Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossener Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln. Ausschluss der Klauseln betreffend den Hauptgegenstand des Vertrags. Klausel, nach der sich die Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Zeitaufwand richtet. Befugnisse des nationalen Gerichts bei einer als missbräuchlich angesehenen Klausel

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 4 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

D.V

D. V

M. A

 

Tenor

1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in der durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, fällt unter diese Bestimmung.

2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, genügt nicht dem Erfordernis gemäß dieser Bestimmung, dass die Klausel klar und verständlich abgefasst sein muss, wenn dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen.

3. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet und die daher den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, ist nicht bereits deshalb, weil sie dem Transparenzerfordernis gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie in der geänderten Fassung nicht entspricht, als missbräuchlich anzusehen, es sei denn, der Mitgliedstaat, dessen innerstaatliches Recht auf den betreffenden Vertrag anwendbar ist, hat dies gemäß Art. 8 der Richtlinie in der geänderten Fassung ausdrücklich vorgesehen.

4. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung

sind wie folgt auszulegen:

In Fällen, in denen ein zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossener Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach der Aufhebung einer für missbräuchlich erklärten Klausel, nach der sich die Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen nach dem Zeitaufwand richtet, nicht fortbestehen kann und in denen die Dienstleistungen bereits erbracht sind, stehen nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht, auch dann, wenn dies dazu führt, dass der Gewerbetreibende für seine Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält, die Lage wiederherstellt, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte. Hätte die Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen – was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird –, stehen die genannten Vorschriften nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht der Nichtigkeit der Klausel abhilft, indem es sie durch eine dispositive oder im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ersetzt. Hingegen stehen die genannten Vorschriften dem entgegen, dass das nationale Gericht die für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel ersetzt, indem es selbst bestimmt, welche Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen angemessen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens) mit Entscheidung vom 23. Juni 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juni 2021, in dem Verfahren

D. V.

gegen

M. A.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von D. V., vertreten durch A. Kakoškina, Advokatė,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis, S. Grigonis und V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

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