Zusammenfassung

 
Überblick

Von allen Merkmalen des § 1 AGG bereitet das Merkmalpaar "Rasse" und ethnische Herkunft die größten Probleme. Jede Unterordnung eines Falls unter den Begriff der Rasse beginnt mit dem Problem, dass bereits die Unterteilung der Menschheit in unterschiedliche Rassen mittlerweile als rassistisch verstanden wird. Gleichzeitig ist man gezwungen, den Rechtsbegriff zu definieren, um ihn benutzen zu können. Leider haben es die Gesetzgeber auf Unions- und nationaler Ebene versäumt, im Wortlaut kenntlich zu machen, dass es letztlich darum geht, rassistische Denkmuster zu identifizieren und Betroffene vor ihnen zu schützen. Auf Unionsebene ist das zumindest in der Begründung einer der Richtlinien, auf denen das AGG aufbaut, geschehen.[1] Man will also das Wort "Rasse" benutzen, um diskriminierendes Verhalten zu sanktionieren, das bereits damit beginnt, Menschen überhaupt auf phänotypischer Basis zu kategorisieren. Einfach gesprochen ist die Logik dahinter folgende: will man Rassismus erkennen, muss man wissen, wie ein Rassist "tickt" und sich in das Denken eines Rassisten hineinversetzen. Daher muss man wissen, was unter dem Begriff "Rasse" zu verstehen ist. Dabei sind die Erscheinungsformen des Rassismus in der Gesellschaft breit gefächert. Oftmals schleichen sich rassistische Denkmuster ein, wo gerade Menschen sich bemühen, nicht rassistisch zu sein. Es ist ein kompliziertes Unterfangen, das von dem Unbehagen geprägt ist, rassistische Denkmuster nachvollziehen zu müssen, um den Rechtsbegriff der "Rasse" zu handhaben. Rassistisches Verhalten fängt oft an mit Zuschreibungen von außen.[2]

Auf die Grundlagen sowie auf die konkreten Anwendungsfälle des AGG in Hinblick auf die Kriterien Rasse und Ethnie geht dieser Beitrag ein.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
[1] Erwägungsgrund (6) der RL 2000/43/EG.
[2] Lasserre, NZA 2022, S. 302.

1 Begriffe Rasse und ethnische Herkunft

Rasse bedeutet nicht dasselbe wie ethnische Herkunft. Die Übernahme des Begriffspaars in den Wortlaut des § 1 AGG ist dem Zweck geschuldet, möglichst alle Erscheinungsformen der Diskriminierung aus diesem Umfeld zu erfassen.[1] Dadurch fällt es bei der Rechtsanwendung leichter, komplizierte Sachverhalte zu bewältigen, die durch rassistisches Verhalten entstanden sind.

 
Wichtig

Unterschied der Merkmale ethnische Herkunft und Rasse

Unter einer ethnischen Gruppe kann man Menschen fassen, die sich durch Kultur, gemeinsame Geschichte, Sprache und geografische Ansiedlung als eine Gruppe wahrnehmen. Die Rechtsprechung stellt hier darauf ab, was Betroffene selbst als identitätsstiftend wahrnehmen.[2] Der EuGH definiert ethnische Herkunft wahlweise anhand der gemeinsamen Religion, Sprache und der gemeinsamen Lebensumgebung.[3] Ergänzend kann man die Rechtsprechung des BAG verstehen. Nach dieser bildet sich die Zugehörigkeit räumlich, zeitlich und kulturell.[4]

Bei Zuschreibungen von außen kann der Begriff der Rasse zur Anwendung kommen, weil er es vermag, das aufzugreifen.[5] Das ist völkerrechtlich verankert in Art. 1 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD). Dieser definiert "Rassendiskriminierung" als jede aufgrund der "Rasse", der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Ungleichbehandlung und legt damit neben dem problematischen Begriff der "Rasse" Merkmale fest, an die rassistische Praktiken anknüpfen.[6]

[1] ErfK/Schlachter, AGG § 1 Rz. 4.
[2] ErfK/Schlachter, AGG § 1 Rzn. 4–6.
[3] BeckOK ArbR/Roloff, AGG § 1 Rz. 4.
[5] BeckOK ArbR/Roloff, AGG § 1 Rz. 1.
[6] BAG, Urteil v. 21.6.2012, 8 AZR 364/11, Rz. 31; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) v. 7.3.1966.

2 Anwendung im Bewerbungsverfahren

2.1 Stellenausschreibung

Wie bei allen Merkmalen betreffen die meisten Fälle, die vor Gericht gehen, die Stellenausschreibung. Als leicht nachweisbares Dokument dessen, was sich der Arbeitgeber vorgestellt hat, ergeben sich hieraus am ehesten die Indizien, weswegen der Arbeitgeber den Bewerber wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt haben könnte.[1] Ein Blick auf die Rechtsprechung gibt Aufschluss darüber, welche Grenzen Arbeitgeber bei der Formulierung und Aufstellung ihrer Anforderungen beachten müssen.

2.1.1 Sprachkenntnisse

Es ist grundsätzlich in Ordnung, ein bestimmtes Sprachniveau als Qualifikation für eine bestimmte Tätigkeit zu verlangen. Regelmäßig erfordert die sinnvolle Bewältigung einer Tätigkeit die Fähigkeit, in der geläufigen Sprache des Ortes, an dem die Tätigkeit stattfindet, zu kommunizieren. Die Einstufung des Sprachniveaus erfolgt neutral anhand des gemeinsamen Referenzrahmens für europäische Sprachen. Es gibt hier 6 Stufen, die von A1 bis C2 reichen, wobei C2 gleichzusetzen ist mit dem Niveau eines Muttersprachlers. Solange Arbeitgeber nicht ungeschickt formulieren, sind sie bei der Forderung von Sprachkenntnissen auf der sicheren Seite.

2.1.2 Deutsch als Muttersprache

Problematisch sind Formulierungen wie "Deutsch als Muttersprache"“. Die Form...

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