Zu fehlerhaften Abrechnungen der anwaltlichen Vergütung in Erbscheinverfahren kommt es häufig, weil der Anwalt von einem unzutreffenden Gegenstandswert ausgeht, denn im Erbscheinverfahren deckt sich der Wert für die Gerichtsgebühren häufig nicht mit dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit.[1]

I. Der Geschäftswert

Erbscheinverfahren sind Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sodass sich die Gebühren nach der KostO berechnen. Da in einem Erbscheinverfahren nach § 107 Abs. 1 S. 2 KostO wertabhängige Gerichtsgebühren erhoben werden, bedarf es insoweit der Festsetzung des Geschäftswertes (§ 31 Abs. 1 KostO). Diese Festsetzung hat von Amts wegen nach § 31 Abs. 1 S. 1 KostO zu erfolgen. Der Geschäftswert wiederum richtet sich nach § 46 Abs. 4 KostO. Maßgebend ist der Wert des Nachlasses, wobei Verbindlichkeiten abzuziehen sind.

II. Der Gegenstandswert

Nach § 32 Abs. 1 RVG ist der gerichtlich festgesetzte Wert auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren maßgebend. Dies gilt uneingeschränkt und bereitet keine Probleme, wenn der Anwalt eine Partei vertritt, die an dem gesamten Gegenstand des Erbscheinverfahrens beteiligt ist.

 

Beispiel

Der Mandant ist der Auffassung, er sei Alleinerbe und beauftragt den Anwalt mit dieser Maßgabe einen Erbschein zu beantragen. Der Nachlasswert beträgt 80.000,00 EUR.

Der Anwalt kann nach dem Wert von 80.000,00 EUR abrechnen.

Problematischer verhält es sich jedoch, wenn der Mandant lediglich eine Erbquote geltend macht. Auch in diesem Fall bleibt die Bindungswirkung des § 32 Abs. 1 RVG bestehen, aber nur, soweit sie die Bewertung des Gesamtnachlasses betrifft. Zu berücksichtigen ist dann aber, dass das Interesse des Mandanten nur auf einen Teil des gesamten Gegenstandes geht und folglich für den Anwalt auch nur ein Teil des Geschäftswertes maßgebend ist. Auszugehen ist von dem gerichtlich festgesetzten Wert und davon ist entsprechend der vom Auftraggeber begehrten Erbquote ein Anteil zu berechnen. Dieser Anteil bildet dann den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit.

 

Beispiel

Der Mandant ist der Auffassung, er sei zu ½ Miterbe und beauftragt mit dieser Maßgabe den Anwalt mit seiner Vertretung im Erbscheinverfahren.

Der Geschäftwert des Erbscheinverfahrens beläuft sich wiederum auf den gesamten Nachlasswert (80.000,00 EUR). Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beläuft sich dagegen nur auf den hälftigen Wert, also 40.000,00 EUR.

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, dann ist für jeden Auftraggeber entsprechend seiner Quote ein gesonderter Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit zu ermitteln. Jeder Auftraggeber haftet nämlich nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG nur auf die Gebühren nach dem ihn betreffenden Wert.[2] Insgesamt kann der Anwalt allerdings nach § 7 Abs. 2 S. 2 RVG nicht mehr verlangen als die Gebühren aus den zusammengerechneten Werten (§ 22 Abs. 1 RVG). Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG kommt bei dieser Konstellation nicht in Betracht, da der Anwalt zwar mehrere Auftraggeber vertritt, aber nicht wegen desselben Gegenstandes, sondern wegen verschiedener Gegenstände.

 

Beispiel

Der Anwalt vertritt zwei Mandanten, die jeweils ein Erbrecht von ¼ beanspruchen.

Der Geschäftwert des Erbscheinverfahrens beläuft sich wiederum auf den gesamten Nachlasswert (80.000,00 EUR). Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beläuft sich dagegen nur auf den hälftigen Wert (40.000,00 EUR). Aus diesem Wert kann der Anwalt seine Gesamtvergütung gem. § 7 Abs. 2 S. 2 RVG berechnen, wobei eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG mangels desselben Gegenstandes nicht in Betracht kommt. Gegenüber jedem einzelnen Auftraggeber wiederum kann der Anwalt allerdings nur nach ¼ des Wertes abrechnen, also nach 20.000,00 EUR.

III. Gesonderte Wertfestsetzung

Ergibt sich Streit oder ergeben sich Unklarheiten über die Höhe des Gegenstandes für einen oder mehrere Auftraggeber, dann kann insoweit nach § 33 Abs. 1 RVG gegenüber einem jeden einzelnen Auftraggeber eine gesonderte Wertfestsetzung beantragt werden.[3]

Zuständig für die Festsetzung ist das Nachlassgericht, bei dem die Vergütung angefallen ist.

Norbert Schneider

[1] Siehe dazu auch AG Mannheim AGS 2011, 304.
[2] Siehe dazu auch AG Mannheim AGS 2011, 304.
[3] AG Mannheim AGS 2011, 304.

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