Leitsatz

  1. Abgrenzung eines "allstimmigen" schriftlichen Beschlusses gegenüber einer schuldrechtlichen Vereinbarung
  2. Kein Nachteil durch Ersetzung vorher vorhandener Rasenkanten durch eine Trockenmauer im sondergenutzten EG-Terrassenbereich
 

Normenkette

§§ 13, 14, 22 WEG

 

Kommentar

  1. Ob eine unter Mitwirkung aller Wohnungseigentümer im schriftlichen Verfahren getroffene Regelung als Eigentümerbeschluss auszulegen ist oder als Vereinbarung, beurteilt sich entscheidend nach deren Inhalt. Eine Vereinbarung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Mehrheitsbeschluss nicht wirksam möglich wäre. Vorliegend haben die drei Eigentümer der Gemeinschaft eine schuldrechtlicheSondernutzungsrechtsvereinbarung über die im Streit befindliche Gartenfläche eines EG-Eigentümers getroffen (zulässigerweise außerhalb einer Versammlung, vgl. BayObLG, ZMR 2002, 848/850). Eine solche Vereinbarung wirkt allerdings nicht gegenüber Rechtsnachfolgern, jedenfalls soweit diese nicht begünstigt werden. Dem Charakter einer Vereinbarung steht auch nicht entgegen, dass ein Miteigentümer diese Vereinbarung als Beschlussformulierung bezeichnet hat.

    Beschlüsse einer Gemeinschaft liegen nur vor, wenn inhaltlich Regelungen des Gemeinschaftslebens getroffen werden, die auch einer Mehrheitsentscheidung zugänglich sind. Eine Vereinbarung ist in der Regel dann anzunehmen, wenn ein Mehrheitsbeschluss nicht möglich wäre (bisher h. M.). Die Begründung eines Nutzungsrechts zugunsten eines Eigentümers am Gemeinschaftseigentum kann aber nicht durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer begründet werden; vielmehr ist hierfür eine Vereinbarung aller Miteigentümer erforderlich (BGH v. 20.9.2000, ZMR 2000, 771 = NJW 2000, 3500). Der Kollektivvertrag einer Vereinbarung bedarf zu seiner Änderung, Ergänzung oder Aufhebung auch wieder der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer. Ist eine nicht im Grundbuch eingetragene Vereinbarung für einen Sondernachfolger von Vorteil, kann er sich auch auf eine solche frühere Vereinbarung berufen (BayobLG, ZWE 2002, 35 und 2002, 268; OLG Düsseldorf, WuM 2001, 251).

    In richtiger Auslegung der Vereinbarung (nach §§ 133, 157 BGB) ergibt sich, dass hier dem jeweiligen Miteigentümer der EG-Wohnung an der streitigen Gemeinschaftsfläche ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wurde (auch mit entsprechenden Pflegeverpflichtungen). Das heißt nicht, dass der Nutzungsberechtigte nunmehr nach Belieben mit seiner Sondernutzungsfläche verfahren könne; bauliche Veränderungen bedürfen vielmehr nach wie vor der Zustimmung nachteilig betroffener Miteigentümer im Sinne der §§ 22 Abs. 1 Satz 2 und 14 Nr. 1 WEG.

  2. Vorliegend war von solchen Nachteilswirkungen durch Ersetzung vorher vorhandener Rasenkanten durch eine Trockenmauer und erneuertem Pflanzenbewuchs nicht auszugehen. Insoweit entstanden auch keine intensiveren Nutzungsmöglichkeiten durch die hinter der Terrasse gelegene Garten- und Rasenfläche.
Anmerkung

Geht es – unabhängig vom Sachverhalt der vorstehenden Entscheidung – um die Abgrenzung eines allstimmigen (ggf. auch schriftlichen Umlauf-)Beschlusses zu einer allseitig über Zustimmungen zustandegekommenen schuldrechtlichen (Vertrags-)Vereinbarung, bin ich nach wie vor entgegen der bisher h. M. der Auffassung, dass insoweit bei der erforderlichen nachträglichen Rechtswertung nicht allein auf den Inhalt der Regelung abzustellen ist, sondern in erster Linie auf den Willen der entscheidenden Eigentümer und auch auf die Form der Entscheidungsherbeiführung (ebenso Wenzel in FS Deckert, 2002, S. 517 ff.). Nutzungsrechte über gemeinschaftliche Flächen und Räume können i. Ü. durchaus auch über Mehrheitsbeschluss und erst recht über allstimmigen Beschluss nach Grundsätzen des § 15 WEG gefasst werden, so z. B. im Sinne einer Vermietungsentscheidung gegen Monatsmiete oder pauschale Abfindung (ggf. sogar entschädigungslos), möglicherweise auch personenbezogen eingeschränkt und befristet. Als Beschluss erzeugt dann eine solche Regelung auch Bindungswirkungen für und gegen etwaige Rechtsnachfolger im Sinne des § 10 Abs. 4 WEG n. F. (im Gegensatz zu einer schuldrechtlichen Vertragsvereinbarung mit grundsätzlicher Wirkung allein gegenüber den aktuellen vertragsschließenden Eigentümern). In der Grundsatzentscheidung des BGH vom 20.9.2000 wurde herausgestellt, dass Nutzungsrechte im Sinne von verdinglichten, d. h. grundbucheintragungspflichtigen Dauersondernutzungsrechten am Gemeinschaftseigentum nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet werden können, also weder durch einfachen noch durch allstimmigen bzw. schriftlichen Mehrheitsbeschluss. Rechtsfolgewirkung erlangen solche Entscheidungen nur durch im Grundbuch eingetragene Vereinbarung. Vorliegend hätte die Entscheidung der Eigentümer also durchaus auch als allstimmiger schriftlicher Nutzungsgestattungsbeschluss ausgelegt werden können, ohne Frage mit dem Ergebnis, dass ein in dieser Weise nutzungsberechtigter Eigentümer auch den Einschränkungen nach § 22 Abs. 1 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG unterworfen ist (vorliegend wohl z...

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