§ 34 RVG; Nr. 2300 VV RVG

Leitsatz

Wird der Anwalt beauftragt, für den Mandanten ein Schreiben zu verfassen, das dieser in eigenem Namen einreichen soll, liegt nur eine Beratungstätigkeit nach § 34 Abs. 1 RVG vor.

AG Eutin, Urt. v. 9.5.2022 – 25 C 567/21

I. Sachverhalt

Der Beklagte hatte seinen Rechtsanwalt beauftragt, einen schriftlichen Antrag für ihn vorzuformulieren, den der Beklagte dann auf einer Wohnungseigentümerversammlung vorlegen wollte. Der Kläger entwarf den Antrag und übermittelte ihn dem Beklagten per E-Mail. Anschließend rechnete der Kläger hierfür eine Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR ab. Der Beklagte war der Auffassung, dass hier nur eine Erstberatung vorliege und zahlte lediglich einen Betrag i.H.v. 226,10 EUR (190,00 EUR zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer). Hierauf hat der Rechtsanwalt wegen des Restbetrages Klage erhoben und geltend gemacht, es sei eine Geschäftsgebühr entstanden. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr reiche es aus, dass ein Rechtsanwalt seinem Mandanten ein Schriftstück zur Verfügung stelle, mit welchem der Mandant selbst in der Lage sei, seine Rechte geltend zu machen oder zu wahren. Das AG hat die Klage abgewiesen.

II. Abgrenzung zwischen Beratungs- und Geschäftstätigkeit

Die die Abgrenzung zwischen Beratungs- und Geschäftstätigkeit ist danach vorzunehmen, ob der Rechtsanwalt beauftragt worden ist, eine nach außen gerichtete Tätigkeit zu entfalten. Fehlt es daran und soll der Rechtsanwalt ausschließlich nach innen gegenüber dem Mandanten tätig werden, liegt eine Beratung nach § 34 RVG vor (BGH NJW 2018, 1479 m.w.N.; OLG Nürnberg NJW 2011, 621; OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 2027 = MDR 2009, 1420). Über das Kriterium der nach außen gerichteten anwaltlichen Tätigkeit wird eine sichere Abgrenzung zwischen der Geschäftsgebühr und der Gebühr nach § 34 Abs, 1 S. 3 RVG ermöglicht. Eine Tätigkeit des Rechtsanwalts allein im Innenverhältnis kann keine Geschäftsgebühr begründen.

Eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Innenverhältnis und damit im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 RVG ist nicht mehr anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt entsprechend des vom Mandanten erteilten Auftrags nach außen hin tätig wird. Dieses Kriterium ist aber noch nicht erfüllt, wenn dem Mandanten ein Schriftstück zur Verfügung gestellt wird, weil dieses das Innenverhältnis nicht verlässt.

Die Ansicht des Klägers, dass auf die Wirkung der anwaltlichen Tätigkeit abzustellen sei, überzeugt nicht. Die erteilten Informationen durch den Rechtsanwalt in einem Beratungsgespräch entfalten ihre Wirkung regelmäßig auch in dem Verhältnis zwischen Mandant und seinem Gegner, nämlich wenn er die ihm zur Verfügung gestellten Informationen diesem gegenüber nutzt. Eine Vertretung durch den beauftragten Rechtsanwalt im Außenverhältnis wird dadurch jedoch nicht begründet. Anderenfalls hätte § 34 RVG kaum noch einen Anwendungsbereich und es würde fast immer eine Geschäftsgebühr anfallen. Im Ergebnis ist dies auch interessengerecht, denn § 34 Abs. 1 S. 1 RVG sieht ausdrücklich vor, dass der Rechtsanwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken soll.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Entwurf eines Schreibens ist Beratungstätigkeit

Die Entscheidung ist dem Grunde nach zutreffend. Entwirft ein Anwalt dem Mandanten ein Schreiben, das dieser dann selbst unter seinem Briefkopf abschickt oder einreicht, liegt mangels Außenwirkung nur eine Geschäftstätigkeit vor (so auch OLG Nürnberg AGS 2011, 393 = NJW 2011, 621).

2. Keine Erstberatung

Es handelt sich in einem solchen Fall allerdings nicht mehr um eine Erstberatung. Eine Erstberatung liegt nämlich nur dann vor, wenn sich die Tätigkeit des Anwalts in einem "ersten Beratungsgespräch" erschöpft. Eine schriftliche Erstberatung ist daher logischerweise nicht denkbar. Entwirft der Anwalt ein Schreiben für den Mandanten, geht dies über ein bloßes Gespräch hinaus, sodass eine normale Beratung vorliegt, die nicht auf 190,00 EUR, sondern auf 250,00 EUR begrenzt ist. Das AG hätte also noch weitere 95,20 EUR zusprechen müssen:

 
 
1. Beratungsgebühr, § 34 Abs. 1 S. 3 RVG   250,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 270,00 EUR  
3. 19% Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   51,30 EUR
  Gesamt 321,30 EUR
4. abzüglich gezahlter – 226,10 EUR
  Rest   95,20 EUR

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 8/2022, S. 362 - 363

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