In einem anderen Fall, den dasselbe LAG 7 Jahre früher im März 2011 entschied[1], ging es um eine befristet beschäftigte Mitarbeiterin, deren Vertrag der Arbeitgeber nicht entfristete, sondern auslaufen ließ. Im etwa gleichen Zeitraum entfristete der Arbeitgeber die Verträge zweier anderer Mitarbeiter, die sich in einer vergleichbaren Situation befanden. Die Klägerin, deren Vertrag nicht entfristet wurde, war türkisch. Die anderen Mitarbeiter, die eine Entfristung bekamen, waren deutsch. In dem (öffentlichen) Betrieb waren sonst keine muslimischen bzw. türkischen Mitarbeiter angestellt. Das Gericht entschied, dass ausreichend Indizien[2] für eine Benachteiligung vorlagen und gestand der Klägerin eine Entschädigung zu.

Interessant an dem Fall ist die Herangehensweise des Gerichts. Den Sachverhalt konnte man von außen, ohne tieferen Einblick, für neutral halten. Zu keinem Zeitpunkt war formal eine diskriminierende Haltung aufseiten des Arbeitgebers erkennbar. Ein befristeter Arbeitsvertrag läuft aus, ohne dass es einer Begründung bedarf.[3] Wie soll also jemand nachweisen können, dass das Ausbleiben einer Vertragsverlängerung diskriminierenden Charakter hat? Als Indizien führte die Klägerin die Entfristung der deutschen Mitarbeiter und das Fehlen anderer muslimischer bzw. türkischer Mitarbeiter an. Das vorinstanzliche Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Indizien reichten nicht, um eine Benachteiligung zu vermuten. Das sah das Landesarbeitsgericht anders.

Als Reaktion hierauf führte die Klägerin weitere Punkte an. Es gab ein Gespräch zwischen ihr und einem ihrer Vorgesetzten, in dem es um die Möglichkeit ihrer Bewerbung auf eine Fortbildungsstelle ging. In diesem Gespräch, behauptete die Klägerin, habe der Arbeitgeber ihr verschwiegen, dass auch befristet Beschäftigte sich bewerben konnten, um einen Weg aus der Entfristung zu finden, während laut Ausschreibung die Bewerbung auf unbefristet Beschäftigte beschränkt war. Ein weiterer Aspekt sei die Widersprüchlichkeit in der nachträglichen Begründung zu sehen, warum der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht entfristet hat. Zunächst soll der Arbeitgeber gesagt haben, das Auslaufen des Vertrags begründe sich mit einer Fusion des Betriebs mit einem anderen Betrieb. Erst im Nachhinein soll der Arbeitgeber die Entscheidung zusätzlich mit Fehlern der Klägerin erklärt haben.

Die Berufungsinstanz, also das Landesarbeitsgericht, baute auf die Aspekte des Sachverhalts, über die sich die Parteien einig waren. Dazu gehört erstens, dass der Betrieb (bzw. die Behörde) in der betreffenden Stadt damals nur Deutsche beschäftigte. Für das Gericht indizierte bereits das eine Benachteiligung, weil er im Vergleich mit der Personalstruktur anderer Einrichtungen einen auffälligen Unterschied ergab.

Ein weiteres Indiz erkannte das Gericht darin, dass der Arbeitgeber kaum seiner Pflicht, die Entfristungsentscheidung zu erklären, nachgekommen ist. Das letzte Indiz fand das Gericht im Vortrag der Klägerin. Es gab der Klägerin Recht damit, dass es auffällig sei, dass die Entscheidung plötzlich mit angeblichen Leistungsmängeln begründet wurde, während das Arbeitszeugnis der Klägerin eine gute Leistung attestiert.

Arbeitgeber sollten aus der Entscheidung die Lektion ziehen, dass sie Personalentscheidungen am besten stichhaltig, in sich stimmig und konsequent begründen.

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