonderumlage, nicht jedoch aus zweckgebundenen Beitragsvorschüssen für spätere Wirtschaftsperioden auszugleichen (KG, ZMR 2002 S. 699), gründet zwar auf dem zutreffend beurteilten Zusammenhang zwischen Guthaben und Fehlbeträgen einer Jahresabrechnung. Dem einzelnen Eigentümer ist indes die angemessene Durchsetzbarkeit des ihm letztlich dem Grunde nach zustehenden Abrechnungsguthabens zu ermöglichen. Schließt eine etwaige Deckungslücke eine unmittelbare Auskehr des Guthabens aus, so wäre er auf ein zeitraubendes Vorgehen gegen Nachzahlungsschuldner und schließlich darauf verwiesen, eine Sonderumlage der Wohnungseigentümer zu erwirken, aus deren Mitteln das Abrechnungsguthaben dann auszuzahlen ist. Ein sachlich begründeter Anlass für eine dahingehende Beschränkung des Anspruchs besteht im Hinblick auf die neuerliche Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft und möglicher Beschlusskompetenz nach § 21 Abs. 7 WEG nicht. Der Zahlungsanspruch auf Auskehr eines Abrechnungsguthabens richtet sich gegen die teilrechtsfähige Gemeinschaft unabhängig von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand und jeweiliger Verbindlichkeiten. Allerdings kann eine Gemeinschaft nach § 21 Abs. 7 WEG über Art und Weise von Zahlungen mit Mehrheit beschließen, somit auch über die Möglichkeit, Guthaben mit künftigen Vorschüssen oder anderen Zahlungspflichten zu verrechnen. Wird eine solche Verrechnung nicht beschlossen, ist kein rechtfertigender Grund ersichtlich, einem Miteigentümer dennoch einen Auszahlungsanspruch gegen die Gemeinschaft allein deshalb zu verweigern, weil die Gemeinschaft fehlende liquide Mittel einwendet. Ein solcher Auszahlungsanspruch wird vielmehr nach § 271 BGB sofort fällig (h.M.); allenfalls wäre aufgrund des besonderen Treueverhältnisses unter Eigentümern ein kurzfristiges Zuwarten, etwa bis zum Eingang von Nachzahlungsbeträgen oder einer in Aussicht stehenden Beschlussfassung nach § 21 Abs. 7 WEG zumutbar.

    Vorgenannte Konsequenzen gehören zum materiellen Recht und sind auch auf dieses "Altverfahren" ohne bestehende Übergangsvorschriften anwendbar.

    Von Verjährung oder Verwirkung dürfte im vorliegenden Fall nicht auszugehen sein.

Anmerkung

Zumindest langjährige ETW-Abonnenten werden sich noch erinnern, dass ich bereits die vom KG ausgehende Meinung...

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