Leitsatz

Bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen über den Verfahrensgegenstand hinausgehenden Vergleich sind – auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 48 Abs. 3 RVG – neben der Vergleichsgebühr auch die auf den verglichenen Gegenstand anfallende Verfahrensdifferenzgebühr und die nach dem zusammengerechneten Wert des anhängigen und des verglichenen Gegenstandes berechnete Terminsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten (entgegen OLG Celle, 26.2.2015 – 10 WF 28/15 [= AGS 2015, 236]; OLG Koblenz, 19.5.2014 – 13 WF 369/14 [= AGS 2014, 348]; OLG Dresden, 7.2.2014 – 23 WF 1209/13 [= AGS 2014, 347]; Anschluss: OLG Celle, 8.5.2014 – 15 UF 166/13 [= AGS 2014, 579]; OLG Stuttgart, 18.2.2016 – 8 WF 339/15 [= AGS 2016, 239]).

OLG Celle, Beschl. v. 13.6.2016 – 21 WF 118/16

1 Sachverhalt

Der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter (im Folgenden: Beschwerdeführer) wendet sich gegen einen Beschluss, durch den seine Erinnerung gegen die Festsetzung der Gebühren, die ihm aufgrund bewilligter Verfahrenskostenhilfe aus der Staatskasse zu zahlen sind, zurückgewiesen worden ist.

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und war in einem sorgerechtlichen Verfahren der Kindesmutter, der Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war, als Verfahrensbevollmächtigter zweiter Instanz beigeordnet. Unter seiner Mitwirkung einigten sich die beteiligten Kindeseltern im einstweiligen Anordnungsverfahren über die Verteilung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, gleichzeitig schlossen die Beteiligten einen Vergleich zur einstweiligen Gestaltung des zuvor nicht gerichtlich anhängigen Umganges des Kindesvaters mit dem Kind. Mit Beschl. v. 26.11.2015 stellte der Senat den schriftlich geschlossenen Vergleich fest, billigte die Umgangsregelung und erstreckte die der Kindesmutter bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Abschluss des Vergleiches. In diesem Beschluss bestimmte der Senat den Wert des Verfahrens auf 1.500,00 EUR, den des Vergleichs (infolge der gleichfalls enthaltenen einstweiligen Umgangsregelung) auf insgesamt 3.000,00 EUR.

Auf den Erstattungsantrag des Beschwerdeführers hin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG – FamG – den aus der Landeskasse zu erstattenden Betrag für die Tätigkeit in der zweiten Instanz zunächst auf 1.039,11 EUR festgesetzt. Auf die Erinnerung des Bezirksrevisors hat sie die Berechnung geändert und nunmehr den erhöhten Verfahrenswert nur bei Bemessung der Vergleichsgebühr, nicht aber der Terminsgebühr, berücksichtigt; auch die ursprünglich erstattete Verfahrensdifferenzgebühr für die im Vergleich enthaltene Umgangsregelung hat sie von der Erstattung ausgenommen. Im Ergebnis hat die Urkundsbeamtin einen Erstattungsbetrag in Höhe von 765,75 EUR festgesetzt. Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das AG – FamG – durch Beschluss zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, der eine erhöhte Vergütung begehrt.

2 Aus den Gründen

Die nach den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet. Das AG hat die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3201 VV zu Unrecht von der Erstattung ausgenommen und hat unzutreffend bei der Bemessung der Terminsgebühr nur den Wert des anhängigen Verfahrens, nicht aber des vergleichsweise geregelten Umganges zugrunde gelegt.

Ob die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen über den anhängigen Verfahrensgegenstand hinausgehenden Vergleich dazu führt, dass neben der im Wert erhöhten Einigungsgebühr auch die darauf entfallende Termins- und Verfahrensdifferenzgebühr nach Nrn. 3201 und 3202 VV zu der nach § 55 Abs. 1 RVG festzusetzenden Vergütung des beigeordneten Rechtsanwaltes gehört, ist in der Rspr. umstritten. Während nach einer Ansicht ohne ausdrückliche Anordnung, wonach sich die für den Vergleich bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf Verfahrens- und Terminsgebühr für den nicht anhängigen Teil des Vergleiches erstrecken soll, nur eine erhöhte Vergleichsgebühr zu vergüten ist (vgl. etwa OLG Celle AGS 2015, 236 ff.; OLG Koblenz FamRZ 2014, 1877 f. [= AGS 2014, 348]; OLG Dresden MDR 2014, 686 f. [= AGS 2014, 347]; OLG Köln FamRZ 2015, 1825 f. [= AGS 2015, 89], jew. m.w.N.), umfassen die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren nach anderer Auffassung neben der Vergleichsgebühr stets auch sämtliche mit dem Abschluss des Vergleiches zusammenhängenden sonstigen Gebühren (vgl. etwa OLG Celle FamRZ 2014, 1878 f. [= AGS 2014, 580]; OLG Stuttgart JurBüro 2016, 246 f. [= AGS 2016, 239]), jedenfalls soweit zwischen Verfahrens- und Regelungsgegenstand des Vergleiches ein enger Zusammenhang besteht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.7.2015 – 6 WF 123/15, juris).

Der Senat folgt der Auffassung, wonach sich der Anspruch auf Erstattung aus der Staatskasse auch ohne ausdrückliche Anordnung auf sämtliche im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss entstandene Gebühren erstreckt. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe richtet sich stets auf eine bestimmte Rechtsverfolgung, deren Kosten von der Staatskasse in dem von § 45 RVG bestimmten Umfang zu tragen sind. Eine ...

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