1. Allgemeines

Das Oberste Gericht Litauens hatte u.a. danach gefragt, ob Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sei, dass eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet und die außer dem geltenden Stundensatz keine weiteren Erläuterungen oder Informationen enthält, dem Erfordernis, dass die Klausel klar und verständlich abgefasst sein muss, genüge. Der EuGH meint dazu, dass dieses Erfordernis, das auch in Art. 5 der Richtlinie zu finden sei, nicht auf die bloße Verständlichkeit einer Vertragsklausel in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden könne. Da das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruhe, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden u.a. einen geringeren Informationsstand besitzt, müsse das Erfordernis, dass die Vertragsklauseln klar und verständlich abgefasst sein müssen, und mithin das Transparenzerfordernis, das die Richtlinie auferlegt, vielmehr umfassend verstanden werden. Somit sei das Erfordernis, dass eine Vertragsklausel klar und verständlich abgefasst sein müsse, so zu verstehen, dass der Vertrag die konkrete Funktionsweise des Verfahrens, auf das die betreffende Klausel Bezug nehme, und ggf. das Verhältnis zwischen diesem und dem durch andere Klauseln vorgeschriebenen Verfahren in transparenter Weise darstellen müsse, damit der betroffene Verbraucher in der Lage sei, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen.

2. Prüfung der Klausel anhand aller Umstände

Entsprechend sei die Prüfung, ob eine Klausel wie die, um die es im Ausgangsverfahren gehe, i.S.d. Richtlinie 93/13 "klar und verständlich" ist, vom nationalen Gericht anhand aller relevanten Tatsachen vorzunehmen. Das nationale Gericht habe insbesondere unter Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu prüfen, ob dem Verbraucher sämtliche Tatsachen mitgeteilt worden seien, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm erlauben, die finanziellen Folgen seiner Verpflichtung einzuschätzen. Für den Verbraucher sei es zudem von grundlegender Bedeutung, dass er vor Abschluss des Vertrags über die Vertragsbedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert werde. Namentlich auf der Grundlage dieser Information entscheidet er, ob er durch die vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen gebunden sein möchte.

3. Umfang der Informationen

Wie aus dem Vorlagebeschluss hervorgehe, sei – so der EuGH – hier in der Klausel über die Vergütung lediglich bestimmt (worden), dass der Gewerbetreibende (hier also der Rechtsanwalt) als Vergütung für jede Stunde, in der er Rechtsdienstleistungen erbringt, 100,00 EUR erhalte. Ohne weitere Angaben des Gewerbetreibenden sei ein normal informierter und angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher bei einem solchen Mechanismus der Festsetzung der Vergütung nicht in der Lage, die finanziellen Folgen der Klausel über die Vergütung, nämlich die für die Dienstleistungen insgesamt zu zahlende Vergütung, einzuschätzen. Wegen der Art der Dienstleistungen, die Gegenstand eines Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen sind, sei es für den Gewerbetreibenden zwar oft schwer, wenn nicht sogar unmöglich, bei Vertragsschluss vorherzusehen, wie viele Stunden genau erforderlich seien, um die Rechtsdienstleistungen zu erbringen, und somit welche Vergütung hierfür insgesamt zu zahlen ist. Aber auch wenn von einem Gewerbetreibenden nicht verlangt werden könne, dass er den Verbraucher über die endgültigen finanziellen Folgen der von ihm eingegangenen Verpflichtung informiert, die von unvorhersehbaren zukünftigen Ereignissen abhängen, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat, müssten die Informationen, die der Gewerbetreibende vor Vertragsabschluss zu erteilen habe, den Verbraucher in die Lage versetzen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis zum einen des Umstands, dass solche Ereignisse eintreten können, und zum anderen der Folgen, die solche Ereignisse während der Dauer der Erbringung der betreffenden Rechtsdienstleistungen haben können, zu treffen. In diesen Informationen – die je nach Gegenstand und Art der in den Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen vorgesehenen Leistungen und je nach den einschlägigen berufs- und standesrechtlichen Vorschriften unterschiedlich ausfallen können – müssten Angaben enthalten sein, anhand deren der Verbraucher die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einschätzen könne, etwa eine Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich seien, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen, oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die ...

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