Rz. 142

Gerät eine bislang isoliert geführte Familiensache durch Anhängigkeit einer Scheidungssache kraft Gesetzes gem. § 137 Abs. 4 FamFG oder durch Verbindung nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 147 ZPO in den Verbund, so gilt ab dann § 16 Nr. 4. Die Gebühren entstehen ab dann nur einmal aus dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 S. 1, § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG). Für die Zeit bis zur Aufnahme in den Verbund bleibt die Angelegenheit dagegen gesondert abrechenbar.

 

Rz. 143

Die Berechnung der mehrfach – also vor und nach Aufnahme – ausgelösten Gebührentatbestände ist nach dem Grundsatz einer Verfahrensverbindung zu behandeln, wobei bereits einmal entstandene Gebühren nicht durch die nachträgliche verfahrensrechtliche Veränderung in Wegfall geraten können, andererseits aus dem bereits berücksichtigten Wert nicht noch einmal neu anfallen können.[36]

 

Beispiel: Der Anwalt war zunächst in einem isolierten Kindesunterhaltsverfahren vor dem AG Köln beauftragt worden (Wert: 3.660 EUR). Nach Umzug der Ehefrau mit den Kindern nach München wurde dort die Scheidung eingereicht (Werte: Ehesache 6.000 EUR – § 43 FamGKG; Versorgungsausgleich 1.200 EUR – § 50 Abs. 1 FamGKG). Das isolierte Unterhaltsverfahren wurde daraufhin an das AG München als Gericht der Ehesache (§ 122 FamFG) abgegeben und gem. § 137 Abs. 4 FamFG als Folgesache in das Verbundverfahren übernommen. Anschließend wurde erstmals verhandelt.

Im isolierten Unterhaltsverfahren ist vor dem AG Köln folgende Vergütung angefallen:

 
I. Isoliertes Verfahren über Kindesunterhalt    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   361,40 EUR
  (Wert: 3.660 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 381,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   72,47 EUR
Gesamt   453,87 EUR

Diese Vergütung kann nachträglich nicht entfallen, sondern bleibt dem Anwalt erhalten. Nur die weiteren Gebühren richten sich jetzt nach den Regelungen des Verbundverfahrens. Allerdings muss der Wert der Unterhaltssache jetzt im Verbundverfahren bei der Berechnung der Verfahrensgebühr außer Ansatz gelassen werden. Der Anwalt kann die Gebühren aus der Unterhaltssache nicht zweimal abrechnen. Lediglich bei der Terminsgebühr besteht kein Wahlrecht, weil diese Gebühr nicht auch isoliert angefallen ist, sondern nur im Verbund.

 
II. Verbundverfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   652,60 EUR
  (Wert: 7.200 EUR – ohne Kindesunterhalt)    
2. 1,2-Terminsgebühr VV 3104   799,20 EUR
  (Wert: 10.860 EUR – mit Kindesunterhalt)    
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.471,80 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   279,64 EUR
Gesamt   1.751,44 EUR
Gesamt I. + II.   2.205,31 EUR

Stattdessen kann der Anwalt aber auch nur die Gebühren des Verbundverfahrens abrechnen. Dann darf er den Wert der Kindesunterhaltssache im Verbund mitberücksichtigen. Im Falle einer solchen gemeinsamen Abrechnung würde der Anwalt erhalten:

 
Gemeinsame Abrechnung Verbundverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   865,80 EUR
  (Wert: 10.860 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr VV 3104   799,20 EUR
  (Wert: 10.860 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.685,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   320,15 EUR
Gesamt   2.005,15 EUR

Diese Berechnung wäre für den Anwalt also ungünstiger.

Nach anderer Auffassung[37] ist anzurechnen. Danach würde sich im isolierten Verfahren nichts ändern. Im Verbund wäre wie folgt zu rechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   865,80 EUR
  (Wert: 10.860 EUR)    
2. anzurechnen, 1,3-Verfahrensgebühr aus 3.660 EUR   – 361,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr VV 3104   799,20 EUR
  (Wert: 10.860 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.323,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   251,48 EUR
Gesamt   1.575,08 EUR

Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Abgesehen davon, dass es im RVG keine diesbezügliche Anrechnungsvorschrift gibt, kann die Anrechnungsmethode bei bestimmten Konstellationen zu abweichenden Berechnungen führen.

 

Rz. 144

Handelt es sich bei dem aufgenommenen Verfahren um eine Kindschaftssache, ist zudem zu beachten, dass sich der Wert der Kindschaftssache mit der Aufnahme in den Verbund ändert.

 

Beispiel: Der Anwalt war zunächst vom Mandanten in einem isolierten Umgangsrechtsverfahren vor dem AG Köln beauftragt worden (Wert: 4.000 EUR – § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FamGKG). Nach Umzug der Kindesmutter nach München wurde dort die Scheidung eingereicht (Werte: Ehesache 6.000 EUR – § 43 FamGKG; Versorgungsausgleich 1.200 EUR – § 50 Abs. 1 FamGKG). Das isolierte Umgangsrechtsverfahren wurde daraufhin gem. § 153 S. 1 FamFG an das AG München als Gericht der Ehesache (§ 122 FamFG) abgegeben und dort gem. § 137 Abs. 4 FamFG als Folgesache in das Verbundverfahren übernommen. Im isolierten Verfahren war bereits verhandelt worden. Im Verbundverfahren wird eine Einigung der Beteiligten über das Umgangsrecht getroffen und gerichtlich gebilligt (§ 156 Abs. 2 S. 2 FamFG).

Im isolierten Kindschaftsverfahren ist vor dem AG Köln folgende Vergütung angefall...

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