[Ohne Titel]

In Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen entstehen für den Anwalt wie in Straf- und Bußgeldsachen Betragsrahmengebühren. Dabei kann auch ein Verfahrenspfleger, der in diesen Verfahren stets zu bestellen ist, nach dem RVG abrechnen, wenn er Anwalt ist und anwaltsspezifische Leistungen erbringt. Die in diesen Verfahren entstehenden Anwalts- und Gerichtskosten sollen nachfolgend erläutert werden. Zu diesem Thema ist 2012 letztmalig ein Beitrag erschienen, der nun – nach zweimaliger größerer Änderung des RVG und der Einführung des GNotKG – überarbeitet werden musste, um wieder eine aktuelle Hilfestellung an die Hand geben zu können.

I. Geltungsbereich

Für die Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren bei Freiheitsentziehung und in Unterbringungssachen entstehen Gebühren nach Teil 6 Abschnitt 3 VV. Von dieser Regelung sollen dabei die Freiheitsentziehungssachen (§ 415 FamFG) und die Unterbringungssachen (§ 312 FamFG) erfasst sein. Darüber hinaus gilt die Regelung auch in Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 6, 7 FamFG, welche die Unterbringung eines Minderjährigen betreffen. Nicht erfasst sind hingegen Unterbringungen oder Freiheitsentziehungen in Strafsachen, sodass sich die Gebühren hier nicht nach Nrn. 6300 bis 6303 VV richten, weil ausschließlich Teil 4 VV Anwendung findet, was insbesondere für die zwangsweise Vorführung (§ 51 StPO), die Unterbringung nach § 81 StPO wegen der Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt zur Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortung oder die Verfahren nach §§ 67d, 67e StGB[1] sowie die Freiheitsentziehungen nach §§ 112, 112a, 126a, 127b StPO gilt.[2] Auch die Vor- und Zuführung eines Soldaten zu einer gesonderten Untersuchung wird nicht von Nrn. 6300 ff. VV erfasst.[3]

Zu den Freiheitsentziehungssachen nach § 415 FamFG gehören insbesondere:[4]

Freiheitsentziehungen im Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht:

Zurückweisungshaft (§ 15 Abs. 5 AufenthG),
Anordnung des weiteren Aufenthalts im Transitbereich eines Flughafens (§ 15 Abs. 6 AufenthG),
die Zurückschiebungshaft (§ 57 Abs. 3 AufenthG),
die Abschiebungshaft (§ 62 Abs. 2, 3 AufenthG),
die Überstellungshaft (Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO),
der Ausreisegewahrsam (§ 62b AufenthG),
die Verbringungshaft nach § 59 Abs. 2 AsylG);

mit einer Freiheitsentziehung verbundene Quarantänemaßnahmen:

Quarantänemaßnahmen nach § 30 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz;

polizeiliche Ingewahrsamssachen nach Bundes- oder Landesrecht:

Richterliche Entscheidung nach § 40 Abs. 3 BPolG im Falle einer freiheitsentziehenden Maßnahme der Polizei wegen der Identitätsfeststellung (§ 23 Abs. 3 BPolG), zwangsweisen Vorführung (§ 25 Abs. 3 BPolG), Gewahrsamnahme (§ 39 Abs. 1, 2 BPolG), Durchsuchung von Personen (§ 43 Abs. 5 BPolG),
Gewahrsamnahme durch das BKA (§§ 57, 58 BKAG),
Gewahrsamnahme durch Zollbehörden (§ 61 ZFdG).

Zu den Unterbringungssachen nach § 312 FamFG gehören insbesondere, die Genehmigung:[5]

einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1, 2 BGB,
einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB,
von ärztlichen Zwangsmaßnahmen, einschließlich einer Verbringung zu einem stationären Aufenthalt nach § 1906a Abs. 1, 2, 4 BGB,
einer der vorgenannten Maßnahmen, die nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Unterbringung psychisch Kranker ergeht.

Erfasst sind die vorgenannten Maßnahmen nach §§ 1906, 1906a BGB auch dann, wenn sie aufgrund einer erteilten Vollmacht (§ 1906 Abs. 5, § 1906a Abs. 4 BGB) erfolgen.

Zu den erfassten Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 6, 7 FamFG gehören:

die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1631b BGB bei einem Minderjährigen, auch wenn er unter Pflegschaft oder Vormundschaft steht (§§ 1631b, 1800, 1915 BGB);
die Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei einem Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker.
[1] Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., VV 6300–6303 Rn 1.
[2] AnwK-RVG/Thiel, 8. Aufl., VV 6300–6303 Rn 11.
[3] AnwK-RVG/Thiel, a.a.O., VV 6300–6303 Rn 11.
[4] Keidel/Göbel, FamFG, 20. Aufl., § 415 Rn 2.
[5] Keidel/Göbel, a.a.O., § 415 Rn 2.

II. Anwaltsvergütung

Für die vorgenannten Verfahren entstehen Gebühren nach Teil 6 Abschnitt 3 VV, sodass Nrn. 6300–6303 VV Anwendung finden. Vorgesehen sind danach Betragsrahmengebühren. Zudem sieht das VV für die verschiedenen Rechtszüge keine unterschiedlichen Gebühren vor, sodass der Anwalt im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren dieselben Gebühren erhält, die aber in jedem Rechtszug des Verfahrens gesondert entstehen.

1. Verfahrensgebühr

Für das Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV, die ihrem Wortlaut nach in den Verfahren nach §§ 415, 312, 157 Nr. 6 und 7 FamFG anfällt. Abzugrenzen ist diese Gebühr von der Verfahrensgebühr nach Nr. 6302 VV, die für die Verlängerung oder Aufhebung einer solchen Maßnahme anfällt.

Für die Entstehung der Verfahrensgebühr ist daher zu unterscheiden zwisc...

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