Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache. Unterlassung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine konkludente Änderung der Zweckbestimmung eines Teileigentums durch alle Wohnungseigentümer setzt voraus, daß diesen bewußt und von ihnen gewollt ist, eine auf Dauer angelegte Änderung herbeizuführen.

2. Die Nutzung eines Teileigentums als Gaststätte stört grundsätzlich mehr als eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung als Laden.

3. Zeitmoment und Umstandsmoment als Voraussetzungen der Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 1 S. 2, § 15 Abs. 3; BGB §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 180/99)

LG München I (Aktenzeichen 1 T 4747/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 28. Februar 2001 und des Amtsgerichts München vom 18. Februar 2000 aufgehoben.

II. Dem Antragsgegner wird untersagt, sein Teileigentum ab 1. Januar 2002 als Gaststätte zu nutzen oder nutzen zu lassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von höchstens 10.000 DM, ersatzweise je 500 DM ein Tag Ordnungshaft, angedroht.

III. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge auf 10.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die 1984 errichtet wurde.

Die Antragsteller haben ihre Wohnung 1993 erworben. Dem Antragsgegner gehört das Teileigentum Nr. 119, das im Grundbuch als Laden nebst Lagerkeller und Nebenräumen beschrieben ist.

Das Teileigentum des Antragsgegners wurde zu keiner Zeit als Laden genutzt; vielmehr wurde es von Anfang an als Imbißstube oder Bistro betrieben. Das Teileigentum ist verpachtet.

Die Antragsteller haben beantragt, es dem Antragsgegner zu verbieten, sein Teileigentum als Gaststätte zu nutzen. Das Amtsgericht hat den Antrag am 18.2.2000 abgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde haben die Antragsteller ihren ursprünglichen Unterlassungsantrag weiter verfolgt und hilfsweise einen umfangreichen Antrag gestellt, der das Ziel hat, die von dem Betrieb des Teileigentums als Gaststätte ausgehenden Beeinträchtigungen weitgehend einzuschränken oder auszuschließen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller durch Beschluß vom 28.2.2001 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Hilfsantrag werde als nicht sachdienlich nicht zugelassen, weil andernfalls weitere Ermittlungen anzustellen wären, die den Kern des ursprünglichen Verfahrens verändern würden.

Ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Teileigentums als Gaststätte bestehe deshalb nicht, weil die Nutzung von den Wohnungseigentümern stillschweigend genehmigt worden sei; jedenfalls sei der Unterlassungsanspruch verwirkt.

Eine Genehmigung der Nutzung als Gaststätte sei darin zu sehen, daß die Wohnungseigentümer durch den Treuhandverein am 12.12.1990 einen notariellen Vertrag abgeschlossen hätten, in dem das Teileigentum des Antragsgegners als Ladeneinheit „Bistro” beschrieben sei und die Wohnungseigentümer für die Überlassung einer Gemeinschaftsfläche zum Zwecke der „Bistroerweiterung” eine Abfindung erhalten hätten. Auch bei der Erörterung der Angelegenheit in den Eigentümerversammlungen vom 23.7. und 29.10.1990 sei stets von einer „Bistroerweiterung” oder einem „Bistro” die Rede gewesen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß das Teileigentum im Jahr 1990 bereits in der Art einer Gaststätte genutzt worden sei; geöffnet sei bis etwa 23.00 Uhr gewesen; auch sei im Freien ausgeschenkt worden; schließlich seien ferner Speisen gereicht und Musik gemacht worden.

Der Unterlassungsanspruch sei jedenfalls verwirkt, weil die Wohnungseigentümer mindestens neun Jahre lang unbeanstandet die Nutzung des Teileigentums als gaststättenartigen Betrieb geduldet hätten. Hinzu komme, daß die Wohnungseigentümer durch die Vorgänge im Jahr 1990 zu erkennen gegeben hätten, sich auf diese Nutzung einzustellen. Auch der Antragsgegner und sein Rechts Vorgänger hätten sich darauf eingerichtet, das Teileigentum als Gaststätte nutzen zu dürfen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Bei der Bezeichnung des Teileigentums des Antragsgegners in der Teilungserklärung als „Laden” handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG. Zulässig ist grundsätzlich aber auch eine andere Nutzung, als sie sich aufgrund dieser Zweckbestimmung ergibt, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Wird ein Teileigentum nach diesen Grundsätzen von einem Teileigentümer zweckbestimmungswidrig genutzt, kann ein anderer Wohnungs- oder Teileigentümer Unterlassung dieser Nutzung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 BGB verlangen (allgemeine M...

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