Leitsatz

  1. Abrechnung und Kostenverteilung in vereinbarten Untergemeinschaften
  2. Abgrenzung der Beschlusskompetenzen einzelner Untergemeinschaften zur gesamten Gemeinschaft
  3. Fehlende Beschlusskompetenz und Beschlussnichtigkeit, wenn in der Jahresabrechnung einer Untergemeinschaft von dieser über Kostenpositionen beschlossen wurde, welche die Gesamtgemeinschaft oder eine andere Untergemeinschaft betreffen
  4. Auslegung der Trennungsvereinbarung je nach Einzelfallprüfung beschlossener Kostenpositionen
  5. Die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gilt nicht im Fall einer Nichtigkeitsfeststellungsklage
 

Normenkette

§§ 10, 23 bis 25, 28, 46 WEG

 

Kommentar

  1. Im vorliegenden Fall wurde die Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage zutreffend nur gegen die übrigen Eigentümer einer bestimmten Untergemeinschaft gerichtet, da nur diese die angegriffenen Beschlüsse gefasst hatten und nach Teilungserklärung den Untergemeinschaften im vereinbarten Umfang eine eigene Beschlusskompetenz zugewiesen wurde (vgl. auch LG München I, NZM 2011 S. 125).

    Vorliegend war vereinbart, dass die Sondereigentümer der betreffenden Mehrhausanlage mit 6 Gebäudekomplexen "verwaltungs- und abrechnungstechnisch jeweils selbstständige Untergemeinschaften bilden, die – soweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten möglich – im Ergebnis so behandelt werden sollen, als wenn sie drei juristisch voneinander unabhängige Eigentümergemeinschaften wären, ohne dass damit jedoch dinglich verselbstständigte Untergemeinschaften begründet werden".

  2. Unter Hinweis auf die bereits erfolgte Kammerentscheidung im Urteil v. 11.5.2011, 318 S 171/10 (mit Revisionszulassung), ist die Kammer – anders als das Amtsgericht – nicht der Auffassung, dass die Verteilung einzelner Kostenpositionen bezüglich der hier gefassten Beschlüsse lediglich deren Anfechtbarkeit berührt, also nicht zu deren Nichtigkeit führen kann. Vorliegend geht es um die Abgrenzung von Beschlusskompetenzen einzelner Untergemeinschaften zur gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft. Fehlt einer Untergemeinschaft die Beschlusskompetenz, soweit hier über Kostenpositionen entschieden wurde, die nicht nur die betreffende Untergemeinschaft, sondern entweder die Gesamtgemeinschaft oder andere Untergemeinschaften betreffen, führt dies zur Beschlussnichtigkeit (vgl. auch OLG Zweibrücken, ZMR 2005 S. 908; OLG Köln, NZM 2005 S. 550; LG München I, NZM 2011 S. 125; Merle, in Bärmann, § 28, Rn. 105, Jennißen/Elzer, vor §§ 23 bis 25, Rn. 153; Elzer, in Riecke/Schmidt, § 10 Rn. 16; Timme/Dötsch, § 10 Rn. 37).

    Auch die hier getroffene Vereinbarung zu nicht rechtsfähigen Untergemeinschaften ist nach h.M. grundsätzlich zulässig, sodass sich auch für einen Verwalter die Verpflichtung ergeben kann, für die einzelnen Untergemeinschaften eigene Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen, über die in der Gesamtgemeinschaft oder auch der Untergemeinschaft abzustimmen ist. Auch nach vorliegender Vereinbarung soll jede Untergemeinschaft selbstständig verwaltet werden, soweit dies gesetzlich zulässig und tatsächlich auch möglich ist. In objektiv-normativer Auslegung sind deshalb bei vollständiger Kostentrennung für die Untergemeinschaften auch getrennte Wirtschaftspläne und Abrechnungen aufzustellen und damit auch von den Untergemeinschaften zu beschließen. Im Innenverhältnis einer Gemeinschaft kann eine solche Kompetenzverlagerung wirksam erfolgen (vgl. auch AG Aachen, ZWE 2010 S. 285; OLG Schleswig, ZWE 2008 S. 42; LG München I, NZM 2011 S. 125; Timme/Dötsch, § 10 Rn. 33; Hügel, NZM 2010, S. 8, 14/15; a.A. Jennißen, NZM 2006, S. 203/206). Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch unabhängig von bestehender Kostenschuldnerschaft im Außenverhältnis seitens der Gesamtgemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband, auch unter Inkaufnahme des Haftungsrisikos nach § 10 Abs. 8 WEG. Insoweit geht es im Innenverhältnis stets um von der Gesamtgemeinschaft abgeleitete Satzungs- und Organisationsbefugnisse einer Untergemeinschaft, und zwar im Rahmen hinreichend bestimmter Beschlusskompetenzen nach Vereinbarung. Über die Trennung einzelner Kostenpositionen und entsprechende Kostenverteilung kann allerdings nur die Versammlung der Gesamtgemeinschaft entscheiden.

  3. Die materiell-rechtliche Ausschlussfrist in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gilt im Übrigen nicht für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage und damit auch nicht für den Tatsachenvortrag, aus der sich die Nichtigkeit angefochtener Beschlüsse ergibt (vgl. BGH, NJW 2009 S. 3132, 3134).
  4. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach neuerlicher Gegenmeinung von Rüscher (ZWE 2011, S. 308, 313) fest. Auch vorliegend ist die getroffene Vereinbarung in der Teilungserklärung objektiv nicht so zu verstehen, finanzielle Belange der Gesamtgemeinschaft gewolltermaßen völlig auszuklammern. Vielmehr verbleibt es bei der Einzelfallprüfung, ob bestimmte Beschlussgegenstände bzw. Kostenpositionen ausschließlich die jeweilige Untergemeinschaft betreffen oder aber die Gesamtgemeinschaft.
 

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