Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern

Bezieht sich der Auftrag des Anwalts bei mehreren Auftraggebern auf denselben Gegenstand, so erhält der Anwalt die Gebühren nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal. Um dem erhöhten Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit gerecht zu werden, erhöhen sich aber die Geschäfts- bzw. Verfahrensgebühr gem. Nr. 1008 VV für jeden weiteren Auftraggeber um den Faktor 0,3, sofern nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird Allerdings berechnet sich die erhöhte Geschäfts- bzw. Verfahrensgebühr stets nur nach demjenigen Wert, an dem die Auftraggeber auch gemeinschaftlich beteiligt sind. Schwierigkeiten bereitet die Berechnung bei unterschiedlicher Beteiligung, wie sie häufig bei Klage- und Widerklage auftritt.

 
Praxis-Beispiel

Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. Er beauftragt seinen Anwalt, den Sachschaden in Höhe von 12.000,00 EUR einzuklagen. Der Beklagte erhebt Widerklage gegen den Kläger sowie Drittwiderklage gegen den Fahrer und den Haftpflichtversicherer auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.000,00 EUR. Der Anwalt erhält auch das Mandat für die Widerklage und Drittwiderklagen. Über Klage und Widerklage wird mündlich verhandelt.

Auftraggeber sind unterschiedlich beteiligt

Der Wert des Verfahrens beläuft sich insgesamt auf 19.000,00 EUR (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Die Beteiligung der drei Auftraggeber ist allerdings unterschiedlich: An einem Teilwert von 12.000,00 EUR (Klage) ist nur der Kläger beteiligt, da weder Fahrer noch Versicherer etwas mit der Geltendmachung des Sachschadens zu tun haben. An einem Teilwert von 7.000,00 EUR (Widerklage) sind alle drei Auftraggeber beteiligt, da sie alle für den Sachschaden des Beklagten in Anspruch genommen werden.

Abrechnung mit „Erhöhungsgebühr“

Vielfach wird in solchen Fällen aus dem Gesamtwert eine 1,3-Verfahrensgebühr berechnet und aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung eine Erhöhungsgebühr (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, VV 1008 Rn 204; OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 601; OLG Hamburg MDR 2001, 56; OLG München MDR 1998, 1439; OLG Köln JurBüro 1987, 692; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 189; LG Freiburg Rpfleger 1982, 393) Dies würde hier zu folgender Berechnung führen:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (19.000,00 EUR)   787,80 EUR
2. 0,6-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV (7.000,00 EUR)   225,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (19.000,00 EUR)   727,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.760,00 EUR  
5. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   334,40 EUR
Gesamt 2.094,40 EUR

Zutreffende Berechnung nach § 15 Abs. 3 RVG

Eine solche Abrechnung ist allerdings schon deshalb unzutreffend, weil das Gesetz keine eigenständige Erhöhungsgebühr kennt, die aus einem Teilwert der Angelegenheit berechnet werden könnte, sondern nur eine Erhöhung der Geschäfts- bzw. Verfahrensgebühr.

Die Gebühren des klägerischen Prozessbevollmächtigten berechnen sich nach zutreffender Ansicht (vgl. AG Augsburg AGS 2008, 434; OLG Hamburg MDR 1978, 767; LG Bonn Rpfleger 1995, 384; Engels, MDR 2001, 355; Hergenröder, AGS 2007, 53; N. Schneider, ProzRB 2003, 130; AnwK-RVG/Schnapp, RVG, 4. Aufl. 2008, VV 1008 Rn 48) entsprechend der Teilwerte wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (12.000,00 EUR) 683,80 EUR  
2. 1,9-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV (7.000,00 EUR) 712,50 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,9 aus 19.000 EUR   1.151,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (19.000,00 EUR)   727,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.898,60 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   360,73 EUR
Gesamt 2.259,33 EUR
 

Weiteres Beispiel

Der Kläger (Eigentümer und Halter) hat, bei einem Verkehrsunfall, bei dem er selbst Fahrer war, einen Schaden in Höhe von 2.500,00 EUR erlitten und klagt den Schaden ein. Der Beklagte erhebt Widerklage gegen den Kläger sowie Drittwiderklage gegen den Haftpflichtversicherer auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.860,00 EUR. Der Anwalt erhält auch das Mandat für die Widerklage und die Drittwiderklage. Über Klage und Widerklage wird mündlich verhandelt.

Jetzt vertritt der Anwalt des Klägers nur eine weitere Person, da Fahrer und Halter identisch sind. Die Verfahrensgebühr aus der Widerklage erhöht sich auf 1,6. Eine Kürzung der Verfahrensgebühr nach § 15 Abs. 3 RVG kommt jetzt nicht in Betracht, da eine Gebühr nach dem Gesamtwert aus dem höchsten Gebührensatz nicht erreicht wird.

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (2.500,00 EUR)   209,30 EUR
2. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV (1.860,00 EUR)   212,80 EUR
  (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als    
  1,6 aus 4.360,00 EUR = 436,80 EUR wird nicht erreicht)    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (4.346,00 EUR)   327,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 769,70 EUR  
  Umsatzsteuer, VV 7008   146,24 EUR
  Gesamt   915,94 EUR

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