StPO §§ 464, 142 Abs. 1;RVG VV Nrn. 7003 ff.

Leitsatz

Ein Freigesprochener kann die Reisekosten eines Verteidigers am dritten Ort grundsätzlich nur in Höhe der Reisekosten eines an seinem Wohnsitz ansässigen Verteidigers verlangen. Darin liegt keine Ungleichbehandlung gegenüber einem Pflichtverteidiger.

LG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.2011 – 4 Qs 12/11

1 Sachverhalt

Der in Gelsenkirchen wohnende Angeklagte war vor dem AG Düsseldorf angeklagt worden. Dem Verfahren lag der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe durch das Skandieren einer Parole und durch das Zeigen des Hitlergrußes gegen die §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 86 S. 1 Nr. 4 StGB verstoßen. Im Verfahren ließ sich der Angeklagte durch den in Hamburg geschäftsansässigen Rechtsanwalt S. verteidigen. Nach Freispruch auf Kosten der Staatskasse beantragte der Angeklagte auch die Reisekosten des Hamburger Verteidigers gegen die Staatskasse festzusetzen. Begründet wurde dies wird mit einer 20 Jahre andauernden Freundschaft zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger. Die Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwaltes sei ohnehin nicht in Frage gekommen, da dieser möglicherweise aufgrund seiner politischen Gesinnung die Interessen des Angeklagten nicht hätte sachgerecht vertreten können. Ferner sei zu befürchten gewesen, dass bei Beauftragung eines Rechtsanwaltes aus Gelsenkirchen der Tatvorwurf im persönlichen Umfeld des Angeklagten ruchbar geworden wäre.

Durch den angefochtenen Festsetzungsbeschluss hat das AG die Fahrtkosten nur nach der Fahrstrecke bis zum Wohnort des Angeklagten von 44 km berechnet, so dass je Termin 88 km x 0,30 EUR = 26,40 EUR, mithin insgesamt 79,20 EUR netto, festgesetzt wurden anstelle der beantragten 720,00 EUR. Die Abwesenheitsgelder gem. Nr. 7005 VV wurden von 3 x 60,00 EUR auf 3 x 20 EUR = insgesamt 60,00 EUR netto reduziert.

Diese Kürzungen in Höhe von insgesamt 760,80 EUR netto/905,35 EUR brutto hält der Beschwerdeführer unter Hinweis auf einen Beschluss des AG Witten vom 21.4.2010 – Qs – 64 Js 63109 – 44/09, für unzulässig, weil ein Wahlverteidiger nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein Pflichtverteidiger.

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit erstattungsfähig, als die Zuziehung notwendig war. Dies war vorliegend nicht der Fall.

An dieser Rechtslage ändert die Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO nichts. Die Entscheidung des AG Witten (a.a.O.) stellt ein nur scheinbar entgegenstehendes Judikat dar, weil letztlich auf das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses abgestellt wird. Auf ein besonderes Vertrauensverhältnis kommt es aber für die Bestellung zum Pflichtverteidiger nicht an, da ein vom Angeklagten vorgeschlagener Pflichtverteidiger regelmäßig bestellt wird, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht (§ 142 Abs. 1 S. 2 StPO). Gäbe es den Rechtsgrundsatz, dass ein Wahlverteidiger im Rahmen der Kostenerstattung nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein Pflichtverteidiger bei der Festsetzung seiner Vergütung, hätte das AG Witten auf das besondere Vertrauensverhältnis nicht abstellen dürfen. Ob es so weit gehen wollte oder mit dem besonderen Vertrauensverhältnis nicht doch die Notwendigkeit der Hinzuziehung i.S.d. § 91 Abs. 2 ZPO begründen wollte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.

Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Wahlverteidiger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein Pflichtverteidiger bei der Festsetzung seiner Vergütung, gibt es nicht. Dieser Schluss folgt insbesondere nicht aus der Natur der Sache. Während der vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger bei der Festsetzung gem. § 55 RVG seinen Honoraranspruch gegen die Staatskasse geltend macht, besitzt der Wahlverteidiger keinen Honoraranspruch gegen die Staatskasse, sondern einen solchen gegen den Mandanten. Im Rahmen der Kostenfestsetzung gem. §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. 91 Abs. 2 ZPO wird darüber befunden, welche der dem Angeklagten aus dem Mandatsverhältnis entstehenden Rechtsanwaltskosten als notwendige Auslagen von der Staatskasse zu erstatten sind. Für den Wahlverteidiger bedeutet dies, dass er wie ein Pflichtverteidiger die Fahrtkosten in voller Höhe erstattet bekommt – von seinem Mandanten. Er steht damit wirtschaftlich nicht schlechter da als der Pflichtverteidiger.

Entscheidend ist die Frage, welche Kosten aus dem Mandatsverhältnis von der Staatskasse erstattet werden. Diese Frage knüpft das Gesetz an die Notwendigkeit der entstandenen Kosten.

Es kann beispielsweise notwendig sein, dass sich ein Angeklagter in einem sachlich und rechtlich schwierigen Strafverfahren durch zwei Verteidiger vertreten lässt. Diese könnten auch beide zu Pflichtverteidigern bestellt werden. Hieraus im Umkehrschluss einen Anspruch jedes Angeklagten herzuleiten, ihm die Fahrtkosten zweier Wahlverteidiger in beliebiger Höhe ...

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