Die Beschwerde ist (nunmehr) unbegründet.

Der Anspruch des Antragstellers auf Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gem. §§ 45 Abs. 1, 49 RVG, Nr. 3100 VV ist vorliegend durch Anrechnung der für die außergerichtliche Vertretung entstandenen hälftigen Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV erloschen, nachdem die Beklagte zwischenzeitlich die unter Nr. 2 des Vergleichs titulierte vorprozessuale Geschäftsgebühr i.H.v. 961,28 EUR brutto unmittelbar an den Antragsteller gezahlt hat.

Der Senat nimmt insoweit mit Befremden zur Kenntnis, dass der Antragsteller entgegen seiner Verpflichtung aus § 55 Abs. 5 S. 4 RVG die Zahlung i.H.v. 961,28 EUR durch die Beklagte nicht unverzüglich angezeigt, sondern erstmals aufgrund der Anfrage des Senats überhaupt den Erhalt der Zahlung eingeräumt hat.

1) Die allgemeinen Vorschriften zur Anrechnung gelten auch für die Vergütung des Rechtsanwalts, der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet ist (vgl. OLG Brandenburg MDR 2011, 1206 [= AGS 2011, 549]; OLG Frankfurt FamRZ 2013, 323 [= AGS 2012, 399]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., § 58 Rn 35 u. 36 sowie § 15a Rn 15 m.w.Nachw.).

Entgegen der Auffassung des LG führt dies zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die von dem beigeordneten Rechtsanwalt gegenüber der Staatskasse geltend gemachte Verfahrensgebühr aber nur dann, wenn die Geschäftsgebühr tatsächlich an ihn gezahlt worden ist (vgl. OLG Brandenburg a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O. und JurBüro 2013, 21 und 2013, 467; OLG Braunschweig FamRZ 2011, 1683; Niedersächsisches FG EFG 2012, 553; Gerold/Schmidt a.a.O.; Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl., § 15a Rn 25; Meyer/Kroiß/Winkler, RVG, 6. Aufl. § 15a Rn 23; im Ergebnis wohl auch: Hessischer VGH, Beschl. v. 27.6.2013 – 6 E 600/13).

Die Staatskasse wird im Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 45 Abs. 1 S. 1 RVG unmittelbarer Gebührenschuldner und tritt insoweit an die Stelle des Mandanten; sie ist daher nicht Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG. Nach der zum 5.8.2009 in Kraft getretenen Norm des § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt auch im Fall der Anrechnung beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag beider Gebühren. Der Rechtsanwalt hat mithin die Wahl, welche Gebühren er fordert und – falls die Gebühren von unterschiedlichen Personen geschuldet werden – welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist es lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren abzüglich des anzurechnenden Betrages ergibt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2013, 323 m.w.Nachw. [= AGS 2012, 399]).

Zwar kommt es nach dem Wortlaut der Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV nur darauf an, dass die Geschäftsgebühr entstanden ist, das heißt durch die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst wurde, nicht aber darauf, ob sie tatsächlich gezahlt ist. Zweck der Anrechnung ist es zu verhindern, dass die gleiche – oder annähernd gleiche – Tätigkeit zweimal honoriert wird (vgl. Hartmann, KostG, 41. Aufl., Nr. 3100 VV Rn 55). Insoweit wurde vertreten, dass es für diese Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob der beigeordnete Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr oder einen Vorschuss darauf bereits erhalten hat oder ob mit der Zahlung der Gebühr wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. OVG Hamburg JurBüro 2009, 137 m.w.Nachw.).

Ebenfalls zum 5.8.2009 ist jedoch § 55 Abs. 5 RVG neu gefasst worden. Nach § 55 Abs. 5 S. 2 RVG hat der Rechtsanwalt in seinem Festsetzungsantrag anzugeben, ob und welche Zahlungen er bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat; spätere Zahlungen hat er nach § 55 Abs. 5 S. 4 RVG unverzüglich anzuzeigen. Diese Angaben des Rechtsanwalts ermöglichen dem Urkundsbeamten bei der Festsetzung die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen nach § 58 RVG vorzunehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 16/12717 S. 59) sollten durch die Regelung des § 55 Abs. 5 S. 2 RVG dem Urkundsbeamten damit alle für die Festsetzung der Vergütung erforderlichen Daten zur Verfügung stehen, um ermitteln zu können, in welchem Umfang die Zahlungen nach § 58 Abs. 1 und 2 RVG als Zahlung auf die festzusetzende Gebühr zu behandeln sind.

Diese Regelung würde aber keinen Sinn ergeben, wenn eine Anrechnung auf die festzusetzende Gebühr auch in anderen Fällen als dem der Zahlung erfolgen soll, wenn z.B. auch die bloße Entstehung der anzurechnenden Gebühr ausreichen würde. Von dem Urkundsbeamten müssten dann erst diese Voraussetzungen abgefragt werden, so dass ihn die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben im Festsetzungsantrag – anders als vom Gesetzgeber gewollt – gerade nicht in die Lage versetzen würden, die festzusetzende Vergütung zu ermitteln. Durch die Tatsache, dass § 55 Abs. 5 S. 2 RVG nur eine Anzeige von Zahlungen vorsieht, bringt das Gesetz damit zum Ausdruck, dass es für die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Prozesskostenhilfe-Vergütungsverfahren – abweich...

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